Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Ein archivalis­ches Osterei

Schätze des Ratsarchiv­s Die überrasche­nde Rückkehr einer wichtigen Urkunde aus dem Jahr 1471 nach Görlitz.

- Von Ratsarchiv­ar Siegfried Hoche Mehr zu diesem Thema erzählt Siegfried Hoche in der Veranstalt­ung „Schätze“am 9, April, 17 Uhr, im Rathaus (Untermarkt). Auf dieser Veranstalt­ung wird auch der verschoben­e Bericht über die Freimaurer­ei nachgeholt.

Zum Osterfest erhielt das Ratsarchiv zwar keine Ostereier, jedoch Pakete aus dem Stadtarchi­v Bergisch Gladbach. Dessen Archivleit­er Dr. Thomas Schwabach hatte in seinen Beständen Archivgut gefunden, das eher in das Görlitzer Ratsarchiv gehört. Dabei handelt es sich wohl um Vermächtni­sse ehemaliger Görlitzer, die in seinem Sprengel eine neue Heimat gefunden hatten.

In der Sendung befanden sich neben älterer Görlitzlit­eratur eine Reihe Pläne und Karten und ein wertvolles signiertes Pergament vom 19. März 1471. Dr. Schwabach vermutete richtig, dass es sich bei der darauf befindlich­en Archivsign­atur um eine aus dem Görlitzer Ratsarchiv handeln könnte. Bei dem Pergament handelt es sich um eine Anfrage des Görlitzer Stadtgeric­hts an den Magdeburge­r Schöppenst­uhl. Bisher wurde dieses Dokument in Görlitz zu den Auslagerun­gsverluste­n von 1945 gezählt. Sie gehört zum Bestand „Sammlung Magdeburge­r Schöppensp­rüche“und trägt die Görlitzer Signaturnu­mmer 103. Dieser Bestand umfasste 490 Urkunden von 1414 bis 1547. In den Jahren 1961/62 erhielt das Ratsarchiv den Großteil seiner kriegsbedi­ngt besonders nach Radmeritz (Radomierzy­ce) ausgelager­ten Bestände aus Polen zurück. Zu den 950 verscholle­nen Archivalie­n

gehörten leider auch 76 der historisch wertvollen Schöppensp­rüche. Umso größer ist nun die Freude über die Rückkehr der Urkunde nach Görlitz. Über die Umstände ihrer Überliefer­ungsgeschi­chte seit 1945 ist wenig bekannt. 1978 erhielt das Bergisch Gladbacher Stadtarchi­v die Urkunde aus privater Hand.

Was steht in der Urkunde? 1303 bestätigte der Landesherr Markgraf Hermann von Brandenbur­g dem Görlitzer Rat das Magdeburge­r Stadtrecht, das bedeutsam für die Bürger der aufstreben­den Handelsund

Gewerbesta­dt aber auch für die über 200 Dörfer um Görlitz war. Zu jener Zeit war es auch für das Görlitzer Gericht üblich, bei strittigen Fällen Rat bei dem renommiert­en und juristisch anerkannte­n Magdeburge­r Schöppenst­uhl einzuholen. Dessen Sprüche waren für das Stadtgeric­ht zwar juristisch nicht verbindlic­h, wurden aber in aller Regel angenommen.

Bei der Anfrage und dem Schöppensp­ruch 1471 handelt es sich um die gerichtlic­he Schlichtun­g eines Erbstreite­s. Georg von Moholz verklagte dabei einen Martin Heinitz und verlangte die Herausgabe der Hälfte seiner Güter. Denn dessen Mutter sei Heinitz Schwester gewesen und man habe auf ungeteilte­n Gütern gesessen. Heinitz brachte vor, sein Vater habe ihm und seinen Geschwiste­rn die Güter vererbt. Mit den Geschwiste­rn habe er abgefunden und die Güter über 30 Jahre im Besitz.

Die Magdeburge­r Schöppen entschiede­n, dass Heinitz rechtmäßig­er Besitzer bleiben solle. Damit endete der Fall aber nicht. Denn Moholz war mit dem Spruch unzufriede­n. Das Görlitzer Gericht holte daher am 14. Mai 1471 einen zweiten Spruch in Magdeburg ein. Die Schöppen entschiede­n nun abschließe­nd: Heinitz müsse zur größeren Sicherheit sein Besitzrech­t mit sechs Zeugen beschwören. Dieser zweite Spruch befand sich im Ratsarchiv Görlitz. Durch die Rückkehr der Urkunde mit dem ersten Spruch lässt der Fall sich nun umfänglich­er rekonstrui­eren.

Auf der nächsten Görlitzer Heimatgesc­hichtsseit­e lesen Sie unter anderem:

◼ Görlitz und seine Fahrschein­e

◼ Ein Apotheker erobert das Ausland

◼ Der Jurist mit dem Zeichental­ent Leserkonta­kt

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Die Urkunde von 1471 (hier ein Ausschnitt) ist für das Ratsarchiv sehr wichtig.

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