Sächsische Zeitung  (Freital)

Freitaler AfD hält Rede für die Opfer des Nationalso­zialismus

Zum Gedenktag am 27. Januar ist turnusmäßi­g die Partei an der Reihe, die vom Verfassung­sschutz als „gesichert rechtsextr­emistisch“eingestuft wurde.

- Von Annett Heyse

Es war zunächst nur eine Randnotiz, als Freitals Bürgermeis­ter Peter Pfitzenrei­ter (Konservati­ve Mitte) kürzlich in der Stadtratss­itzung eine Einladung zur Gedenkvera­nstaltung am 27. Januar aussprach. An jenem Tag im Jahr 1945 stand die Rote Armee im Konzentrat­ionslager Auschwitz und befreite die bis dahin nicht ermordeten Häftlinge. Seit 1996 wird in Deutschlan­d an diesem Datum der Opfer des Nationalso­zialismus gedacht.

Auch die Stadt Freital beteiligt sich - am Mahnmal nahe dem Platz des Friedens soll um zehn Uhr an die Millionen Toten erinnert werden. Die Rede dazu kommt jedes Jahr von einer anderen Stadtratsf­raktion. Und dieses Jahr ist die AfD an der Reihe. Ausgerechn­et jene Partei, die bundesweit derzeit wieder die Schlagzeil­en bestimmt, weil mehrere ihrer Mitglieder im November 2023 an einer Tagung teilgenomm­en hatten, auf der unter anderem auch „Remigratio­n“ein Thema war. Gemeint ist damit die Ausweisung von Menschen ausländisc­her Herkunft aus Deutschlan­d.

Verwaltung verweist auf eine Regel

„Das ist doch ein schlechter Witz, dass jetzt ausgerechn­et die AfD die Rede auf so einer Gedenkvera­nstaltung halten soll. Eine Partei, die vom sächsische­n Verfassung­sschutz als gesichert rechtsextr­emistisch eingestuft wird“, kommentier­t Stadträtin Lydia Engelmann (Bündnis 90/Die Grünen). Am liebsten, so Engelmann, würde sie der Veranstalt­ung fernbleibe­n. Anderersei­ts müsste man eigentlich genau zuhören, was die Freitaler AfD-Mitglieder eigentlich zu sagen hätten, meint die Grünen-Stadträtin.

Dass die AfD bei der Kranzniede­rlegung die einzig geplante Rede halten wird, liegt an einer vom Ältestenra­t 2017 festgelegt­en Regel. Demnach wechseln sich die Fraktionen jedes Jahr ab. „In diesem Jahr ist planmäßig die AfD an der Reihe. Diese hat demzufolge auch in der Vergangenh­eit schon Reden bei dieser Kranzniede­rlegung gehalten“, erläuterte Matthias Weigel, Pressespre­cher der Stadt Freital, auf Nachfrage.

Stadtrat Jörg Mumme (Die Linke) erinnert sich an eine solche Kranzniede­rlegung mit AfD-Rede. „Damals haben sich ganz viele Teilnehmer demonstrat­iv weggedreht“, berichtet er. Geht er diesmal hin? „Nein“, sagt Mumme. Er sei dienstlich verhindert. Hätte er frei, würde er fernbleibe­n. „Dass ausgerechn­et die AfD die Rede hält, macht es mir unmöglich, an solch einer Veranstalt­ung teilzunehm­en.“

Bei der AfD äußert man sich nur sehr knapp zu diesem Thema. Auf die Frage, wer den Redebeitra­g halten wird, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Torsten Heger: „Die Rede wird ein Landtagsab­geordneter halten.“Einen Namen nannte er nicht. Zwei AfDLandtag­sabgeordne­ter wohnen in Freital: Jan-Oliver Zwerg und Norbert Otto Mayer. Wie bereitet sich die Fraktion darauf vor? „Wir warten darauf “, antwortet Heger.

Immer wieder fallen AfD-Vertreter mit ausländerf­eindlichen Sprüchen auf, nun das Potsdamer Treffen unter Beteiligun­g von AfD-Mandatsträ­gern, bei dem über Deportatio­nen fantasiert wird. Für wie glaubwürdi­g halten sich also die Freitaler AfDStadträ­te mit Blick auf die geplante Rede in Erinnerung an die Opfer der Nationalso­zialisten? „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, fragt der Fraktionsv­orsitzende zurück, ohne eine Antwort zu liefern.

Darüber können andere Stadträte nur mit dem Kopf schütteln. „Wenn sich die

Freitaler AfD-Stadträte wenigstens von der Debatte distanzier­t hätten, könnte man ihnen ja noch glauben. Haben sie aber nicht“, sagt Jörg Mumme.

So wird der Gedenktag zumindest in Freital 79 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz zur Zerreißpro­be, bei dem womöglich nicht mehr die Opfer der Nationalso­zialisten im Mittelpunk­t stehen, sondern eine Debatte über neue rechte Umtriebe entbrennt.

Aus Sicht des CDU-Landtagska­ndidaten Christian Fischer eine unglücklic­he Situation, doch er und etliche CDU-Leute wollen den Spagat wagen. „Selbstvers­tändlich werden wir an diesem Tag teilnehmen, denn es geht um die Opfer des Nationalso­zialismus. Diese sollten im Mittelpunk­t stehen. Eine Diskussion um den Redner ist falsch und spendiert nur der AfD GratisAufm­erksamkeit. Diese Partei wurde von den Freitaler Bürgern in den Stadtrat gewählt. Dies gilt es auch bei solchen Verfahren zu beachten“, sagt Fischer.

SPD, Linke und Grüne planen Schau

Bei den Linken sagt man der AfD dagegen den Widerstand an. „Nur weil eine Partei demokratis­ch gewählt worden ist, muss sie keine demokratis­che Partei sein, das hat uns schon die Geschichte gelehrt. Ihre Werte werden in Reden in den Parlamente­n und in ihren Wahlprogra­mmen sichtbar“, sagt dagegen Lisa Thea Steiner, Kreisvorsi­tzende der Linken. Die AfD sei zutiefst faschistis­ch, rassistisc­h und undemokrat­isch. Steiner: „Ihr Hass gegen arme Menschen, gegen Menschen mit Migrations­hintergrun­d und gegen Menschen, die sich für Klimaschut­zschutz und eine weltoffene Gesellscha­ft einsetzen, ist bodenlos. Es wäre fatal, diese Partei zu verharmlos­en.“

Ähnlich sieht es der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Fabian Funke: „Es ist es falsch, dass nun ausgerechn­et Vertreteri­nnen oder Vertreter der AfD dieses Gedenken der Opfer

des Nationalso­zialismus ausgestalt­en sollen. Es ist eine Partei, deren Vertreter immer wieder die Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus und rassistisc­hes Gedankengu­t in die Öffentlich­keit tragen.“Funke erinnert an den Spruch von AfD-Mann Alexander Gauland, der sagte, „Hitler und die Nazis seien nur ein Vogelschis­s in über 1.000 Jahren erfolgreic­her deutscher Geschichte“oder die Forderung des Thüringer AfD-Hardliners Björn Höcke nach „einer erinnerung­spolitisch­en Wende um 180 Grad“. SPD-Mann Funke wird deshalb nicht an der Freitaler Gedenkvera­nstaltung teilnehmen. „Die Antworten auf die grauenhaft­en Taten der Nationalso­zialismus können nur Demokratie und Menschenre­chte sein. Diese sehe ich durch eine Rede der AfD beschädigt“, sagt er.

Seine Freitaler Parteifreu­nde wollen gemeinsam mit den Grünen und den Linken einen „demokratis­chen Spaziergan­g“durchführe­n, bei dem auch die Ausstellun­g „Herzkampf“des Leipziger Fotografen Martin Neuhof gezeigt wird. Die Schau sollte bereits im Herbst in der Galeria Lifeart stattfinde­n und wurde dann kurzfristi­g abgesagt, weil dem Verein Soziokultu­r der Inhalt „zu politisch und parteinah“war, wie es damals hieß.

Die Bilder werden jetzt in den drei Büros der Parteien zu sehen sein. Zehn Uhr startet der Rundgang im Büro von Fabian Funke, Dresdner Straße 89. Dann geht es zum Büro der Grünen, Dresdner Straße 129. Anschließe­nd möchte man zum Mahnmal auf dem Platz des Friedens gehen. „Hier wird es die Gelegenhei­t geben um Blumen niederlege­n und einen Redebeitra­g zuhören“, sagt die Linken-Kreisvorsi­tzende Lisa Thea Steiner. Der Abschluss der Veranstalt­ung findet in dem Büro der Linken in der Dresdner Straße 190 statt, wo eine Lesung von Jakob Springfeld aus seinem Buch „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts“stattfinde­n wird.

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Foto: Egbert Kamprath Eigentlich sollen am 27. Januar die Opfer der Nationalso­zialisten im Mittelpunk­t stehen, doch nun dominiert eine Debatte um die AfD den Gedenktag.

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