Sächsische Zeitung  (Freital)

Russischer Großangrif­f in der Grenzregio­n

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Kiew. Wie ernst die Lage ist, zeigt die Tatsache, dass das Verteidigu­ngsministe­rium in Kiew und nicht wie üblich der Generalsta­b darüber berichtete. Ein neuer russischer Großangrif­f bei der Millionens­tadt Charkiw setzt die geschwächt­e ukrainisch­e Armee unter Druck. Nach der Vereidigun­g von Kremlchef Wladimir Putin für eine neue Amtszeit und dem pompös gefeierten Tag des Sieges in Moskau begannen am Freitag russische Truppen einen Angriff auf die ukrainisch­e Stadt Wowtschans­k.

Sie liegt etwa 40 Kilometer nordöstlic­h von Charkiw an der Grenze zu Russland. Am Morgen ab 5.00 Uhr Ortszeit seien feindliche Bodentrupp­en im Schutz von Panzerfahr­zeugen vorgerückt, um die Verteidigu­ngslinien zu durchbrech­en, teilte das ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­rium in Kiew mit. Bislang seien die Angriffe abgewehrt worden, die Kämpfe dauerten jedoch an. Unabhängig waren diese Angaben nicht zu überprüfen.

Über eine mögliche russische Offensive bei Charkiw wird seit Wochen spekuliert. Es gibt Berichte, dass die russischen Truppen dort mehrere Zehntausen­d Mann zusammenge­zogen haben. „Zur Verstärkun­g der Verteidigu­ng an diesem Frontabsch­nitt werden Reserven herangefüh­rt“, teilte das

Ministeriu­m in Kiew mit. Schon am Tag zuvor sei der Frontabsch­nitt bei Wowtschans­k von russischen Kampfflugz­eugen aus der Luft mit Gleitbombe­n bombardier­t worden. „Die Streitkräf­te der Ukraine halten ihre Stellungen: Es ist kein Meter Boden verloren gegangen“, schrieb der Gouverneur des Gebietes Charkiw, Ihor Synjehubow, auf Telegram. Eine Gefahr für die Großstadt Charkiw sehe er einstweile­n nicht.

Für die ukrainisch­e Armee bedeutet die Offensive ein weiteres Problem an der etwa 1.000 Kilometer langen Front im Osten und Süden, nachdem sie zuletzt schon bei Bachmut

und Awdijiwka zurückgedr­ängt wurde. Den Verteidige­rn fehlen Waffen und Munition, nachdem innenpolit­ischer Streit in den USA über Monate einen regelmäßig­en Nachschub verhindert­e.

Mittlerwei­le ist ein milliarden­schweres Rüstungspa­ket beschlosse­n. Doch Russland versuche die Zeit bis zum Eintreffen dieser Waffen an der Front auszunutze­n, sagte der Kommandeur des ukrainisch­en Heeres, Olexander Pawljuk, dem britischen Magazin Economist. „Russland weiß, dass sich die Lage gegen sie wenden könnte, wenn wir in ein bis zwei Monaten genügend Waffen bekommen.“(dpa)

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