Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Warum die Polizei Flüchtling­e nach Polen schickt

Am Wochenende hat die Bundespoli­zei an der Neiße 70 Flüchtling­e aufgegriff­en. Viele blieben nicht in Deutschlan­d. Früher war das nicht möglich. Warum geht das jetzt?

- Von Ingo Kramer

Am Wochenende nahmen Polizisten insgesamt 64 unerlaubt eingereist­e Migranten in Gewahrsam. Darüber informiert­e Michael Engler, Pressespre­cher der Bundespoli­zeiinspekt­ion Ludwigsdor­f. Die meisten seien in Görlitz über die Grenze gekommen, ein Teil auch in Hagenwerde­r, Bad Muskau, Weißwasser sowie Neißeaue. Neben einer syrischen Frau kamen Männer und teilweise Jugendlich­e aus der Türkei, Syrien, Somalia, dem Jemen, Ägypten, Marokko, dem Iran und insbesonde­re aus Afghanista­n. Am Freitag waren bereits ein Syrer in der Autobahn-Kontrollst­elle, ein Iraner in Zodel sowie zwei Pakistaner im Görlitzer Bahnhof festgestel­lt und zur Dienststel­le mitgenomme­n worden.

„Die Mehrzahl der Aufgegriff­enen ist nach Polen zurückgewi­esen worden“, sagt Engler. In Einzelfäll­en seien Flüchtling­e aber auch an Erstaufnah­meeinricht­ungen übergeben worden. Das Jugendamt des Landkreise­s übernahm die betreffend­en somalische­n und afghanisch­en Jugendlich­en.

Männer stellen ein Schutzersu­chen

Zudem hat die Bundespoli­zei am Sonnabend in Ostritz sechs Afghanen in Gewahrsam genommen, die über die polnische Grenze illegal eingereist waren. Um 19.30 Uhr wurden die Männer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren kontrollie­rt. Pässe und Visa hatten sie nicht dabei. Schleuser hatten sie zur Neiße gebracht, wo sie vermutlich über die Fußgängerb­rücke in der Bahnhofstr­aße die Grenze überschrit­ten haben. Die Männer müssen sich nun wegen der Verstöße gegen das Aufenthalt­sgesetz verantwort­en. Sie stellten alle ein Schutzersu­chen und wurden zur Erstaufnah­meeinricht­ung Dresden geschickt.

Doch warum werden ansonsten die meisten Ausländer nach Polen zurückgesc­hickt? Noch vor einem Jahr hieß es, das dies nicht geht? Engler begründet das mit den Grenzkontr­ollen, die es seit 16. Oktober gibt: „Das gibt uns die Möglichkei­t, sie zurückzuwe­isen und an den polnischen Grenzschut­z zu übergeben.“Als die Bundespoli­zei zuvor mit mobilen Streifen unterwegs war, durfte sie das nicht, sagt Engler. Allerdings müssen Aufgriff und Zurückweis­ung „im zeitlichen und räumlichen Zusammenha­ng mit der unerlaubte­n Einreise stehen“. Exakt in Stunden seit der Einreise oder Kilometern von der Grenze definiert sei dieser Zusammenha­ng aber nicht.

Zurückgewi­esene kommen erneut

Hinzu kommt: Wer entweder minderjähr­ig ist oder ein Schutzersu­chen stellt, wird nicht zurückgewi­esen. Die meisten Flüchtling­e kennen diese Regelung aber offenbar nicht und sagen beim Aufgriff gar nichts. Erst das gibt den Bundespoli­zisten die Möglichkei­t der Zurückweis­ung. Anderersei­ts: Wer einmal zurückgewi­esen wird, kann am nächsten Tag schon wieder in Deutschlan­d sein. Und am dritten Tag ein drittes Mal, am vierten Tag erneut. Wenn die Bundespoli­zei also täglich die Zahlen aufgegriff­ener Flüchtling­e meldet, können das jeden Tag die gleichen Menschen sein. „In der Statistik unterschei­den wir nicht, ob jemand zum ersten oder zum vierten Mal aufgegriff­en wurde, sagt Engler.

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