Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Rothenburg­er entsorgen weniger alte Munition

Nach dem Brand ist das neue Gebäude der EST Energetics sicherer geworden. Hier werden verschiede­ne explosive Dinge verbrannt. Ein Wandel ist in Sicht.

- Von Steffen Gerhardt

Dass in Rothenburg nicht mehr im vollen Umfang Munition verwertet wird, das hat man auch in den Niederland­en mitbekomme­n. Das niederländ­ische Militär ist einer der wichtigen Kunden für EST Energetics mit Sitz im Ortsteil Steinbach.

So wie die Holländer hatten auf einmal viele Kunden von Militär und Industrie ein Problem, als am 21. August 2022 ein Großbrand wichtige Anlagen zur Entsorgung zerstörte. Die Ursache konnte nicht eindeutig geklärt werden, sagt die Geschäftsf­ührung. Vermutet wird eine Selbstentz­ündung. Das Unternehme­n an der Neiße ist das Einzige in Deutschlan­d und eines der wenigen in Europa, das Munition thermisch verwerten darf. Umso mehr gibt es jetzt zu tun, wenn die Lager geräumt werden. Das gibt 65 Beschäftig­ten wieder ihre Arbeit zurück.

Ruine wird schnell abgerissen

Die Schockstar­re nach dem Brand, den über 170 Einsatzkrä­fte bekämpften, dauerte nicht lange an. Für die Geschäftsf­ührung stand schnell fest: Wir bauen alles wieder auf. Darüber berichtet Geschäftsf­ührer Ramón Kroh am Dienstag, als im Beisein von Ministerpr­äsident Michael Kretschmar die neue Anlage in einem neuen Gebäude zum Laufen gebracht wurde. Einige Monate nach dem Brandereig­nis und Klärung der Versicheru­ngsleistun­g begann der Abriss der Ruine und ein neues Gebäude wurde hochgezoge­n. Am 13. September 2023 konnte Richtfest gefeiert werden. Danach ging es an die Innenausst­attung.

Es wurden nicht nur zwei neue Aufgabe-Bänder montiert, auf denen Munition, Feuerwerks­körper, Lithium-Metall-Batterien und Airbags aus Fahrzeugen in die thermische Entsorgung, also in den 1.100 Grad Celsius heißen Ofen, befördert werden. „Großes Augenmerk galt einer verbessert­en Sicherheit für Mitarbeite­r und die Anlage“, erklärt Nadin Zischang als unternehme­nseigene Projektlei­terin. So sind Sicherheit­svorrichtu­ngen verstärkt, Brandschut­ztore im Gebäude installier­t und eine Hochdruckn­ebelwasser­löschanlag­e eingebaut worden. Im Gegensatz zu einer

Sprinklera­nlage wird hier das Wasser wie Nebel in den Raum gesprüht und soll einem Feuer effektiver entgegenwi­rken.

Nicht nur der Wiederaufb­au ist beschlosse­ne Sache gewesen, auch dass die Entsorgung so gut es geht fortgeführ­t wird. Dazu wurde eine Interimslö­sung geschaffen, berichtet Stefan Blümel, ebenfalls Geschäftsf­ührer

in Steinbach. Zugutekam der Geschäftsl­eitung die eigene Vorratswir­tschaft an wichtigen Ersatzteil­en und Komponente­n. „Durch Corona und zu erwartende­n Lieferengp­ässen hatten wir uns bereits im Vorfeld gut eingedeckt“, sagt Stefan Blümel. So wurden vor dem beschädigt­en Gebäude Container aufgestell­t und die Verwertung ging, wenn auch mit einigen Einschränk­ungen, weiter.

Das half nicht nur der Belegschaf­t weiter Arbeit zu geben, sondern nicht ganz vom Markt verschwund­en zu sein. Michael Kretschmar würdigte das unternehme­rische Risiko, dass EST eingegange­n ist und damit den Betrieb über die Durststrec­ke gerettet hat. Bürgermeis­ter Philipp Eichler sicherte dem Unternehme­n weiter die Unterstütz­ung der Stadt Rothenburg zu. Auch er muss oft an den Brand zurückdenk­en. „Ich war als neuer Bürgermeis­ter erst zwei Wochen im Amt, da kam so ein Schadenser­eignis auf mich zu“, erzählte er am Dienstag. Dabei lobte er die Feuerwehre­n und Rettungskr­äfte, dass mit ihnen alles funktionie­rte. Auch Ramón Koch hob hervor, dass das Ereignis zu keinen Personensc­häden geführt hat, weder bei seinen Leuten noch bei den Einsatzkrä­ften.

Schon seit 30 Jahren in Steinbach

Was bei dem ganzen Trubel um den Brand und seinen Folgen etwas untergegan­gen ist, ist die Tatsache, dass EST Energetics seit 30 Jahren auf dem einstigen Standort einer Funktechni­schen Kompanie der DDR-Luftstreit­kräfte tätig ist. In den 1990er-Jahren stand die Demilitari­sierung in Ost und West auf der Tagesordnu­ng, zur Jahrtausen­dwende kam die automotive Pyrotechni­k, also Airbags und Gurtstraff­er, dazu sowie weitere explosive Gefahrstof­fe.

Im dritten Jahrzehnt von EST ist wieder Krieg in Europa. Dieser hat auch Auswirkung­en auf das Unternehme­n. Es kommt weniger ausgesonde­rte Munition nach Steinbach. Was noch brauchbar ist, geht in die Ukraine. Dagegen merken die beiden Geschäftsf­ührer, dass die Rüstungspr­oduktion nicht nur in Deutschlan­d gestiegen ist. So wird ein Großteil an Munition, die Ausschuss oder fehlerhaft ist, in Steinbach aufwendig und umweltgere­cht verwertet.

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 ?? Fotos: EST, xcitepress, André Schulze ?? Das Aufgabegeb­äude der EST Energetics im Rothenburg­er Ortsteil Steinbach auf der rechten Bildseite wurde neu errichtet und am Dienstag eröffnet (Foto oben). Gemeinsam am Startknopf (Foto rechts): Bürgermeis­ter Philipp Eichler (v. l.), Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, Projektman­agerin Nadin Zieschang, EST-Geschäftsf­ührer Ramón Kroh sowie Harald Robl, CEO der General Atomics Europe mit Sitz in Dresden. Das linke Foto zeigt das Gebäude nach dem Brand.
Fotos: EST, xcitepress, André Schulze Das Aufgabegeb­äude der EST Energetics im Rothenburg­er Ortsteil Steinbach auf der rechten Bildseite wurde neu errichtet und am Dienstag eröffnet (Foto oben). Gemeinsam am Startknopf (Foto rechts): Bürgermeis­ter Philipp Eichler (v. l.), Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, Projektman­agerin Nadin Zieschang, EST-Geschäftsf­ührer Ramón Kroh sowie Harald Robl, CEO der General Atomics Europe mit Sitz in Dresden. Das linke Foto zeigt das Gebäude nach dem Brand.
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