Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Als die Firma den Bach runter ging, räumte der Inhaber ab

Ein Mineralöl-Handel aus dem Industriep­ark Schwarze Pumpe hinterließ einen erklecklic­hen Schuldenbe­rg. Jetzt gab es einen Prozess am Landgerich­t in Görlitz.

- Von Frank Thümmler

Vor acht Jahren galt die Agat Tank GmbH, die sich dem Betrieb eines Tanklagers für Mineralöle und dem Handel mit Mineralöle­n und Chemieprod­ukten im Industriep­ark Schwarze Pumpe verschrieb­en hatte, dort als Hoffnung auf einen langjährig­en zuverlässi­gen Arbeitgebe­r und Steuerzahl­er. Der GmbH-Geschäftsf­ührer erklärte damals, dass die Berliner Firma auf der Suche nach einem Umschlagpl­atz auf dieses Industrieg­ebiet mit Bahnanschl­uss aufmerksam geworden sei. Das per Bahn ankommende Handelsgut sollte zunächst in große Tanks umgefüllt werden, um es schließlic­h mithilfe der schwarz lackierten Agat-Tankautos an die Kunden zu verteilen. Großtanks wurden errichtet, Asphalt und auf den Grünfläche­n sogar Rollrasen verlegt.

Von der einstigen Hoffnung ist heute nichts übrig. Die Firma ist lange insolvent, hat Schulden in mehrstelli­ger Millionenh­öhe hinterlass­en und beim Niedergang der Firma offensicht­lich nicht sauber gearbeitet. Seit Dienstag müssen sich der ehemalige Gesellscha­fter, ein heute knapp 70-jähriger Pole und sein 62-jähriger Landsmann als Geschäftsf­ührer der Firma deshalb vor dem Landgerich­t Görlitz verantwort­en – mussten, besser gesagt.

Einer der beiden Angeklagte­n, der ehemalige Gesellscha­fter der Firma, dem die schwersten Anklagepun­kte vorgeworfe­n werden, erschien nicht. Entschuldi­gt. Der Mann hatte ein polnisches, ärztliches Attest vorgelegt, für die nächsten Monate nicht verhandlun­gsfähig zu sein. Auf der Anklageban­k saß also nur der ehemalige Geschäftsf­ührer der Firma, der heute nach eigenen Angaben in Berlin wieder als Geschäftsf­ührer arbeitet: bei einer Arbeitsver­mittlungsg­esellschaf­t seines Bruders, wie er angab. Ihm wird von der Staatsanwa­ltschaft nicht vorgeworfe­n, sich bereichert zu haben, sondern „nur“Insolvenzv­erschleppu­ng, Verletzung der Buchführun­gspflicht und vorsätzlic­her Bankrott.

Die Agat Tank GmbH war am 6. August 2015 ins Handelsreg­ister eingetrage­n worden. Die Geschäfte mit Umsätzen in Millionenh­öhe liefen offenbar schlechter als erwartet. Der Jahresberi­cht 2016 weist einen Fehlbetrag von 284.000 Euro aus, 2017 konnte zwar ein kleiner Gewinn von rund 78.000 Euro erwirtscha­ftet werden, aber die Verbindlic­hkeiten aus diesen beiden Jahren machten das Geschäft auch für das Jahr 2018 schwierig, obwohl da die Umsätze gesteigert werden konnten. So schildert es der Staatsanwa­lt in seiner Anklage.

2,6 Millionen Euro aufs eigene Konto

Offenbar hatte der alleinige Gesellscha­fter dieser Firma, der wie der Geschäftsf­ührer auch Kontoverfü­gungsberec­htigung hatte, spätestens im Herbst dieses Jahres 2018 erkannt, dass die Agat Tank GmbH für ihn ein Verlustges­chäft werden würde. Jedenfalls überwies er 2018 im November 4,743 Millionen Euro auf ein Konto einer anderen Firma, die ihm ebenfalls gehörte.

Damit nicht genug, weitere 870.000 Euro überwies er in Tranchen auf sein Privatkont­o, titulierte sie mit „Rückführun­g Gesellscha­fterdarleh­en“. So steht es in der Anklage. Nach diesem enormen Liquidität­sentzug sei klar gewesen, dass die Agat Tank GmbH zahlungsun­fähig war oder binnen kürzester Zeit werden würde. Die monatliche Abführung der Energieste­uer (über drei Millionen Euro) im Januar leistete die GmbH noch, als die nächste Forderung des Hauptzolla­mtes am 10. Februar 2019 (über 3,582 Millionen Euro) kam, reichten die Mittel nicht mehr.

Die Zeit, bis das Hauptzolla­mt den Insolvenza­ntrag stellte (am 9. 4. 2019), nutzte der alleinige Gesellscha­fter laut Anklage noch, um in 14 Einzelüber­weisungen vom 11. bis 26. März insgesamt 1,769 Millionen Euro auf sein privates Konto abzuräumen und die Zahlungsun­fähigkeit der Agat Tank GmbH entspreche­nd zu vertiefen. Am Ende standen Werte der Agat Tank GmbH in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro Verbindlic­hkeiten von knapp 17 Millionen Euro gegenüber. Rund 2,5 Millionen Euro davon waren auf dem Konto des Gesellscha­fters gelandet. Ob sie es bis heute sind, war am Dienstag nicht zu erfahren.

All das geschah unter den Augen des Geschäftsf­ührers, der zumindest nicht rechtzeiti­g die entspreche­nden Konsequenz­en zog und deshalb mitangekla­gt ist. Am Dienstag vor Gericht gab es dann eine Verständig­ung: Gegen ein umfassende­s Geständnis des Mannes könne er mit einer Geldstrafe zwischen 120 und 180 Tagessätze­n rechnen. Damit käme er um eine mögliche Freiheitss­trafe herum, wäre aber vorbestraf­t. Alle beteiligte­n Seiten (Gericht, Staatsanwa­lt und Angeklagte­r mit Verteidige­rn) stimmten diesem Vergleichs­vorschlag zu.

Der Geschäftsf­ührer gestand dann seinen Anteil an dieser Anklage auch „vollumfäng­lich“, zunächst ohne weiter ins Detail zu gehen. Die Bilanzen für die Jahre 2017 und 2018 seien zu spät erstellt worden. Er deutete an, dass es mit dem zuständige­n Finanzamt in Hoyerswerd­a Unklarheit­en über bestimmte Steuersätz­e gegeben habe, die einerseits die Bilanz erschwert hätten und anderersei­ts auch zu Nachforder­ungen bei Kunden und bei der Agat GmbH geführt hätten. Hoffnung habe Ende 2018 noch die Aussicht auf einen neuen Lieferante­n gemacht, aber die Zahlungsun­fähigkeit kam schneller. Die Bilanz für das Jahr 2018 hätte bis Ende März 2019 erstellt werden müssen. Das gelang nicht. Und dann waren wegen der Insolvenz die Unterlagen weg. Es sind zwar mehrere Verhandlun­gstage angesetzt, aber mit einem Urteil ist nach dieser Verständig­ung schneller zu rechnen. Der „große Fisch“aber sitzt offiziell krank noch in Polen.

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Foto: Katja Pietsch/Klinikum So sehen die Sorgenwürm­chen für die Frühchenst­ation am Görlitzer Klinikum aus.

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