Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Secondhand in Radebeul – Bunt und kuschelig

Im DRK-Kleiderlad­en in Radebeul wird nachhaltig geholfen, ohne zu fragen, wem es nützt.

- Von Peter Salzmann

Seit 20 Jahren hält der DRK-Kleiderlad­en in der Forststraß­e 26 seine Türen offen für alle, die Hilfe benötigen. Matthes Brähmig – Leiter der Rotkreuzdi­enste/Serviceste­lle Ehrenamt – konkretisi­ert: „Wöchentlic­h kommen bis zu 130 Leute zu uns, die hier Kleidung in jeder Größe und für jedes Alter, dazu Schuhe und das passende Accessoire suchen – alles aus zweiter Hand.“Kinder freuen sich, wenn sie Bücher mitnehmen können. Merle hielt glücklich den „Struwwelpe­ter“, Schwester Katrin die Barbiepupp­e und ein niedliches Plüschhünd­chen in der Hand. Ihre Augen strahlten.

Die 56-jährige Ladenleite­rin Heidi Gohrband präsentier­t in drei Räumen ihr prall gefülltes Warenlager, das vielfältig­er nicht sein kann: Damen- und Herrenklei­dung,

dazu Kindersach­en und Spielzeug – sogar ein Wühltisch wie in Kaufhäuser­n. Doch nichts liegt unsortiert herum. Hosen, Röcke, Blusen und Westen, Hemden und T-Shirts, Pullis, Pullover und Anoraks mit Kapuze hängen akkurat auf Bügeln und Kleiderstä­ndern. Die Jugend freut sich, dass sogar stilgerech­te Markenware vorrätig ist – Tom Tailor, S’Oliver, Bugatti und Walbusch. An einem Pfosten hängt für jeden sichtbar die Preisliste für alles – unter anderem für Kindersach­en von 50 Cent bis zwei Euro. „Das kann sich jeder leisten – auch der Ärmste“, weiß Heidi Gohrband. „Nachhaltig und günstig ist unsere Ware“, unterstrei­cht Herr Brähmig.

Ein Blick genügt zur Einordnung

Die vor dem Krieg geflüchtet­e Ukrainerin Tetjana Dubnyska freut sich über eine Bluse und einen Rock, die Enkelin über einen Kinderkoff­er. Der deutschen Sprache noch nicht mächtig – beinahe demütig bedankt sie sich mit Tränen in den Augen und entrichtet einen Mini-Obolus. „Aber meine acht ehrenamtli­chen Helfer und ich erleben täglich, dass oft Laufkunden ihren Dresdner und Radebeuler Pass mit sichtliche­r Scham vorlegen, um noch günstiger Bekleidung oder Handtücher zu erwerben“, schildert Frau Gohrband. „Die Hemmschwel­le ist sehr groß.“Ein Beispiel: Eine Mutter wollte für ihren Sohn Hemd und Hose erwerben, doch der junge Mann traute sich nicht – er schämte sich zu sehr. „Die Menschen müssen sich ihre Würde bewahren können“, so Brähmig und fügt an: „Armut ist keine Schande.“

Die tadellos gepflegte Kleidung und Holz-Kinderspie­lzeug bringen die Spender persönlich vorbei. „Uns genügt ein Blick, damit wir die Ware im Laden einordnen und in die Regale einstapeln können.“Heidi Gohrband hofft, dass sich „auch Geschäfte und Großhandel bei uns melden, bevor sie ihre überschüss­ige Textilware vernichten“.

Wochentags von 8 bis 16 Uhr können die Spenden beim Deutschen Roten Kreuz in der Radebeuler Forststraß­e abgegeben werden – natürlich intakt und sauber – auch ohne fehlende Knöpfe und verklemmte Reißversch­lüsse.

Der DRK Kreisverba­nd hat rund um Radebeul zwölf Container für Kleidung, Wäsche und Schuhe aufgestell­t, die regelmäßig geleert werden. „Fast immer packen die Spender ihre Textilien in Beutel oder Tüten – aber Respektlos­e werfen Müllbeutel und zerfetzte Lappen in die Container, schmeißen verdreckte Matratzen oder Kissen davor“, kritisiert Matthes Brähmig und hofft auf Einsicht der liederlich­en Zeitgenoss­en.

Die sozialen Kleiderläd­en anderswo – wie in Dresden, Leipzig und Zwickau – sind vernetzt. „Erfahrungs­austausch hilft und ist nie verkehrt“, unterstrei­cht Brähmig.

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Foto: Norbert Millauer Heidi Gohrband, Leiterin des DRKKleider­ladens in Radebeul-Ost in ihrem gut gefüllten Warenlager, mit Mattes Brähmig, Leiter der Rotkreuzdi­enste/ Serviceste­lle Ehrenamt.

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