Sachsen empfiehlt diese neuen Grundsteuer-Hebesätze
Ab 2025 gilt die neue Steuer. Die Städte Görlitz und Niesky wollen sie nicht nutzen, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Doch ein Teil der Eigentümer wird trotzdem mehr zahlen müssen.
Bei Arnold Fetzer steht das Telefon derzeit meistens still. „Zur Grundsteuerreform haben die Leute aktuell kaum Beratungsbedarf“, sagt der Vorsitzende des Eigentümervereins Haus & Grund Görlitz und Umgebung: „Nur im ländlichen Raum gibt es ein paar Fragen zu Obstwiesen und dergleichen.“Ist es die Ruhe vor dem Sturm? Immerhin soll die neue Grundsteuer ab 2025 gelten – und bis dahin ist es nicht mehr lange hin. Vom Freistaat heißt es schon jetzt, es werde Veränderungen für die einzelnen Grundstückseigentümer geben: „Einige werden mehr Grundsteuer bezahlen müssen, andere weniger.“
Um die Auswirkungen der Grundsteuerreform einschätzen zu können, hat das Finanzministerium für jede Gemeinde in Sachsen berechnet, welcher Hebesatz für 2025 voraussichtlich festgelegt werden müsste, damit die Grundsteuerreform „aufkommensneutral“umgesetzt werden könne. „Aufkommensneutral“bedeutet so viel wie: Die Gemeinde nimmt insgesamt genauso viel ein wie vorher. Sie nutzt die Reform also nicht, um ihre Einnahmen zu erhöhen – was sie aber tun kann, indem sie einen höheren Hebesatz festlegt. Die Verlockung, genau das zu tun, ist mancherorts sicher groß. Gerade Kommunen, die mehr oder minder pleite sind, könnten so zu Mehreinnahmen kommen. Die Grundsteuer zählt schließlich zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden.
Mit seiner Prognose kann der Freistaat also nur das vorhersagen, was passiert, wenn die Kommunen genau das nicht tun. Da noch nicht alle neuen Messbetragsdaten vorliegen, hat der Freistaat eine Bandbreite ausgewiesen. Für Görlitz zum Beispiel müsste der Hebesatz zwischen 470 und 560 Prozent liegen, für Niesky zwischen 425 und 495 Prozent. Die Daten für alle Umland-Gemeinden sind in nebenstehender Tabelle ausgewiesen. Daraus kann sich jeder Eigentümer seine mögliche künftige Grundsteuer berechnen. Dazu nimmt man den Grundsteuermessbetrag, den man per Post vom Finanzamt erhalten hat, und multipliziert ihn mit dem Hebesatz. Das Ergebnis teilt man durch 100 – und hat die jährliche Grundsteuer ab 2025.
Wichtig: Die genannte Bandbreite gilt nur für die Grundsteuer B. Darunter fallen zum Beispiel Wohnhäuser, Eigentumswohnungen und geschäftlich genutzte Grundstücke. Für eine Berechnung aufkommensneutraler Hebesätze für die Grundsteuer A – für land- und forstwirtschaftliches Vermögen – liegt noch keine ausreichende Datengrundlage vor, heißt es vom Freistaat.
Doch was haben die Gemeinden tatsächlich vor? Die Stadt Görlitz hat bereits über 14.000 Grundsteuer-Datensätze vom Finanzamt erhalten, sagt Rathaus-Sprecherin Annegret Oberndorfer: „Davon sind etwa 75 Prozent in das städtische Finanzprogramm eingelesen worden, wobei rund fünf Prozent nicht unmittelbar verarbeitet werden konnten.“Das liege zum Großteil an fehlerhaften Erklärungen des Eigentümers zur Zuordnung des Grundstücks in der Steuererklärung. Die fehlerhaften Datensätze müssen nun in Abstimmung mit dem Finanzamt bereinigt werden.
Darüber hinaus fehlen aber auch noch Erklärungen. Oberndorfer rechnet damit, dass bis Mitte August alle Erklärungen vom Finanzamt für die Stadt vorliegen, geprüft und fehlerhafte Datensätze an das Finanzamt zur Klärung übergeben worden sind. Der Gesamtbetrag aller städtischen Messbeträge sei die Basis zur Ermittlung des aufkommensneutralen Hebesatzes für die
Grundsteuer A und B. „Der Hebesatz für die Grundsteuer A und B wird im vierten Quartal 2024 durch den Stadtrat festgelegt“, sagt Oberndorfer. Ob der Hebesatz also tatsächlich „aufkommensneutral“sein wird, lässt sie damit offen. Doch OB Octavian Ursu erklärte in seinem Grußwort auf der Jahresmitgliederversammlung des Allgemeinen Unternehmerverbandes, dass er und die Verwaltung „nicht ansatzweise“daran denken würden, bei Grund- und Gewerbesteuer Hand anzulegen, um das drohende Millionendefizit der Stadt zu schließen. Vielmehr kämen „andere Stellschrauben zuerst in Betracht.“Auch in Niesky ist die Summe, die die Stadt aus Grundsteuereinnahmen einplant, für die kommenden Jahre konstant. OB Kathrin Uhlemann erklärt, sie finde aktuell keine Zeit, Genaueres zu sagen. Auskunftsfreudiger ist der Verwaltungsverband Weißer Schöps/Neiße, zu dem die Gemeinden Schöpstal, Neißeaue, Kodersdorf und Horka gehören. Kämmerer Jens Liewald sagt: „Für jede unserer Mitgliedsgemeinden liegen uns entsprechende Bescheide vor, allerdings sind diese nicht vollständig und zu gewissen Teilen fehlerbehaftet.“Damit könne eine Hebesatzdiskussion noch nicht starten. Auch er rechnet erst im vierten Quartal 2024 mit einer Festlegung der Hebesätze. Ob diese „aufkommensneutral“sein werden, das werde abhängig von der Haushaltsplanung ab dem Jahr 2025 sein. Doch am Ende setze jede der vier Gemeinden ihre Hebesätze selbst fest. Der Verwaltungsverband stelle lediglich die notwendigen Datengrundlagen zusammen, die dem jeweiligen Gemeinderat zur Entscheidungsfindung vorgelegt und erläutert werden. Eine gute Nachricht vom Verwaltungsverband: Bei berechtigten Härtefällen – also Eigentümern, die wenig Geld haben und die sich eine höhere Steuer nicht leisten können – gibt es auch Möglichkeiten, als Gemeinde dem Bürger entgegenzukommen. Das sei aber eher bei der Gewerbesteuer der Fall.
Arnold Fetzer indes bleibt bei dem Thema ganz entspannt. Haus & Grund habe den Eigentümern geraten, gegen die Bescheide des Finanzamtes Widerspruch einzulegen. „Ich selbst habe für mein eigenes Haus aber keinen Einspruch erhoben, weil es für mich künftig günstiger wird als bisher“, sagt Fetzer. Er rechne damit, dass die Grundsteuer gerade bei denkmalgeschützten Mehrfamilienhäusern in Görlitz sinken wird. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern hingegen könnte sie eher steigen.
Hinzu kommt, dass Fetzer ohnehin glaubt, dass viele Kommunen die Chance nutzen werden, ihre Einnahmen zu erhöhen: „Durch Lohnerhöhungen und so weiter haben die Kommunen höhere Kosten – und irgendwo müssen sie das Geld ja hernehmen“, sagt Fetzer. Die Verwaltungen müssten doch arbeitsfähig bleiben. Da werde dann eben am Hebesatz gedreht. Doch dagegen werde der einzelne Grundstücksbesitzer nichts tun können. Der Verein Haus & Grund ebenso wenig: „Bei den bis jetzt bekannten Modellen gibt es auch nichts, was ich zu beanstanden hätte.“
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