Goldene Lola für Corinna Harfouch
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer appelliert an die Branche. Favorit „Sterben“holt den Hauptpreis. So war der Deutsche Filmpreis 2024.
Es ist eigentlich ein Film über das Leben: das dreistündige Drama „Sterben“von Matthias Glasner. Beim Deutschen Filmpreis wurde es am Freitagabend mit der Goldenen Lola als bester Spielfilm ausgezeichnet. Insgesamt gewann der Film über eine zerrüttete Familie, der mit neun Nominierungen als Favorit ins Rennen ging, vier Auszeichnungen. Glasner zeigte sich bei der Verleihung gerührt und leicht überrumpelt auf der Bühne. „Ich bin ganz schön durch den Wind, ehrlich gesagt.“
Für den bewegendsten Auftritt sorgte bei der Gala im Theater am Potsdamer Platz in Berlin aber eine 102-Jährige. „In diesem Raum sitzen ganz viele Geschichtenerzähler. Ihr habt die Verantwortung, die Kraft des Films zu nutzen, damit so etwas nie wieder passiert“, appellierte die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer an die Filmschaffenden. „Ich bitte euch, mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.“Für ihre Rede gab es Standing Ovations. Einige hatten Tränen in den Augen. Regisseur Florian Gallenberger, der mit der Schauspielerin Alexandra Maria Lara die Deutsche Filmakademie leitet, mahnte Zusammenhalt an. Diesen brauche es im Augenblick mehr denn je. Lara betonte, die Filmakademie positioniere sich gegen jegliche Form von Ausgrenzung, Hass, Rassismus und Antisemitismus.
Kein Preis für Eidinger
Ein anderer Auftritt sorgte für Schmunzeln. Hanna Schygulla wurde mit dem Ehrenpreis der Filmakademie ausgezeichnet. Bei ihrer Dankesrede, die sie handgeschrieben auf Papier mit auf die Bühne nahm, verzettelte sich die legendäre FassbinderSchauspielerin und blieb noch auf der Bühne, als die Veranstalter schon die Musik einspielten, die das Ende der Rede markieren sollte. Sie falle auch mal gern aus dem Rahmen, sagte die 80-Jährige, die für ihre herausragenden Verdienste um den deutschen Film geehrt wurde.
Auszeichnungen wurden in zahlreichen Kategorien vergeben: Bis zum Ende gab es keinen eindeutigen Abräumer. „Sterben“bekam neben der Goldenen Lola als bester Spielfilm einen Preis für die beste Filmmusik (Lorenz Dangel). Zudem wurde Corinna Harfouch als beste Hauptdarstellerin geehrt, Hans-Uwe Bauer für die beste männliche Nebenrolle. Der Mystery-Thriller „Die Theorie von Allem“von Timm Kröger kam auf drei Auszeichnungen, genauso wie „Im toten Winkel“, ein packender Politthriller von Ayse Polat. Regisseur Glasner hatte schon bei der Berlinale im Februar einen Silbernen Bären für sein Drehbuch gewonnen. Sein Drama ist keine leichte Kost. Ausgangspunkt ist der Tod des demenzkranken Vaters Gerd (Bauer). Dadurch müssen sich die Mitglieder der Familie Lunies wieder miteinander auseinandersetzen. Liebe, Zuneigung und Herzenswärme sind Fremdworte für sie. Recht schnell wird klar, dass auch die schwer kranke Mutter Lissy (Harfouch) kurz vor dem Ende ihres Lebens steht. Harfouch spielt die unnahbar wirkende und kalte Lissy besonders überzeugend. „Sterben“-Darsteller Lars Eidinger gratulierte live per Videoschalte. Momentan dreht der Schauspieler unter anderem mit Hollywoodstar George Clooney einen Film. Eidinger selbst ging leer aus. Stattdessen setzte sich der österreichische Schauspieler Simon Morzé durch. Im Historienfilm „Der Fuchs“spielt er einen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg einen Fuchs aufzieht. Die Österreicherin Adele Neuhauser bekam die Lola als beste Nebendarstellerin im Drama „15 Jahre“. Bester Dokumentarfilm wurde „Sieben Winter in Teheran“von Steffi Niederzoll über eine zum Tod verurteilte junge Iranerin.
Der Deutsche Filmpreis gehört zu den wichtigsten Auszeichnungen der Branche. Die Nominierungen und Auszeichnungen sind mit insgesamt rund drei Millionen Euro für neue Projekte dotiert. Das Geld stammt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Beim Fernsehpublikum fand der Filmpreis erneut wenig Anerkennung. Diesmal schalteten die zeitversetzt ab 22.25 Uhr im Ersten ausgestrahlte Gala im Schnitt 570.000 Menschen ein, fast 200.000 mehr als im vergangenen Jahr beim ZDF. Vor fünf Jahren schaute immerhin noch rund eine Million zu. (dpa)