Sächsische Zeitung (Dresdner Meißner Land)
Secondhand in Radebeul – Bunt und kuschelig
Im DRK-Kleiderladen in Radebeul wird nachhaltig geholfen, ohne zu fragen, wem es nützt.
Seit 20 Jahren hält der DRK-Kleiderladen in der Forststraße 26 seine Türen offen für alle, die Hilfe benötigen. Matthes Brähmig – Leiter der Rotkreuzdienste/Servicestelle Ehrenamt – konkretisiert: „Wöchentlich kommen bis zu 130 Leute zu uns, die hier Kleidung in jeder Größe und für jedes Alter, dazu Schuhe und das passende Accessoire suchen – alles aus zweiter Hand.“Kinder freuen sich, wenn sie Bücher mitnehmen können. Merle hielt glücklich den „Struwwelpeter“, Schwester Katrin die Barbiepuppe und ein niedliches Plüschhündchen in der Hand. Ihre Augen strahlten.
Die 56-jährige Ladenleiterin Heidi Gohrband präsentiert in drei Räumen ihr prall gefülltes Warenlager, das vielfältiger nicht sein kann: Damen- und Herrenkleidung,
dazu Kindersachen und Spielzeug – sogar ein Wühltisch wie in Kaufhäusern. Doch nichts liegt unsortiert herum. Hosen, Röcke, Blusen und Westen, Hemden und T-Shirts, Pullis, Pullover und Anoraks mit Kapuze hängen akkurat auf Bügeln und Kleiderständern. Die Jugend freut sich, dass sogar stilgerechte Markenware vorrätig ist – Tom Tailor, S’Oliver, Bugatti und Walbusch. An einem Pfosten hängt für jeden sichtbar die Preisliste für alles – unter anderem für Kindersachen von 50 Cent bis zwei Euro. „Das kann sich jeder leisten – auch der Ärmste“, weiß Heidi Gohrband. „Nachhaltig und günstig ist unsere Ware“, unterstreicht Herr Brähmig.
Ein Blick genügt zur Einordnung
Die vor dem Krieg geflüchtete Ukrainerin Tetjana Dubnyska freut sich über eine Bluse und einen Rock, die Enkelin über einen Kinderkoffer. Der deutschen Sprache noch nicht mächtig – beinahe demütig bedankt sie sich mit Tränen in den Augen und entrichtet einen Mini-Obolus. „Aber meine acht ehrenamtlichen Helfer und ich erleben täglich, dass oft Laufkunden ihren Dresdner und Radebeuler Pass mit sichtlicher Scham vorlegen, um noch günstiger Bekleidung oder Handtücher zu erwerben“, schildert Frau Gohrband. „Die Hemmschwelle ist sehr groß.“Ein Beispiel: Eine Mutter wollte für ihren Sohn Hemd und Hose erwerben, doch der junge Mann traute sich nicht – er schämte sich zu sehr. „Die Menschen müssen sich ihre Würde bewahren können“, so Brähmig und fügt an: „Armut ist keine Schande.“
Die tadellos gepflegte Kleidung und Holz-Kinderspielzeug bringen die Spender persönlich vorbei. „Uns genügt ein Blick, damit wir die Ware im Laden einordnen und in die Regale einstapeln können.“Heidi Gohrband hofft, dass sich „auch Geschäfte und Großhandel bei uns melden, bevor sie ihre überschüssige Textilware vernichten“.
Wochentags von 8 bis 16 Uhr können die Spenden beim Deutschen Roten Kreuz in der Radebeuler Forststraße abgegeben werden – natürlich intakt und sauber – auch ohne fehlende Knöpfe und verklemmte Reißverschlüsse.
Der DRK Kreisverband hat rund um Radebeul zwölf Container für Kleidung, Wäsche und Schuhe aufgestellt, die regelmäßig geleert werden. „Fast immer packen die Spender ihre Textilien in Beutel oder Tüten – aber Respektlose werfen Müllbeutel und zerfetzte Lappen in die Container, schmeißen verdreckte Matratzen oder Kissen davor“, kritisiert Matthes Brähmig und hofft auf Einsicht der liederlichen Zeitgenossen.
Die sozialen Kleiderläden anderswo – wie in Dresden, Leipzig und Zwickau – sind vernetzt. „Erfahrungsaustausch hilft und ist nie verkehrt“, unterstreicht Brähmig.