Warum die SPD auf Merz als Kanzlerkandidat hofft
Aufmerksam werden die Sozialdemokraten den CDU-Parteitag verfolgen. „Ein Kanzlerkandidat Merz ist gut für uns“, heißt es.
Wenn die CDU an diesem Montag ihren Parteitag beginnt, werden sie in der SPD-Zentrale genau hinsehen. Aufmerksam verfolgen Kanzleramt, WillyBrandt-Haus und die SPD-Bundestagsfraktion, wie sich die größte Oppositionspartei für den nächsten Bundestagswahlkampf aufstellt.
In einer Mischung aus Erleichterung und Optimismus blickt die SPD auf eine mögliche Kanzlerkandidatur des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der sich am Montag um seine Wiederwahl bemüht.
In einer Nominierung von Merz als Herausforderer von Kanzler Olaf Scholz (SPD) sehen die Sozialdemokraten die logische Folge der vergangenen zwei Jahre: das Abrücken der CDU vom Kurs Angela Merkels und das gefestigte Machtzentrum Merz an der Spitze von CDU und Unionsfraktion. „Es bereitet richtig Vorfreude, einen Wahlkampf gegen Merz zu planen“, heißt es in SPD-Kreisen. „Merz ist ja nicht wirklich beliebt. Außerdem beschert er uns die Trennschärfe, die wir uns lange gewünscht haben.“Selbst in Teilen des konservativen Milieus werde Merz als „zu laut und zu ruppig“wahrgenommen.
„Friedenskanzler“Scholz gegen Merz
Mit Merkel und der Großen Koalition war es der SPD misslungen, ein eigenes Profil neben der als sozialdemokratisch wahrgenommenen Kanzlerin zu bilden. Gleich drei SPD-Kanzlerkandidaten (Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Martin Schulz) scheiterten an Merkel. Erst als sie nach vier Kandidaturen 2021 nicht mehr antrat, siegte Scholz über Armin Laschet.
„Gegen Merz müssen wir den Leuten nicht lange erklären, was die Unterschiede zwischen SPD und CDU sind“, wird bei den Sozialdemokraten argumentiert: „Das Lagerdenken ist wieder da, und das ist gut für uns.“
Eine Kostprobe liefert die SPD schon jetzt, mit dem Europawahlkampf. Mit Schlagworte wie „Frieden“und „Besonnenheit“
präsentiert die SPD Scholz derzeit auf ihren Wahlplakaten. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sagte schon vor einigen Wochen: „Die Leute wollen den besonnenen Kanzler Olaf Scholz, nicht Herrn Merz, der bei der Frage von Krieg und Frieden laviert.“
Im Zweifel also werden die Sozialdemokraten Merz als Bellizisten darstellen, so wie von Stegner intoniert, neben dem „Friedenskanzler“Scholz. Merz sei bei Wählerinnen unbeliebt, wird in der SPD argumentiert. Das könne Scholz helfen, zumal wenn Annalena Baerbock, nicht Vizekanzler Robert Habeck, Grünen-Kanzlerkandidatin sein werde.
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer sagte über Merz: Er habe „so viel Regierungserfahrung wie ich, nämlich null“und sprach von einem „extrem rückwärtsgewandten Konservatismus“bei Merz.
So testet die SPD ihre Parolen gegen den möglichen Scholz-Herausforderer. „Fast schon krampfhaft“vermeide Merkel Auftritte mit Merz, tönte Türmer: „Wenn Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union wird, wird Angela Merkel SPD wählen.“
Den für einen Unions-Kanzlerkandidaten frappierenden Umstand fehlender Regierungspraxis
von Merz könnte die SPD mit Blick auf die Krisen und Kriege herausstellen. Merz’ Unbeliebtheit und die mit 30 Prozent bescheidenen Werte der Union bei der „Sonntagsfrage“seien eine weitere Belastung, zumal im Vergleich mit der Zustimmung für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU).
Blick auf den beliebten Wüst
In Wüst sieht die SPD einen schwierigeren Gegner im Kampf ums Kanzleramt als in Merz. „Wüst hat höhere Zustimmungswerte als Merz, und das, obwohl er regiert“, heißt es bei der SPD. In einer jüngsten Umfrage zur NRW-Landtagswahl liegt die CDU bei 38 Prozent. Wüst stehe durchaus für den Sozialflügel der CDU, regiere mit den Grünen solide und gebe einen „Staatsmann im Kleinen“.
All das bereite den Genossen keine schlaflosen Nächte, heißt es in SPD-Kreisen, denn: „Ein Putsch gegen Merz ist nicht in Sicht.“Jetzt noch eine Wahlkampfzentrale auf einen unerwarteten Kandidaten umzubauen sei ein „krasses Unterfangen“, wird in der SPD argumentiert, unter Verweis auf eigene schmerzhafte Erfahrungen.