Rothenburger entsorgen weniger alte Munition
Nach dem Brand ist das neue Gebäude der EST Energetics sicherer geworden. Hier werden verschiedene explosive Dinge verbrannt. Ein Wandel ist in Sicht.
Dass in Rothenburg nicht mehr im vollen Umfang Munition verwertet wird, das hat man auch in den Niederlanden mitbekommen. Das niederländische Militär ist einer der wichtigen Kunden für EST Energetics mit Sitz im Ortsteil Steinbach.
So wie die Holländer hatten auf einmal viele Kunden von Militär und Industrie ein Problem, als am 21. August 2022 ein Großbrand wichtige Anlagen zur Entsorgung zerstörte. Die Ursache konnte nicht eindeutig geklärt werden, sagt die Geschäftsführung. Vermutet wird eine Selbstentzündung. Das Unternehmen an der Neiße ist das Einzige in Deutschland und eines der wenigen in Europa, das Munition thermisch verwerten darf. Umso mehr gibt es jetzt zu tun, wenn die Lager geräumt werden. Das gibt 65 Beschäftigten wieder ihre Arbeit zurück.
Ruine wird schnell abgerissen
Die Schockstarre nach dem Brand, den über 170 Einsatzkräfte bekämpften, dauerte nicht lange an. Für die Geschäftsführung stand schnell fest: Wir bauen alles wieder auf. Darüber berichtet Geschäftsführer Ramón Kroh am Dienstag, als im Beisein von Ministerpräsident Michael Kretschmar die neue Anlage in einem neuen Gebäude zum Laufen gebracht wurde. Einige Monate nach dem Brandereignis und Klärung der Versicherungsleistung begann der Abriss der Ruine und ein neues Gebäude wurde hochgezogen. Am 13. September 2023 konnte Richtfest gefeiert werden. Danach ging es an die Innenausstattung.
Es wurden nicht nur zwei neue Aufgabe-Bänder montiert, auf denen Munition, Feuerwerkskörper, Lithium-Metall-Batterien und Airbags aus Fahrzeugen in die thermische Entsorgung, also in den 1.100 Grad Celsius heißen Ofen, befördert werden. „Großes Augenmerk galt einer verbesserten Sicherheit für Mitarbeiter und die Anlage“, erklärt Nadin Zischang als unternehmenseigene Projektleiterin. So sind Sicherheitsvorrichtungen verstärkt, Brandschutztore im Gebäude installiert und eine Hochdrucknebelwasserlöschanlage eingebaut worden. Im Gegensatz zu einer
Sprinkleranlage wird hier das Wasser wie Nebel in den Raum gesprüht und soll einem Feuer effektiver entgegenwirken.
Nicht nur der Wiederaufbau ist beschlossene Sache gewesen, auch dass die Entsorgung so gut es geht fortgeführt wird. Dazu wurde eine Interimslösung geschaffen, berichtet Stefan Blümel, ebenfalls Geschäftsführer
in Steinbach. Zugutekam der Geschäftsleitung die eigene Vorratswirtschaft an wichtigen Ersatzteilen und Komponenten. „Durch Corona und zu erwartenden Lieferengpässen hatten wir uns bereits im Vorfeld gut eingedeckt“, sagt Stefan Blümel. So wurden vor dem beschädigten Gebäude Container aufgestellt und die Verwertung ging, wenn auch mit einigen Einschränkungen, weiter.
Das half nicht nur der Belegschaft weiter Arbeit zu geben, sondern nicht ganz vom Markt verschwunden zu sein. Michael Kretschmar würdigte das unternehmerische Risiko, dass EST eingegangen ist und damit den Betrieb über die Durststrecke gerettet hat. Bürgermeister Philipp Eichler sicherte dem Unternehmen weiter die Unterstützung der Stadt Rothenburg zu. Auch er muss oft an den Brand zurückdenken. „Ich war als neuer Bürgermeister erst zwei Wochen im Amt, da kam so ein Schadensereignis auf mich zu“, erzählte er am Dienstag. Dabei lobte er die Feuerwehren und Rettungskräfte, dass mit ihnen alles funktionierte. Auch Ramón Koch hob hervor, dass das Ereignis zu keinen Personenschäden geführt hat, weder bei seinen Leuten noch bei den Einsatzkräften.
Schon seit 30 Jahren in Steinbach
Was bei dem ganzen Trubel um den Brand und seinen Folgen etwas untergegangen ist, ist die Tatsache, dass EST Energetics seit 30 Jahren auf dem einstigen Standort einer Funktechnischen Kompanie der DDR-Luftstreitkräfte tätig ist. In den 1990er-Jahren stand die Demilitarisierung in Ost und West auf der Tagesordnung, zur Jahrtausendwende kam die automotive Pyrotechnik, also Airbags und Gurtstraffer, dazu sowie weitere explosive Gefahrstoffe.
Im dritten Jahrzehnt von EST ist wieder Krieg in Europa. Dieser hat auch Auswirkungen auf das Unternehmen. Es kommt weniger ausgesonderte Munition nach Steinbach. Was noch brauchbar ist, geht in die Ukraine. Dagegen merken die beiden Geschäftsführer, dass die Rüstungsproduktion nicht nur in Deutschland gestiegen ist. So wird ein Großteil an Munition, die Ausschuss oder fehlerhaft ist, in Steinbach aufwendig und umweltgerecht verwertet.