Noblesse trifft Feingefühl
Jazzsängerin Stacey Kent bot in Trioformation einen erlesenen Abend im Dresdner Stromwerk.
Platten mit Platinstatus, Rekorde bei Verkaufsund Klickzahlen – das schaffen im Jazz nur sehr wenige. Eine dieser Ausnahmen ist Stacey Kent. Am Samstag gastierte die amerikanische Sängerin bei den Festspielen. Das Publikum feierte sie im Stromwerk.
Im Gepäck: ihre aktuelle Platte „Summer me, Winter me“, von der sie sagt, hier Publikumswünsche abgearbeitet zu haben. Auf welchem Album dieser Song sei, werde sie bei Autogrammstunden nach Konzerten oft gefragt. „Da wir immer eine Mischung aus altem und neuem Repertoire auf der Setlist haben, heißt die Antwort manchmal: Er ist auf gar keinem Album.“Ein Beispiel: „If You Go Away“von Jacques Brel – nach Jahren im Konzert nun endlich auf Tonträger zu haben, sogar in zwei Einspielungen. Der Song war einer der traurigeren unter vielen Schönheiten im Dresden-Programm.
Stacey Kent zählt zu den erfolgreichsten Jazzsängerinnen unserer Zeit. Mit dem britischen Saxofonisten und Flötisten, Komponisten, Arrangeur und Produzenten Jim Tomlinson, der zugleich ihr Ehemann ist, arbeitet die Wahllondonerin seit Beginn ihrer Karriere Mitte der 1990er zusammen. Tomlinson begleitete oder alternierte Kents Gesang auf Querflöte und Saxofonen mit nobler Leidenschaft. Seine Stücke auf dem aktuellen Album, darunter das abgehangen-entspannte „Postcard Lovers“, waren auch im Konzert von Standards kaum zu unterscheiden. Zu genießen war außerdem der zum Klavierlied gemachte Beatles-Klassiker „Blackbird“vom vorletzten Album „Songs From Other Places“, das Kent mit dem Pianisten Art Hirahara aufnahm. Dieser komplettierte das Trio in Dresden, besser: Er hatte den Löwenanteil und bediente seine Stilpalette virtuos. Das Trio, perfekt aufeinander eingespielt, übte sich in Understatement. Die
Halle im ehemaligen Kraftwerk Mitte beflügelt durch ihre Atmosphäre, eignet sich für Jazz und war am Samstag nicht zu groß. Hunderte wollten Stacey Kent live erleben. Doch den filigranen Songs, die ohne Gitarre, Bass und Schlagzeug noch puristischer wirkten, tat die große Entfernung zur Bühne nicht gut. So legte sich, bei aller Faszination an der Coolness im Spiel, zugleich eine distanzierende Kühle über diesen Abend.
Als Stacey Kent am Ausgang CDs signierte, regte ein Besucher an, sie könne doch mal im „Blue Note“dieser Stadt auftreten. Das Dresdner Pendant zum legendären Club in New York kenne sie nicht. Gefallen dürfte es ihr dort durchaus.