Als die Firma den Bach runter ging, räumte der Inhaber ab
Ein Mineralöl-Handel aus dem Industriepark Schwarze Pumpe hinterließ einen erklecklichen Schuldenberg. Jetzt gab es einen Prozess am Landgericht in Görlitz.
Vor acht Jahren galt die Agat Tank GmbH, die sich dem Betrieb eines Tanklagers für Mineralöle und dem Handel mit Mineralölen und Chemieprodukten im Industriepark Schwarze Pumpe verschrieben hatte, dort als Hoffnung auf einen langjährigen zuverlässigen Arbeitgeber und Steuerzahler. Der GmbH-Geschäftsführer erklärte damals, dass die Berliner Firma auf der Suche nach einem Umschlagplatz auf dieses Industriegebiet mit Bahnanschluss aufmerksam geworden sei. Das per Bahn ankommende Handelsgut sollte zunächst in große Tanks umgefüllt werden, um es schließlich mithilfe der schwarz lackierten Agat-Tankautos an die Kunden zu verteilen. Großtanks wurden errichtet, Asphalt und auf den Grünflächen sogar Rollrasen verlegt.
Von der einstigen Hoffnung ist heute nichts übrig. Die Firma ist lange insolvent, hat Schulden in mehrstelliger Millionenhöhe hinterlassen und beim Niedergang der Firma offensichtlich nicht sauber gearbeitet. Seit Dienstag müssen sich der ehemalige Gesellschafter, ein heute knapp 70-jähriger Pole und sein 62-jähriger Landsmann als Geschäftsführer der Firma deshalb vor dem Landgericht Görlitz verantworten – mussten, besser gesagt.
Einer der beiden Angeklagten, der ehemalige Gesellschafter der Firma, dem die schwersten Anklagepunkte vorgeworfen werden, erschien nicht. Entschuldigt. Der Mann hatte ein polnisches, ärztliches Attest vorgelegt, für die nächsten Monate nicht verhandlungsfähig zu sein. Auf der Anklagebank saß also nur der ehemalige Geschäftsführer der Firma, der heute nach eigenen Angaben in Berlin wieder als Geschäftsführer arbeitet: bei einer Arbeitsvermittlungsgesellschaft seines Bruders, wie er angab. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft nicht vorgeworfen, sich bereichert zu haben, sondern „nur“Insolvenzverschleppung, Verletzung der Buchführungspflicht und vorsätzlicher Bankrott.
Die Agat Tank GmbH war am 6. August 2015 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Geschäfte mit Umsätzen in Millionenhöhe liefen offenbar schlechter als erwartet. Der Jahresbericht 2016 weist einen Fehlbetrag von 284.000 Euro aus, 2017 konnte zwar ein kleiner Gewinn von rund 78.000 Euro erwirtschaftet werden, aber die Verbindlichkeiten aus diesen beiden Jahren machten das Geschäft auch für das Jahr 2018 schwierig, obwohl da die Umsätze gesteigert werden konnten. So schildert es der Staatsanwalt in seiner Anklage.
2,6 Millionen Euro aufs eigene Konto
Offenbar hatte der alleinige Gesellschafter dieser Firma, der wie der Geschäftsführer auch Kontoverfügungsberechtigung hatte, spätestens im Herbst dieses Jahres 2018 erkannt, dass die Agat Tank GmbH für ihn ein Verlustgeschäft werden würde. Jedenfalls überwies er 2018 im November 4,743 Millionen Euro auf ein Konto einer anderen Firma, die ihm ebenfalls gehörte.
Damit nicht genug, weitere 870.000 Euro überwies er in Tranchen auf sein Privatkonto, titulierte sie mit „Rückführung Gesellschafterdarlehen“. So steht es in der Anklage. Nach diesem enormen Liquiditätsentzug sei klar gewesen, dass die Agat Tank GmbH zahlungsunfähig war oder binnen kürzester Zeit werden würde. Die monatliche Abführung der Energiesteuer (über drei Millionen Euro) im Januar leistete die GmbH noch, als die nächste Forderung des Hauptzollamtes am 10. Februar 2019 (über 3,582 Millionen Euro) kam, reichten die Mittel nicht mehr.
Die Zeit, bis das Hauptzollamt den Insolvenzantrag stellte (am 9. 4. 2019), nutzte der alleinige Gesellschafter laut Anklage noch, um in 14 Einzelüberweisungen vom 11. bis 26. März insgesamt 1,769 Millionen Euro auf sein privates Konto abzuräumen und die Zahlungsunfähigkeit der Agat Tank GmbH entsprechend zu vertiefen. Am Ende standen Werte der Agat Tank GmbH in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro Verbindlichkeiten von knapp 17 Millionen Euro gegenüber. Rund 2,5 Millionen Euro davon waren auf dem Konto des Gesellschafters gelandet. Ob sie es bis heute sind, war am Dienstag nicht zu erfahren.
All das geschah unter den Augen des Geschäftsführers, der zumindest nicht rechtzeitig die entsprechenden Konsequenzen zog und deshalb mitangeklagt ist. Am Dienstag vor Gericht gab es dann eine Verständigung: Gegen ein umfassendes Geständnis des Mannes könne er mit einer Geldstrafe zwischen 120 und 180 Tagessätzen rechnen. Damit käme er um eine mögliche Freiheitsstrafe herum, wäre aber vorbestraft. Alle beteiligten Seiten (Gericht, Staatsanwalt und Angeklagter mit Verteidigern) stimmten diesem Vergleichsvorschlag zu.
Der Geschäftsführer gestand dann seinen Anteil an dieser Anklage auch „vollumfänglich“, zunächst ohne weiter ins Detail zu gehen. Die Bilanzen für die Jahre 2017 und 2018 seien zu spät erstellt worden. Er deutete an, dass es mit dem zuständigen Finanzamt in Hoyerswerda Unklarheiten über bestimmte Steuersätze gegeben habe, die einerseits die Bilanz erschwert hätten und andererseits auch zu Nachforderungen bei Kunden und bei der Agat GmbH geführt hätten. Hoffnung habe Ende 2018 noch die Aussicht auf einen neuen Lieferanten gemacht, aber die Zahlungsunfähigkeit kam schneller. Die Bilanz für das Jahr 2018 hätte bis Ende März 2019 erstellt werden müssen. Das gelang nicht. Und dann waren wegen der Insolvenz die Unterlagen weg. Es sind zwar mehrere Verhandlungstage angesetzt, aber mit einem Urteil ist nach dieser Verständigung schneller zu rechnen. Der „große Fisch“aber sitzt offiziell krank noch in Polen.
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