Feinsinnig und beseelt
Die Dresdner Philharmonie spielte in der Frauenkirche Stücke von Schreker und Vasks und Schuberts schlanke Fünfte.
In diesen konzertreichen Tagen hat die Philharmonie einen feinen Farbtupfer gesetzt. Wenn sie wie am Freitag in der Frauenkirche gastiert, kommt das Publikum in den Genuss besonderer Kost, die hier, unter Bährs mächtiger Kuppel, auch auf spezielle Weise kredenzt werden muss. Dirigentin Katharina Wincor meisterte die Herausforderung exzellent. Die zierliche Österreicherin leitete mit straffem Gestus, aber auch mit Sinn für Feindynamik, für die geschickte Einbettung des Halls in die Orchesterperformance.
Zunächst erklangen zwei Werke für reine Streicherbesetzung, Franz Schrekers 1902 uraufgeführtes Intermezzo und „Vox amoris“des Letten Peteris Vasks von 2009. Schreker, etwas jünger als Mahler, Strauss und Schönberg, war ein prominenter Spätromantiker, dessen Opern große Erfolge feierten, der aber postum rasch in Vergessenheit geriet. Das Intermezzo für Streichorchester, später als 3. Satz in die Romantische Suite op. 14 eingebaut, entstand als Einzelstück für einen Kompositionswettbewerb. Das Stück, kaum länger als sieben Minuten, lässt mit sanftem Schwirren den inneren Blick über eine harmonische
Klanglandschaft streifen. Das helle Timbre der Geigen und Bratschen mäandert durchs lichte Grün, Celli und Kontrabässe unterlegen das feinsinnige Schwelgen mit dunkleren Ocker- und Erdtönen. Das klang hier sehr erlesen.
Diese Noblesse fern aller Schwere fand ihre beseelte Fortsetzung in der als Andante cantabile gesetzten Fantasie für Violine und Streichorchester von Vasks. Wolfgang Hentrich, schon seit 1996 Konzertmeister der Philharmonie, spielte den opulenten Solopart. „Vox amoris“heißt „Stimme der Liebe“und thematisiert nach Vasks‘ Bekunden nichts Geringeres als „die größte Macht der ganzen Welt“: eine Herausforderung. Die Reife von Hentrichs Spiel zeigte sich in den delikaten legatoreichen Nuancen des Hymnus, in technischer Souveränität vor allem in den mit Doppelgriffen gespickten Kadenzen, in der aus romantischem Empfinden schöpfenden Ausdruckskraft. Als Zugabe spielte er Mozart, eine Adaption zu „Komm, lieber Mai“.
Mit einem Jugendwerk klang das Konzert aus: Franz Schubert hat seine Fünfte mit 19 komponiert. Dirigentin Wincor beließ der B-Dur-Sinfonie von 1816 ihre klassische Einbindung ins Erbe von Haydn und Mozart. Frei von romantisierendem Pathos blieb der Klang schlank und frisch. Die Philharmonie verlieh dem Andante Leuchtkraft, dem Menuett Vitalität, dem finalen Allegro wohlige Stringenz. Hier geht zwar die Seele nicht in Flammen auf wie bei der C-Dur-Sinfonie, dennoch ein sehr schöner Schubert. Langer, dankbarer Beifall.