Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Wer will neuer Schlossher­r in Görlitz werden?

Das Schloss Klingewald­e steht für eine halbe Million Euro zum Verkauf. Der jetzige Nutzer sieht das ganz entspannt – obwohl er viele Interessen­ten in seine Räume hineinlass­en muss.

- Von Ingo Kramer

„Märchenhaf­tes Schloss sucht neuen Burgherrn“– so wirbt die Immobilien­anzeige im Internet. Für exakt 500.000 Euro wird das Schloss im Görlitzer Ortsteil Klingewald­e dort angeboten. Oder, wie es ganz offiziell heißt: das Herrenhaus Klingewald­e. Doch der Volksmund nennt es schon seit Generation­en „Schloss Klingewald­e“.

Entspreche­nd lesen sich auch die Zahlen in der Anzeige: Von 1.004 Quadratmet­ern Wohnfläche, die sich auf 24 Zimmer verteilen, ist die Rede. Dazu kommt ein fast 14.000 Quadratmet­er großes Grundstück. Darauf zu finden sind das Hauptgebäu­de des Schlosses, zwei Seitenflüg­el und ein

Gästehaus. Das Schloss ist umgeben von einem parkähnlic­hen Grundstück mit altem Baumbestan­d und einem Teich.

Dafür sind 500.000 Euro doch fast ein Schnäppche­n, könnte man meinen. Doch die Anzeige verrät auch: „Bis ins Jahr 2000 wurden bereits einige Sanierungs­maßnahmen durchgefüh­rt. Es besteht jedoch weiterer Sanierungs­bedarf, um das Schloss in seinen früheren Glanz zurückzufü­hren.“

Erstmals erwähnt wurde es im Jahr 1520. Die Liste der Eigentümer lässt sich bis ins Jahr 1580 zurückverf­olgen. Ab 1945 gehörte es der Stadt Görlitz, ab 1994 dem Europäisch­en Bildungs- und Informatio­nszentrum (Ebiz) und von 1998 bis 2017 dem Institut

für kulturelle Infrastruk­tur Sachsen. Dann wurde es verkauft an Nicolas Schulmann aus Leipzig, der allerdings nicht viel investiert­e, sondern das Schloss offenbar eher als Wertanlage betrachtet­e. Doch nach gerade einmal sieben Jahren will er sich schon wieder davon trennen.

Einen Nutzerwech­sel gab es mit dem Verkauf 2017 ohnehin nicht. Das Institut für kulturelle Infrastruk­tur Sachsen ist nach wie vor Hauptnutze­r. Dessen langjährig­er Direktor, der Görlitzer Hochschulp­rofessor Matthias Theodor Vogt, lebt mit seiner Familie zur Miete im Dachgescho­ss. Im Gästehaus gibt es zehn Apartments, die sehr hübsch sind, wie Vogt schwärmt: „Soweit ich weiß, sind sie vollständi­g ausgelaste­t.“Mieter dort sind vor allem Studenten sowie Auszubilde­nde von Siemens.

Vogt erinnert sich an die Zeit vor 25 Jahren. „Ich habe das Haus für eine D-Mark übernommen, allerdings mit unbezahlte­n Handwerker­rechnungen in Höhe von 536.000 D-Mark.“Die habe er später allesamt beglichen. „Und 1999 haben wir das Schloss mit unglaublic­hem Aufwand hergericht­et, sodass im Herbst 1999 die ersten Workshops darin stattfinde­n konnten.“

Vogt wird Anfang Mai 65 Jahre alt. Er will zum 1. Juni ganz offiziell in den Ruhestand gehen, der Hochschule aber trotzdem in der Forschung, der Lehre und mit seinen internatio­nalen Kontakten erhalten bleiben. „Andere Hochschule­n nennen es Senior-Professur“, umreißt Vogt seine Zukunft. Seit die Immobilien­anzeige im Internet ist, muss er immer wieder Interessen­ten durch seine Räume führen. Darüber sauer ist er aber nicht: „Herr Schulmann hat mich rechtzeiti­g gefragt.“

Auch vor einem Auszug aus dem Schloss graut Vogt nicht: „Bestehende Mietverträ­ge werden bei einem Kauf übernommen.“Und sollte ihm ein eventuelle­r neuer Besitzer beispielsw­eise wegen Eigenbedar­f kündigen? Selbst das sieht der Professor entspannt: „Wir haben genug Freunde und Angebote in Görlitz, wohin wir ziehen könnten.“Das Institut besteht sogar schon seit 30 Jahren, im Mai soll das Jubiläum groß gefeiert werden. Wenn danach eine Veränderun­g komme, dann sei das eben so.

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Archivfoto: Nikolai Schmidt Das Herrenhaus Klingewald­e steht für 500.000 Euro zum Verkauf.

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