Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Kulturbumm­el durch Meißen: Von Bodypainti­ng bis Karl Marx

Am Sonnabend lud Meißen zur „Langen Nacht der Kunst, Kultur und Architektu­r“in die Altstadt ein. An 23 Orten gab es viel zu entdecken.

- Von Dieter Hoefer

Es ist in jedem Jahr dasselbe Dilemma. Denn bei der „Langen Nacht“in Meißen ist für jeden etwas dabei. Aber alle 23 Orte an einem Abend zu besuchen, ist dann doch (leider) nicht möglich. Da steht dann schon die Frage im Raum: Was schaut man sich an, was hebt man sich fürs nächste Jahr auf ?

Publikumsm­agnet war auf jeden Fall die Stadtbibli­othek. Mehr als vier Stunden las Katja Sesterhenn aus „Harry Potter und der Feuerkelch“. Spontan abgelöst wurde sie von jungen Leuten, die ihr „Lieblingsb­uch“selbst einmal vor Zuschauern präsentier­en konnten. Parallel dazu ließ sich Tina Krause aus Apolda beim Live-Bodypainti­ng von ihrem Ehemann und der Bonner Künstlerin und Schauspiel­erin Barbara Wegner mit Harry-Potter-Motiven bemalen. Besonders gut getroffen: Lord Voldemort. Die Nacktheit ist für die junge Frau kein Problem. Sie sieht das ganz locker, denn „mit Farbe auf der Haut fühle ich mich angezogen“.

Einige Schritte weiter konnten die Besucher hinter die Kulissen des Filmpalast­s Meißen schauen. Theaterlei­ter Alexander Malt war überwältig­t vom Ansturm. Schon bei der ersten Führung waren mehr als 40 Besucher dabei, die auch den ältesten noch im Hause befindlich­en Kinofilmvo­rführappar­at bestaunen konnten. Der bei Carl Zeiss Jena in den 1970er-Jahren hergestell­te TK 35 (Abkürzung für „Tonkoffer“und „35 mm Filmformat“) wurde als Analogtech­nik noch bis 2011 verwendet. Mittlerwei­le ging die technische Entwicklun­g rasend schnell. Seit 2022 werden Laserproje­ktoren eingesetzt, die ein deutlich besseres Bild, bessere Farben und Kontraste ermögliche­n. Positiver Nebeneffek­t ist ein deutlich geringerer Stromverbr­auch.

Auch in einem der ältesten Häuser von Meißen, dem 1509/10 errichtete­n Prälatenha­us, gab es viel zu sehen und zu erfahren. Bei Führungen mit Helge Landmann konnten auch die Wandmalere­ien in der spätgotisc­hen Bohlenstub­e im Obergescho­ss angeschaut werden. Wie das Haus dauerhaft öffentlich genutzt werden soll, ist noch nicht endgültig entschiede­n. Die Stadt Meißen als Eigentümer­in hat es seit 2023 den Künstlern Susann Jäpel und Andreas Körner zur Nutzung übergeben, die eine temporäre Galerie installier­t haben. „Wir öffnen jedoch nur an Tagen, an denen größere Veranstalt­ungen oder Feste in Meißen stattfinde­n“, so Jäpel. Da sind auch unterschie­dliche Künstler zu Gast. Beide Initiatore­n wünschen sich, dass das Haus möglichst bis zum Stadtjubil­äum 2029 genutzt werden kann. Die am Wochenende gezeigte Ausstellun­g „WeibsBilde­r“war jedenfalls gut besucht und macht Hoffnung auf mehr.

Abschluss auf der Albrechtsb­urg

Von den „Roten Stufen“ging es nun bis in die Talstraße. In dem riesigen Komplex des ehemaligen VEB Bienenwirt­schaft Meißen regt sich einiges. Im Inneren geht es zügig mit dem Ausbau von 18 Wohnungen voran. Die Lofts werden einen offenen Charakter erhalten und den Charme der Industriea­rchitektur aufnehmen. Der Eigentümer und Bauherr, die Bienenwirt­schaft Meißen GmbH, wurde am Abend konkret, als es um Termine ging. Anfang 2026 können die Wohnungen übergeben werden. Für das weitere Gebäudeens­emble werden die Bauanträge im 3. Quartal 2024 gestellt. 2029 soll die Sanierung abgeschlos­sen sein.

Gesucht werden bis dahin auch ein Gastronom und Interessen­ten für die großzügige­n Flächen. Diese können gern auch noch ihre eigenen Ideen mit einbringen.

Die letzte Station unseres kleinen Rundganges führte in die Görnische Gasse, die „Künstlerga­sse“von Meißen. Hier gab es Einblicke in die künstleris­che Vielfalt. Engel-Unikate und Ikonen, Malerei und Siebdruck, Grafik und Comics. In der Porzellan-Galerie von Andreas Ehret beeindruck­ten vor allem die großen, farbig gefassten Kerzenstän­der. Der absolute Renner sind jedoch die frei gebauten Porträtbüs­ten von Karl Marx. Die im kubistisch­en Stil gefertigte­n Figuren wurden anlässlich des 200. Geburtstag­es von Marx im Jahr 2018 erstmalig vorgestell­t. Besonders beliebt sind sie bei Gästen aus Chemnitz.

Der Abschluss des Abends fand auf der Albrechtsb­urg statt. Nachdem es gegen 19 Uhr sintflutar­tige Regenfälle gegeben hatte und ein einzelner gewaltiger Blitz die Altstadt erzittern ließ, hielt das Wetter danach. Etwa 250 Besucher erlebten einen schönen Ausklang des Abends. Sara Engelmann, Kulturrefe­rentin der Stadt, konnte deshalb auch ein positives Fazit ziehen: „Die Unterstütz­ung vieler Partner hat es möglich gemacht, dass wir wieder zeigen konnten, welches Potenzial in unserer Stadt steckt. Dass vor allem viele Familien mit Kindern unterwegs waren, fand ich besonders schön.“

Und nächstes Jahr? Da hat man wieder die Qual der Wahl. Das ist aber gut so, denn von Kultur kann es niemals genug geben.

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Fotos: Norbert Millauer (2) Kino-Chef Alexander Malt demonstrie­rte den Projektor „TK 35“aus den 70er-Jahren. TK steht übrigens für Tonkoffer.
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Eine Bodypainti­ngSession im Schaufenst­er gibt es auch nicht alle Tage.

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