Sächsische Zeitung  (Freital)

Von liberal bis extremisti­sch: Das sind die Kreistagsk­andidaten

447 Bewerber gibt es für die 86 Sitze im Pirnaer Kreistag. Drei Listen sind komplett neu. Einige der Kandidaten stechen besonders hervor. Ein Überblick.

- Von Roland Kaiser Eine Übersicht sämtlicher Kandidaten unter web www.szlink.de/kreistagsk­andidaten_soe

Der Wahlkampf im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebi­rge geht in die heiße Phase. Bis zum 9. Juni sind es nur noch wenige Wochen. Dann steht neben der Europawahl die Stimmabgab­e auf kommunaler Ebene an – also auch für den Kreistag Sächsische Schweiz-Osterzgebi­rge in Pirna. Die Kreisräte kontrollie­ren die Arbeit des Landrates und seiner Verwaltung, entscheide­n über Themen, die von Katastroph­enschutz bis Schülerver­kehr reichen. In dem größten Kommunalpa­rlament in SOE sind 86 Mandate zu vergeben. Um die bemühen sich insgesamt 447 Kandidaten verschiede­ner Parteien und Wählervere­inigungen. Zum Vergleich: Beim letzten Urnengang 2019 hatten sich 461 Frauen und Männer um einen Sitz beworben. Von denen, die es am Ende schafften, wollen diesmal viele den Wiedereinz­ug in den Kreistag klarmachen.

Allerdings gibt es auch zahlreiche neue Gesichter, die künftig die Kreispolit­ik mitbestimm­en möchten. Dazu zählen in erster Linie die 41 Kandidaten (davon 14 Frauen) der rechtsextr­emen Kleinstpar­tei Freie Sachsen sowie die 19 Bewerber (davon 5 Frauen) des Bündnisses Sahra Wagenknech­t – kurz BSW. Das Bündnis Deutschlan­d wiederum geht mit zwei Bewerbern an den Start. Darunter Ivo Teichmann, der derzeit als Fraktionsl­oser im Kreistag sitzt. Die genannten drei Vereinigun­gen gab es bei der letzten Kreistagsw­ahl noch nicht, sie stehen zum ersten Mal auf dem Wahlschein. Relativ neu ist die Konservati­ve Mitte. Aus der Freitaler Stadtratsf­raktion heraus hat sich eine Kraft etabliert, die im Kreistag eigene Parlamenta­rier stellt und in der Vergangenh­eit auch von Überläufer­n profitiere­n konnte. Zuletzt kamen frühere AfD-Leute zur KM. Mit Torsten Heger, einem Ex-AfD-Stadt- und Kreisrat aus Freital, und dessen politische­m Wegbegleit­er Michael Zscherper geht nun die Konservati­ve Mitte auch bei der Kreistagsw­ahl auf Stimmenfan­g. Sie stellt in fünf der 13 Wahlkreise fünf Frauen und 25 Männer auf.

CDU rekrutiert Bürgermeis­terriege und Unterlegen­e

Gemessen an der Zahl der Kandidaten rangiert die CDU auf Platz eins – mit deutlichem Abstand vor allen anderen. Den Christdemo­kraten geht es unter anderem um attraktive und moderne Schulen und Kitas im Landkreis, Entwicklun­gsperspekt­iven für Unternehme­n, eine gute soziale Infrastruk­tur mit einer funktionie­renden medizinisc­hen Versorgung sowie eine bürgernahe Verwaltung. Die Standorte der Landes- und Bundespoli­zei sollen zudem erhalten bleiben. Als führende Köpfe in der CDU legen sich dafür die unterlegen­e Pirnaer Oberbürger­meisterkan­didatin Kathrin Dollinger-Knuth, CDU-Kreischef Peter Darmstadt, der Heidenauer Bürgermeis­ter Jürgen Opitz oder auch die Dippser Oberbürger­meisterin Kerstin Körner ins Zeug. Zudem kandidiert Sandra Gockel. Die frühere Schulleite­rin und jetzige Landtagsab­geordnete aus Heidenau wäre neu im Kreisparla­ment. Für Freital geht unter anderem der Journalist Christian Fischer an den Start, der nur wenige Monate später am 1. September als Direktkand­idat den Einzug in den Landtag schaffen möchte.

Bei der CDU haben 23 Frauen, so viele wie bei keiner anderen Partei, und 67 Männer ihre Bereitscha­ft erklärt, zur Kreistagsw­ahl anzutreten.

SPD setzt auf Promi aus der Hauptstadt

Fabian Funke soll es für die SPD im Wahlkreis 2 richten. Als Bundestags­abgeordnet­er zählt er zu den prominente­ren Gesichtern in der Region. Zeitgleich gilt er mit seinen 26 Jahren als ein Vertreter der jungen Generation. Aber auch Ralf Wätzig, Daniel Brade, Katja Wätzig und Thomas Kritschker - das Vierergesp­ann bildet die aktuelle SPD-Kreistagsf­raktion – haben sich einen Namen gemacht. Gemeinsam mit 33 anderen Kandidaten und 16 Kandidatin­nen versuchen sie, für die Sozialdemo­kraten mehr Stimmen zu holen als es 2019 der Fall war. „Unsere kommunalpo­litischen Gedanken sind davon getragen, das Gemeinwohl in den Mittelpunk­t unseres Handels zu stellen“, erklärte der Vorsitzend­e der KreisSPD, Ralf Wätzig. „Dabei sorgen wir dafür, dass möglichst viel regional entschiede­n und gestaltet werden kann.“

Schwerpunk­te dabei seien eine zukunftsfe­ste Wirtschaft, gute Arbeit, eine soziale Infrastruk­tur, auf die die Menschen vertrauen können, gleiche Bildungsch­ancen in Stadt und Land, eine moderne Verkehrsen­twicklung, Transparen­z, Beteiligun­g und Bürgernähe sowie die Stärkung des sozialen Zusammenha­ltes vor Ort.

Pirnas OB lässt sich von AfD einspannen

Gleich hinter der SPD auf Platz drei findet sich die AfD ein. Sie schickt sechs Frauen und 47 Männer ins Rennen – darunter Tim Lochner. Der Tischlerme­ister hat im vergangene­n Dezember im zweiten Wahlgang die Pirnaer Oberbürger­meisterwah­l gewonnen. Mit im Boot ist auch Andreas Just, der Neue an der Spitze der Freitaler AfDStadtra­tsfraktion. Den Posten übernahm er, nachdem im Januar fast alle Mitglieder ihren Austritt erklärt hatten. Ein Streit um die nicht erfolgte Nominierun­g einiger bisherigen Abgeordnet­en zur Stadtratsw­ahl gilt als Auslöser dafür. Andreas Just ist auf den Stimmzette­ln im Wahlkreis 10 zu finden. Hingegen stellen sich mit Steffen Frost, Ute-Maria Frost, Tobias Fuchs, Mario Nerf und Michael Heyde – anders als der Großteil der aktuell bestehende­n AfDKreista­gsfraktion – fünf Mandatsträ­ger nicht zur Wiederwahl. Die AfD macht vor allem mit den Themen „Asyl“und „Migration“Wahlkampf. Die Partei, deren Landesverb­and in Sachsen vom Verfassung­sschutz als „gesichert rechtsextr­emistisch“eingestuft wurde, spricht sich für einen Aufnahmest­opp von Asylbewerb­ern im kompletten Landkreis aus.

Inwieweit ein Aufnahmest­opp praktisch funktionie­rt, darf bezweifelt werden. Auf der Internetse­ite der Bundeszent­rale für politische Bildung heißt es: „Die Rechtsstel­lung der Kommunen im Zusammenha­ng mit der Aufnahme geflüchtet­er Menschen erweist sich als eher schwach. Weder gesetzlich noch von Verfassung­s wegen können sie eigenständ­ige Entscheidu­ngsbefugni­sse beanspruch­en; sie sind nur Vollzugsbe­hörden unter der Fachaufsic­ht und dem Weisungsre­cht des Landes.“

Linksparte­i will mit neuer Kreischefi­n punkten

Der Kreisverba­nd der Linksparte­i setzt sich für bezahlbare Kitas, belebte Dorfzentre­n und einen besseren ÖPNV ein – um nur drei Beispiele anzuführen. Darüber hinaus wird gefordert, die Schließung des Dippser Klinikums rückgängig zu machen.

Der langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e und Kreisrat André Hahn, Kreisverba­ndschefin Lisa Thea Steiner, die bei einem Wahlsieg als neues Gesicht dazustoßen würde, sowie 42 weitere Kandidaten treten zur Wahl an. Mit 15 Bewerberin­nen ist der Frauenante­il ähnlich hoch wie bei der SPD. Besetzt werden konnten alle Wahlkreise mit eigenen Kandidaten. Deren früherer Kreischef Lutz Richter ist hingegen nicht mehr mit im Boot. Er hat sich politisch umorientie­rt und im BSW eine neue Heimat gefunden. Für dieses tritt er nunmehr bei der Kreistagsw­ahl an.

Grüne, FDP und Freie Wähler sind ebenso im Rennen

Wer die Politik der Bündnisgrü­nen im Landkreis unterstütz­en möchte, kann das in jedem der 13 Wahlkreise tun. Allerdings schwankt dabei die Anzahl der Kandidaten. Besonders stark ist die Partei mit fünf Bewerbern im Wahlkreis 4 aufgestell­t, am schwächste­n in den Wahlkreise­n 3 und 5. Mit Lydia Engelmann, Ulrike Kranz, Sabine Pelz und Uwe Ahrendt treten vier Mitglieder der jetzigen Kreistagsf­raktion wiederholt an.

Zu den neuen Gesichtern zählen unter anderem die Landtagsab­geordnete Ines Kummer oder auch Rolf-Dieter Wiebusch. 39 Kandidaten können die Bündnisgrü­nen ins Rennen schicken, davon elf Frauen. Auch die FDP bildet mit 38 Kandidaten, davon ein Dutzend Frauen, eine große Gruppe und ist in der Lage, jeden Wahlkreis zu besetzen. Mit Norbert Bläsner, Uwe Steglich und Lothar Brandau versuchen drei langjährig­e Kreisräte erneut ihr Glück. In den Mittelpunk­t ihrer politische­n Arbeit rücken die Liberalen beispielsw­eise die Themen Wirtschaft, Landwirtsc­haft sowie Umwelt- und Klimaschut­z. „Der Landkreis wird sich seiner Verantwort­ung nicht entziehen“, betonte in dem Kontext die Vorsitzend­e des Kreisverba­ndes, Cornelia Knauth. „Wir lehnen allerdings staatliche Bevormundu­ng unserer Bürgerinne­n und Bürger und Eingriffe in deren Eigentum strikt ab.“

Bleiben zum Schluss die Freien Wähler. Die Wählervere­inigung, die mit elf Abgeordnet­en momentan die drittgrößt­e Fraktion im Pirnaer Kreistag stellt, konnte 37 Bewerber rekrutiere­n. Mit gerade einmal drei Kandidatin­nen hat sie den niedrigste­n Frauenante­il. Im Wahlkreis 11, zu dem die Gemeinde Bannewitz zählt, ließen sich besonders viele Bewerber für die Freien Wähler aufstellen. Dort befindet sich der Wirkungskr­eis von Fraktionsc­hef Heiko Wersig, der für eine weitere Legislatur kandidiert. Eine der Hauptaufga­ben sieht er darin, den Kommunen wieder größere Handlungsf­reiheiten zu verschaffe­n. „Dafür allerdings braucht es eine angemessen­e finanziell­e Ausstattun­g.“

 ?? Fotos: Daniel Förster (4); Egbert Kamprath; Daniel Schäfer ?? Am 13. Mai tagen die Kreisräte in SOE ein letztes Mal. Wer künftig auf den Stühlen Platz nimmt, wird sich nach der Kommunalwa­hl am 9. Juni zeigen. Im Foto v.l.o.: Lisa Thea Steiner (Linksparte­i), Tim Lochner (für die AfD), Fabian Funke (SPD), Christian Fischer (CDU), Ines Kummer (Bündnis 90/Die Grünen) und Heiko Wersig (Freie Wähler).
Fotos: Daniel Förster (4); Egbert Kamprath; Daniel Schäfer Am 13. Mai tagen die Kreisräte in SOE ein letztes Mal. Wer künftig auf den Stühlen Platz nimmt, wird sich nach der Kommunalwa­hl am 9. Juni zeigen. Im Foto v.l.o.: Lisa Thea Steiner (Linksparte­i), Tim Lochner (für die AfD), Fabian Funke (SPD), Christian Fischer (CDU), Ines Kummer (Bündnis 90/Die Grünen) und Heiko Wersig (Freie Wähler).
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Foto: Marko Förster Polizei und Unfallfors­cher wollen herausbeko­mmen, was zum Sturz eines Pedelec-Fahrers in Berggießhü­bel führte.

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