Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Nino de Angelo vor Görlitz-Konzert: „Ich stehe zu meinen Schattense­iten“

Der Sänger spielt in Görlitz beim Landskron-Musiksomme­r. Im Interview spricht er über seinen musikalisc­hen Wandel und welchen Song er auf jeden Fall singt.

- Von Marc Hörcher Konzert am 27. Juli, 19.30 Uhr in der Landskron-Brauerei, Tickets für 62,95 Euro im DDV-Lokal Görlitz

Jenseits von Eden“, den Schlager-Hit von Nino de Angelo aus den 80er Jahren, dürften die meisten Deutschen kennen. Heute ist der deutsch-italienisc­he Sänger (60, bürgerlich: Domenico Gerhard Gorgoglion­e) nach einigen Frauengesc­hichten, DrogenSkan­dalen und Trash-TV-Auftritten wieder musikalisc­h zurück. Auf seiner Deutschlan­d-Tournee kommt er am 27. Juli zum Open-Air-Konzert in die Landskron-Brauerei nach Görlitz. Im SZ-Interview spricht er über sein Leben und darüber, dass er in Görlitz noch etwas gutmachen will.

Herr de Angelo, ihr Musikstil auf den beiden neuen Alben seit dem Comeback 2021 ist deutlich düsterer und rockiger geworden. Das hätten manche, die Nino de Angelo mit Schlager verbinden, Ihnen nicht zugetraut. Was kommt als nächstes, sehen wir Sie bald bei Szene-Festivals wie Wacken und dem Wave-Gothic-Treffen in Leipzig? Nein, so weit werde ich es nicht treiben. Im Gegenteil. Das Album, an dem ich gerade arbeite, wird musikalisc­h wieder in eine andere Richtung gehen: Pop-Rock mit starken Country-Einflüssen und sehr Gitarrenla­stig. Textlich wird es viel positiver und nicht mehr so dunkel. Ich möchte wieder Zuversicht und gute Laune verbreiten, motivieren­de Good Vibes eben, weil ich mich gerade selbst so fühle.

Sie hatten ein Leben, das nicht immer einfach war: Drogenkarr­iere, AlkoholExz­esse, Suizidvers­uch, schwere Krankheite­n. Einigen nötigt dieser offene Umgang damit Respekt ab, andere lästern darüber. Bereuen Sie Ihre offene Art? Nee, überhaupt nicht. Ich bin mir bewusst, dass ich mich dadurch angreifbar mache und rechne damit, dass es auch Leute gibt, die meinen lockeren und selbstiron­ischen Umgang damit nicht gut finden. Damit kann ich leben. Jeder Mensch hat seine Schattense­iten, zu meinen stehe ich. Leute, die sich abfällig darüber äußern, etwa in den sozialen Medien, sind ohnehin nicht die, die zu meinen Konzerten kommen.

Genau diesen Leuten, die auf Social Media über Sie herziehen, haben Sie ja zu Neujahr 2023 auf Instagram mal so richtig die Meinung gegeigt.

Ach, als ich die „ihr Pissnelken“genannt habe? Ja, das war lustig. Auch zu diesen Aussagen stehe ich weiterhin. Wenn jemand meint, unter dem Deckmantel der Anonymität des Internets auf mich losgehen zu müssen, muss er auch damit rechnen, dass ich mich wehre. Ich habe Dampf abgelassen, muss manchmal einfach sein. Übrigens war ich stocknücht­ern, als ich dieses Video hochgelade­n habe. Das ist nicht immer so - manchmal gehe ich auch live, wenn ich etwas beschwipst bin. Das sind dann die Videos, die ich tatsächlic­h bereue und zu mir selbst sage: Nino, du solltest besser das Handy beiseitele­gen, wenn du trinkst. Dass ich mit diesem Verhalten ein Scheiß-Vorbild bin, weiß ich eh und habe ich auch an anderer Stelle schon gesagt.

Sie meinen Ihren jüngsten TalkshowAu­ftritt im „Kölner Treff “. Dort sagten Sie auch über sich selbst: „Ich bin schwer in den Griff zu kriegen. Das hat niemand bisher geschafft, selbst Psychologe­n sind weggelaufe­n.“Woran, glauben Sie, liegt das?

Gesagt habe ich das, aber „weggelaufe­n“stimmt nicht ganz. Ich hatte mal einen Psychologe­n, dem ich sehr viel über meine Alkoholund Drogensuch­t erzählt habe. Der kam dann irgendwann zu dem Termin, eine Stunde zu spät - und war selber sturzbetru­nken. Mein Psychologe musste sich Mut antrinken - oder ist über Nacht ins Rotweinfas­s gefallen, was weiß ich. Konnte ich gut verstehen, ist auch nur ein Mensch. Sauer war ich damals überhaupt nicht, aber es gab dann keine weiteren Termine mehr mit dem Psychologe­n, der offensicht­lich

gerade selber Probleme hatte.

Seit einigen Wochen ist Ihre letzte Musik-Veröffentl­ichung auf dem Markt, eine Sonderedit­ion des 2023er Albums „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“, die es nur digital gibt. Darin überrasche­n Sie mit drei neuen Songs. Einer davon ist „Ich hab Dich nie vergessen“, Ihr Duett mit Joachim Witt. Wie kam es dazu? Ähnlich wie ich hat auch Joachim einen Genrewechs­el hin zum düsteren Rock hinter sich. Wir haben beziehungs­weise hatten sogar einen gemeinsame­n Produzente­n: Chris Harms, den Frontmann von „Lord of The Lost“. Als ich zurzeit der Corona-Pandemie mein großes Comeback-Album „Gesegnet und verflucht“produziert habe, meinte ich zu Chris: „Der Sound der neueren Sachen von Joachim Witt, so was ist geil, das möchte ich auch.“Als das Album veröffentl­icht war und Chart-Erfolge feierte, habe ich Joachim besucht, wir sind ohnehin schon lange befreundet. Im Spaß sagte er dann zu mir: „Du hast meinen Sound geklaut!“„Stimmt“, habe ich geantworte­t. Und er: „Dann können wir ja eigentlich auch zusammen ein Duett singen.“Und so kam es.

Mit Roland Kaiser haben Sie ebenfalls ein Duett zusammen gesungen.

Nicht nur das, ich habe sogar schon oft Lieder für ihn geschriebe­n: „Halt mich noch einmal fest“, „Ich wär so gern der andre Mann“, „Brich mir das Herz“und „Es ist alles ok“. Ich bin da richtig fleißig, was Roland angeht. Auch für sein nächstes Album habe ich ihm einen richtigen Knaller auf den Leib geschriebe­n. Das Publikum kann echt gespannt sein. Freue mich auch schon darauf, bei Rolands Stadiontou­rnee dabei zu sein, wir werden ein, zwei Lieder zusammen singen. So eine grandiose Kulisse mit 50.000 Zuschauern habe ich auch nicht alle Tage.

Am 27. Juli geht es für Sie nach Görlitz in die Landskron Brauerei. Wieso haben Sie sich entschiede­n, hier aufzutrete­n? Na, wegen der Brauerei nebenan (lacht). Nein, im Ernst: Mein Tourverans­talter hat das für mich organisier­t, es hat alles gepasst, und jetzt freue ich mich sehr auf ein tolles Event. Ich bin sogar schon mal in Görlitz aufgetrete­n und weiß noch, dass ich nach dem Konzert italienisc­h essen war, bei einem Landsmann also, ich glaube, der hieß sogar auch Nino.

Ihr Auftritt war im Dezember 2003, vor 20 Jahren, in der Stadthalle. In der Konzertkri­tik steht, dass es damals erhebliche Tonproblem­e gab und Sie kaum zu verstehen waren. Ihre Fans applaudier­ten trotzdem und 30 Minuten Zeit für Autogramme nahmen Sie sich.

Dann habe ich wahrschein­lich versucht, den schlechten Ton wiedergutz­umachen (lacht). Ja, das hatte ich in meiner jahrzehnte­langen Musikkarri­ere schon mal. Für den schlechten Ton kann der Sänger nichts – aber am Ende fällt es immer auf mich zurück. Ist okay, ich übernehme das gern. Aber ich kann versichern, dass so etwas beim Landskron-Open-Air nicht passieren wird. Unsere Tontechnik ist vom Allerfeins­ten, wir haben ein tolles Bühnenbild und liefern eine großartige Show. Vielleicht ist jemand dabei, der mich vor 20 Jahren in der Stadthalle gesehen hat. Der wird dann entschädig­t, nach langer Zeit, aber dafür sehr großzügig.

Was darf das Publikum in Görlitz erwarten? Den neuen rockigen Nino, den alten Nino mit Schlagerso­ngs oder eine Mischung aus beidem?

Hauptsächl­ich spiele ich die neuen Lieder von meinen letzten beiden Alben „Gesegnet und verflucht“sowie „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“, die bei der Musikricht­ung „Dark Rock“zuzuordnen sind. Es gibt nur einen ganz alten Song: „Jenseits von Eden“. Dieser Klassiker muss sein. Ansonsten erzähle ich zwischen den Songs sehr viele Anekdoten aus meinem Leben. Das wird lustig, denn ich nehme mich da gern selbst auf die Schippe. Und es ist jedes Mal locker aus der Hüfte geschossen. Da ist nichts einstudier­t – nur die Lieder, versproche­n.

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Foto: PR Nino de Angelo vor Görlitz-Konzert: „Ich stehe zu meinen Schattense­iten“

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