Wie die neue Chefin den Kostendruck in der Pflege meistern will
Generationswechsel beim Pflegedienst Standke in Mücka. Tochter Julia Stoll übernimmt das Geschäft und damit auch die Verantwortung über 73 Mitarbeitende. Der Kostendruck lastet nun auf ihr.
Die Herausforderungen sind jetzt andere für Julia Stoll - im Gegensatz zu ihrer Mutter Barbara Standke. Vor 33 Jahren hat die gelernte Krankenschwester ihren Pflegedienst in Mücka gegründet. Nun ist sie mit 66 Jahren in Rente gegangen und ihre Tochter hat das Geschäft und die Verantwortung über 73 Pflegekräften übernommen. Steigende Kosten und das Hinterherhinken der Pflegesätze beschäftigt die junge Frau nicht erst seit sie selbst Chefin ist. Seit 2020 arbeitet sie als stellvertretende Geschäftsführerin im Pflegedienst Standke. „Wir sind für die Menschen da, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Und diese wollen wir ihnen im vollen Umfang ermöglichen“, sagt die 35-Jährige. Aber sie sieht, dass Familienangehörige immer mehr gefordert sind, um die bisherige Pflege ihrer Angehörigen auch weiter auf dem gewohnten Niveau zu halten.
Deshalb ist es Julia Stoll wichtig, vor jeder Übernahme einer Pflege, dass ein ausführliches Beratungsgespräch geführt wird. Was für Leistungen sind gewünscht, welche Pflegeangebote sind notwendig und wie viel Geld kann als eigener Beitrag zugezahlt werden. Leider ist dabei feststellen, dass nicht die Frage nach dem Pflegebedarf die Wichtigste ist, sondern, was kann ich mir für mein Geld leisten?
Denn immer mehr muss das Sozialamt die Finanzierungslücke schließen. Im Kreis Görlitz haben sich die Ausgaben zur häuslichen Pflegehilfe im vergangenen Jahr verdoppelt und erreichen rund zwei Millionen Euro. Die Zahl der Leistungsbezieher stieg um 283, die Zahl der Neuanträge belief sich auf 979. Mehr als das Doppelte, dass der Kreis vor vier Jahren registrierte. Da waren es erst 400 Neuanträge.
Barbara Standke erinnert sich an ganz andere Zahlen. „Als ich mit dem Pflegedienst begann, stellten wir beispielsweise das Blutdruckmessen mit 1,75 D-Mark in Rechnung.“Damals war das Domizil des Pflegedienstes die eigene Küche in Mücka von der aus Frau Standke zunächst allein auf Tour ging. Ein regelrechter Pioniergeist umwehte sie in der Wendezeit, weil sie als Gemeindeschwester für Mücka und Förstgen nicht mehr gebraucht wurde und sich nach einer neuen Tätigkeit umschauen musste.
„Die Diakonie wollte mich haben, aber nur für vier Stunden am Tag. Das war mir zu wenig, also beschloss ich, mich selbstständig zu machen, mit einem Pflegedienst“, berichtet sie vom Start als Unternehmerin. Sie war nicht die einzige gelernte Krankenschwester, die das Risiko einging. In Kodersdorf war es Gudrun Richter und im Niesyker Ortsteil See Kordula Kiese. Beide Pflegedienstchefinnen der ersten Stunde sind bereits in Rente. Frau Kiese seit 2022, Frau Richter seit vergangenem Jahr. Ihre Pflegedienste firmieren aber weiter. In Kodersdorf stieg die Diakonie St. Martin ein und in See übernahm Sohn Markus den Familienbetrieb mit 70 Angestellten.
2024 rückt nun Barbara Standke in die Rentnerriege nach. Als Gemeindeschwester tuckerte sie mit einer roten Schwalbe übers Land. Heute steht eine Flotte roter Kleinwagen an den Standorten Mücka, Niesky und Steinölsa. Vom anfänglichen ambulanten Pflegedienst hat sich der Familienbetrieb zu einem mittelständischen Pflegebetrieb entwickelt.
Im ehemaligen Möbelhaus Zuchold in Niesky wurde die Tagespflege „Abendsonne“mit 15 Plätzen geschaffen. Dazu kam das betreute Wohnen. Das Seniorenhaus Steinölsa wurde 1998 bezogen und besitzt zehn komfortable, altersgerechte Wohnungen, die teilweise auch als Wohngemeinschaft genutzt werden. In Niesky steht das Haus „Wohnen im Alter – ohne Sorgen“. Es hat zehn barrierefreie und hochwertig ausgestattete Wohnungen.
Tochter Julia hat Barbara Standke beizeiten die Arbeit in der Pflege schmackhaft gemacht. Sie folgte dem Beruf ihrer Mutter, ließ sich nach dem Abitur in Niesky zur Krankenschwester ausbilden und holte sich im Krankenhaus „Emmaus“ihre ersten medizinischen Erfahrungen. In Dresden setzte sie sich noch mal auf die Schulbank und studierte Pflege- und Gesundheitsmanagement, um perspektivisch den Pflegedienst ihrer Mutter zu übernehmen, in dem sie bereits mitarbeitete.
Während Julia Stoll als Mutter dreier Kinder nun den Laden schmeißt, nimmt sich Barbara Standke Zeit für die Dinge, die bisher hinten anstehen mussten. „Mein Grundstück in Steinölsa hat einen großen Garten, in dem immer etwas zu tun gibt“, erzählt sie. Aber auch das Verreisen soll jetzt mehr eine Rolle spielen und sie liebt Camping. Gemeinsam mit ihrem Vierbeiner, der ein Labrador ist. Und dann bleibt die Erinnerung an 33 schöne, aufregende und manchmal anstrengende Jahre - und an Beschäftigte, die „mit mir durch dick und dünn gegangen sind“.