Warum der Kardiologe Hans-Steffen Gabel in die Görlitzer Kö-Passage zieht
Über 20 Jahre lang bestand die Kooperation mit dem Klinikum. Nun ist Schluss. Für den 60-Jährigen, der täglich 200 Kilometer pendelt, und sein Team beginnt noch mal ein neues Kapitel.
Nach 21 Jahren ist für ihn nun an diesem Standort Schluss: Kardiologe Dr. Hans-Steffen Gabel muss mit seiner Praxis umziehen – vom Gelände auf dem Städtischen Klinikum Görlitz in die Kö-Passage. Seinen Kollegen Marcin Miatkowski und seine acht weiteren Mitarbeiter nimmt er mit. Seit 2002 besteht der Kooperationsvertrag mit dem Krankenhaus, die Klinik war als Privatunternehmen Partner des Krankenhauses. Vor genau einem Jahr hat Dr. Gabel erfahren, dass diese Kooperation nicht fortgesetzt wird. Bedauern schwingt durchaus mit, wenn er das erzählt – aber keine große Verärgerung, wie der Facharzt betont, stattdessen vielmehr Dankbarkeit für die über zwei Jahrzehnte währende fruchtbare Zusammenarbeit.
Katja Pietsch, Pressesprecherin des Klinikums, begründet den Weggang der räumlich ans Krankenhaus angeschlossenen Privatklinik so: Man sei „Anfang des Jahres bei Verhandlungen über die weitere Kooperation und die Praxisräumlichkeiten nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gelangt. Im Ergebnis dessen kam es dann zur Beendigung der Kooperation.“Konkreter wird sie nicht, zu den genauen Gründen möchte sich auch Dr. Gabel öffentlich nicht weiter äußern. Genaue Pläne, wie das Klinikum die Räume in Haus D weiter nutzen wird, gibt es laut Pietsch bislang noch nicht, „jedoch zahlreiche Optionen, wie wir den Patientinnen und Patienten diese Räumlichkeiten optimal zur Versorgung zur Verfügung stellen können“, so die Sprecherin.
Dr. Gabel dürfte der Kardiologe mit der größten Patientenkartei in Görlitz sein: Insgesamt 63.800 seien in den vergangenen Jahren dort ein- und ausgegangen, berichtet er. Medizin studiert hat er in Leipzig. Dann folgte eine Facharztausbildung am Klinikum Dresden-Friedrichstadt und eine Spezialisierung auf Kardiologie und Angiologie. Mit 39 Jahren ließ er sich in der Praxis am jetzigen Standort nieder. Zunächst führte er sie bis 2016 als Gemeinschaftspraxis mit Diplom-Mediziner Peter Ullrich, dann allein, im vergangenen Jahr erfolgte wieder der Zusammenschluss zur Gemeinschaftspraxis mit dem Internisten Miatkowski.
Die Entscheidung, sich nach all den Jahren noch mal einen neuen Standort in Görlitz für seine Praxis zu suchen, habe er sich nicht leicht gemacht, sagt Dr. Gabel. Immerhin wohnt er in Moritzburg bei Dresden und muss ohnehin schon jeden Tag 212 Kilometer hin und zurück pendeln. Aber er habe seine Patienten nicht im Stich lassen wollen, gerade in Zeiten, in welchen es viele ohnehin nicht leicht haben, einen Arzt zu finden.
Das Problem, dass er anspricht, ist nicht neu: Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KV Sachsen) spricht für die Planungsbereiche Görlitz und Niesky bei Hausärzten bereits seit Längerem vom Status einer „drohenden Unterversorgung“. Die gleiche Einordnung trifft die KV auch für den Planungsbereich Löbau-Zittau bei HNO-Ärzten sowie für Görlitz und den Niederschlesischen Oberlausitzkreis bei Kinderärzten.
Auch die Grenznähe hilft den Görlitzern in der jetzigen Situation eher wenig: Einen Arzt in Zgorzelec aufzusuchen ist zwar möglich, aber laut Auskunft des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV) ist es derzeit nicht wesentlich einfacher einen Hausarzt in Polen zu finden als in Deutschland. In Görlitz verkündete zuletzt Hausärztin Dr. Kerstin York das Aus ihrer Praxis in Kunnerwitz. Zwei Jahre lang hatte sie nach einem Nachfolger gesucht – und keinen gefunden.
Also hat sich Berufspendler Dr. Gabel schließlich dazu durchgerungen, in der KöPassage weiterzumachen – und nicht etwa in seinem näheren Wohnumfeld eine Praxis aufzumachen. Dass er nicht aufhören möchte, habe noch einen weiteren Grund: Er sei, erklärt er mit leichtem Augenzwinkern, „mit meinen 60 Jahren noch ein bisschen zu jung, um ganz auszuscheiden“.
Nun muss also bald der Umzug gewuppt werden. Der neue Standort hat aber durchaus auch Vorteile. Einer davon ist aus Sicht des Mediziners die Vergrößerung. Standen in den Räumen des Klinikums noch 400 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, sind es in der Kö-Passage nunmehr insgesamt 500 Quadratmeter. Davon möchte der Facharzt 300 Quadratmeter für Sprechstunden-Räume nutzen und die restlichen 200 für das neue Herzkatheter-Labor. Das soll sich, genau wie am jetzigen Standort, im Erdgeschoss befinden.
Die Praxen sind im ersten Stock – eigentlich alles genauso, wie es seine Patienten bisher aus der Klinik gewohnt sind. Bei den Räumen handelt es sich um die ehemalige Praxis der Chirurgin und Diplom-Medizinerin Ina Mehnert, die vor vier Jahren ans Malteser-Krankenhaus St. Carolus wechselte.
Kardiologe Dr. Hans-Steffen Gabel (Mitte) mit dem Praxisteam. Von links: Katrin Drescher, Julia Urbanski, Katrin
Pohl, Judith Richter, Christin Haußig und Romana Fleischer. Auch am Portfolio werde sich nichts ändern: Innere Medizin, Untersuchung von Herzerkrankungen sowie Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefäße, all das leisten Gabel, Miatkowski und ihr Team auch in der Kö-Passage.
Ein weiteres Plus dort sei die sehr gute Infrastruktur: Es gibt reichlich Parkplätze, die nächste Straßenbahn-Haltestelle ist fußläufig erreichbar. Außerdem befinden sich die Anfang des Jahres eröffnete Radiologische Praxis Lusatia, die Zahnarztpraxis von Dr. Gerold Zschebek sowie die RosenApotheke gleich in der Nähe. So sei dort mittlerweile ein neues Gesundheits-Zentrum entstanden, sagt der Kardiologe. Die Passage feiert in diesen Tagen ihr 30-jähriges Bestehen. Neben den Gründungsmietern in der Einkaufspassage im Görlitzer Neubaugebiet gibt es nicht mehr viele, die von Anfang an durchgehalten haben.
Da gebe es viele Synergieeffekte, die sich künftig bieten, gerade mit der Radiologie, die mittels Computertomographie und Magnetresonanztomographie in der kardiologischen Bildgebung unterstützen könne. Mit dem Städtischen Klinikum möchte er die „gute Kooperation weiterhin auf Distanz fortsetzen“, wenngleich kein Vertrag mehr bestehe. Mit dem Carolus dagegen gebe es zudem eine vertragliche Zusammenarbeit. Und sie besteht auch fort.