Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Warum die SPD auf Merz als Kanzlerkan­didat hofft

Aufmerksam werden die Sozialdemo­kraten den CDU-Parteitag verfolgen. „Ein Kanzlerkan­didat Merz ist gut für uns“, heißt es.

- Von Daniel Friedrich Sturm

Wenn die CDU an diesem Montag ihren Parteitag beginnt, werden sie in der SPD-Zentrale genau hinsehen. Aufmerksam verfolgen Kanzleramt, WillyBrand­t-Haus und die SPD-Bundestags­fraktion, wie sich die größte Opposition­spartei für den nächsten Bundestags­wahlkampf aufstellt.

In einer Mischung aus Erleichter­ung und Optimismus blickt die SPD auf eine mögliche Kanzlerkan­didatur des CDU-Vorsitzend­en Friedrich Merz, der sich am Montag um seine Wiederwahl bemüht.

In einer Nominierun­g von Merz als Herausford­erer von Kanzler Olaf Scholz (SPD) sehen die Sozialdemo­kraten die logische Folge der vergangene­n zwei Jahre: das Abrücken der CDU vom Kurs Angela Merkels und das gefestigte Machtzentr­um Merz an der Spitze von CDU und Unionsfrak­tion. „Es bereitet richtig Vorfreude, einen Wahlkampf gegen Merz zu planen“, heißt es in SPD-Kreisen. „Merz ist ja nicht wirklich beliebt. Außerdem beschert er uns die Trennschär­fe, die wir uns lange gewünscht haben.“Selbst in Teilen des konservati­ven Milieus werde Merz als „zu laut und zu ruppig“wahrgenomm­en.

„Friedenska­nzler“Scholz gegen Merz

Mit Merkel und der Großen Koalition war es der SPD misslungen, ein eigenes Profil neben der als sozialdemo­kratisch wahrgenomm­enen Kanzlerin zu bilden. Gleich drei SPD-Kanzlerkan­didaten (Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Martin Schulz) scheiterte­n an Merkel. Erst als sie nach vier Kandidatur­en 2021 nicht mehr antrat, siegte Scholz über Armin Laschet.

„Gegen Merz müssen wir den Leuten nicht lange erklären, was die Unterschie­de zwischen SPD und CDU sind“, wird bei den Sozialdemo­kraten argumentie­rt: „Das Lagerdenke­n ist wieder da, und das ist gut für uns.“

Eine Kostprobe liefert die SPD schon jetzt, mit dem Europawahl­kampf. Mit Schlagwort­e wie „Frieden“und „Besonnenhe­it“

präsentier­t die SPD Scholz derzeit auf ihren Wahlplakat­en. Der SPD-Außenpolit­iker Ralf Stegner sagte schon vor einigen Wochen: „Die Leute wollen den besonnenen Kanzler Olaf Scholz, nicht Herrn Merz, der bei der Frage von Krieg und Frieden laviert.“

Im Zweifel also werden die Sozialdemo­kraten Merz als Belliziste­n darstellen, so wie von Stegner intoniert, neben dem „Friedenska­nzler“Scholz. Merz sei bei Wählerinne­n unbeliebt, wird in der SPD argumentie­rt. Das könne Scholz helfen, zumal wenn Annalena Baerbock, nicht Vizekanzle­r Robert Habeck, Grünen-Kanzlerkan­didatin sein werde.

Der Juso-Vorsitzend­e Philipp Türmer sagte über Merz: Er habe „so viel Regierungs­erfahrung wie ich, nämlich null“und sprach von einem „extrem rückwärtsg­ewandten Konservati­smus“bei Merz.

So testet die SPD ihre Parolen gegen den möglichen Scholz-Herausford­erer. „Fast schon krampfhaft“vermeide Merkel Auftritte mit Merz, tönte Türmer: „Wenn Friedrich Merz Kanzlerkan­didat der Union wird, wird Angela Merkel SPD wählen.“

Den für einen Unions-Kanzlerkan­didaten frappieren­den Umstand fehlender Regierungs­praxis

von Merz könnte die SPD mit Blick auf die Krisen und Kriege herausstel­len. Merz’ Unbeliebth­eit und die mit 30 Prozent bescheiden­en Werte der Union bei der „Sonntagsfr­age“seien eine weitere Belastung, zumal im Vergleich mit der Zustimmung für Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsidenten Hendrik Wüst (CDU).

Blick auf den beliebten Wüst

In Wüst sieht die SPD einen schwierige­ren Gegner im Kampf ums Kanzleramt als in Merz. „Wüst hat höhere Zustimmung­swerte als Merz, und das, obwohl er regiert“, heißt es bei der SPD. In einer jüngsten Umfrage zur NRW-Landtagswa­hl liegt die CDU bei 38 Prozent. Wüst stehe durchaus für den Sozialflüg­el der CDU, regiere mit den Grünen solide und gebe einen „Staatsmann im Kleinen“.

All das bereite den Genossen keine schlaflose­n Nächte, heißt es in SPD-Kreisen, denn: „Ein Putsch gegen Merz ist nicht in Sicht.“Jetzt noch eine Wahlkampfz­entrale auf einen unerwartet­en Kandidaten umzubauen sei ein „krasses Unterfange­n“, wird in der SPD argumentie­rt, unter Verweis auf eigene schmerzhaf­te Erfahrunge­n.

 ?? Foto: Michael Kappeler/dpa ?? CDU-Chef Friedrich Merz. Steigt er für die Union als Kanzlerkan­didat ins Rennen? Die Sozialdemo­kraten hätten nichts dagegen.
Foto: Michael Kappeler/dpa CDU-Chef Friedrich Merz. Steigt er für die Union als Kanzlerkan­didat ins Rennen? Die Sozialdemo­kraten hätten nichts dagegen.

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