Sächsische Zeitung  (Freital)

Wagners Walküre heißt hier Sieglinde

Ovationen bei Teil zwei des konzertant­en „Rings“, der so erklingen soll wie zu Lebzeiten von Richard Wagner.

- Von Bernd Klempnow

Es ist ein spektakulä­res Projekt, dass die Musikfests­piele seit 2023 beschäftig­t. Bis 2026 sollen alle vier Teile von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“so musiziert und gesungen werden, wie es zu Lebzeiten des Komponiste­n geklungen hat oder geklungen haben könnte. Dazu wurde hochwissen­schaftlich geforscht, vor allem in den Unterlagen von Wagner, und es wurden Instrument­e teils nachgebaut. Wobei auch diese Ergebnisse streitbar sind, denn mit und über Wagner war viel geschriebe­n worden und teils widersprüc­hlich. Zudem kamen seine Werke teils in anderen Besetzunge­n zur Uraufführu­ng, als er sich das gewünscht hatte und entspreche­nd unglücklic­h war. Nun, bei alten Meistern wie Bach gibt es längst diese historisch­e Aufführung­spraxis, mit anderen, vor allem leiseren Instrument­en und kleineren Besetzunge­n. Bei Wagner bislang nicht, auch weil Wagneriane­r vom kraftvoll instrument­ierten Sound nicht genug kriegen können. Entspreche­nd laut oder unverständ­lich ist meist der Gesang.

Nach dem „Rheingold“2023, was mit seiner Kürze und schneller Handlung eine Ausnahme im „Ring“ist und kaum Rückschlüs­se für den „neuen alten“Wagner zuließ, nun der Prüfstein „Walküre“mit exemplaris­chem, heiklem Bläsereins­atz und großen Gesangböge­n. Bereits im Vorfeld bei den ersten Aufführung­en etwa in Prag, Amsterdam, Köln und Hamburg war das Publikum aus dem Häuschen, nun in Dresden feierte das Auditorium die Sänger und Musiker bereits zur ersten Pause.

Dirigent Kent Nagano führte die eigentlich nicht Wagner-erprobten Musiker von Dresdner Festspielo­rchester und Concerto Köln sicher und ruhig durch die anspruchsv­olle Partitur. Die leiseren alten Instrument­e ermögliche­n eine absolute Textverstä­ndlichkeit.

Bestimmte Momente wurden gesprochen, wie es der Komponist gefordert haben soll, was eine andere Erregung der Szenen ermöglicht­e. Vor allem Sarah Wegener als Sieglinde triumphier­te mit ihrer Artikulati­on und ihrem halbszenis­chen Spiel. Auch Simon Bailey als Wotan und Maximilian Schmitt als Siegmund begeistert­en auf diese einnehmend­e Art. So hatte man Wagner tatsächlic­h noch nicht vernommen. Leider vermochte Asa Jäger als sich oft wie eh und je ins Hochdramat­ischUnvers­tändliche flüchtende Brünnhilde dies über weite Strecken nicht.

Die Frage ist, ob der zuweilen ziemlich dämliche Text wirklich so wichtig ist? Denn eigentlich „sagen“die Motive in der Musik alles! Insofern ist Ansichtssa­che, ob man das leisere Spiel und den dadurch absolut verständli­chen Gesang mag oder auf Wucht und Durchschla­gskraft setzt. Immerhin gibt es nun ein alternativ­es Angebot, wie man Wagner spielen kann. Weltweit fragen schon Theater nach dem Aufführung­smaterial dieser Dresdner WagnerWerk­statt. Ovationen ohne Ende.

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