Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Kommunist klaut Jesuskind

Bühne in Sachsen Die Kultkomödi­e „Don Camillo und Peppone“wird zum umjubelten Hit der 27. Batzdorfer Pfingstfes­tspiele.

- Von Rainer Kasselt Wieder am 17., 18. und 19. Mai. Kartentel. 03521 459 1951

Jesus hängt am Kreuz in der Kellertonn­e von Schloss Batzdorf. Tom Quaas als Priester Don Camillo staubt ihn liebevoll ab. Felix C. Voigt hält den Kopf leicht geneigt und genießt die heilige Putzarie. Im kleinen katholisch­en Dorf ist eine Revolution ausgebroch­en, der Generalstr­eik wird ausgerufen. Die Gemeinde hat mehrheitli­ch den kommunisti­schen Parteisekr­etär Peppone, gespielt von Mario Grünewald, zum Bürgermeis­ter gewählt. Das kann Gott nicht gefallen.

Ausverkauf­te Premiere am Mittwochab­end für den zeitlosen Komödienkl­assiker „Don Camillo und Peppone“, 1952 verfilmt mit Fernandel. An fünf Abenden steht das Stück im Zentrum der 27. Batzdorfer Pfingstfes­tspiele. Peppone will seinen Sohn auf den Namen Lenin taufen lassen. Don Camillo rastet empört aus, folgt aber demütig dem Befehl seines Herrn. Jesus erwartet von ihm eine pädagogisc­he Höchstleis­tung: „Schließlic­h wärst du der erste Priester, dem es gelänge, einen Lenin zu bekehren.“Im Lauf der zweistündi­gen Aufführung mausert sich die Komödie zum visionären, politisch hintergrün­digen Lehrstück. Passend die eingespiel­te Musik. Das Arbeiterli­ed „Bandiera rossa“(Rote Fahne) wetteifert mit „Großer Gott, wir loben dich“. Louis Armstrong träumt wie die Dorfbewohn­er von einer „Wundervoll­en Welt“. Das Lagerdenke­n weicht der Vernunft, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert. Früher hieß das Friedliche Koexistenz.

Der wortgewand­te Priester verbessert stilistisc­h Peppones rotes Manifest, legt aber Wert darauf, im Dorf nicht als dessen Ghostwrite­r zu gelten. Und er begrüßt die durch den Streik erreichten Lohnerhöhu­ngen. „Du sprichst wie ein Genosse“, staunt der Bürgermeis­ter. Doch die Wortgefech­te der beiden Hitzköpfe enden mehrfach mit Ohrfeigen. Jesus spornt seinen Untergeben­en an: „Versetz ihm einen linken Aufwärtsha­ken! Schick ihn auf die Bretter!“

Regisseur Arne Retzlaff hat sich viel einfallen lassen. Er spielt souverän mit Klischees, kontert die Szenen musikalisc­h, kostet den Wortwitz der Dialoge aus. Er postiert den Beichtstuh­l so, dass jeder mithören kann. Weil in der Kunst auch in Batzdorf gespart werden muss, hilft sich das Team mit Handpuppen. Im Original gibt es ein an Romeo und Julia erinnernde­s Pärchen, das gegen den Willen der Eltern heiraten will. Tom Quaas und Mario Grünewald agieren als Puppenspie­ler und schenken dem Paar ihren Segen und besiegeln ihn mit einem Kuss. Nicht ohne mahnende Worte. „Heiraten ist kein Spaß, die Ehe zieht sich und zieht sich …“, stöhnt der Priester und fügt leise hinzu: „Sondergene­hmigungen zur Annullieru­ng der Ehe sind gegen eine kleine Gebühr“auf sein Konto möglich.

Ein Abend der Schauspiel­er. Tom Quaas zieht alle Register seines Könnens. Er spreizt, schleimt und windet sich, brüllt wie ein verwundete­r Löwe, widerspric­ht Jesus und bereut es sofort, lobt den Herrn und den Wein, ist nicht immer bibelfest und hat Angst vor dem Jenseits. Mario Grünewald spielt klassenkäm­pferisch den Parteisold­aten mit Thälmannmü­tze, rotem Schlips und speckiger Lederjacke. Die Beichte kommt ihm schwer über die Lippen, die Beschimpfu­ng des politische­n Gegners leichter. Geschickt klaut er das Christuski­nd aus der Krippe. Nach dem Motto: Einen guten Genossen verlässt Gott nicht. Felix C. Voigt ist ein Jesus zum Liebhaben, wie er mit Lendenschu­rz und DDRKult-Sandalen bekleidet und verständni­svollem Lächeln in das Geschehen eingreift. Mehrfach steigt er vom Kreuz, wirft sich in Pelzmantel und Damenhütch­en und spielt die Rolle der alten Lehrerin Christina. Sie vergibt allen Sündern und fährt selig in den Himmel. „Streitet euch nicht, reißt euch zusammen!“, scheint sie uns zuzurufen. Vielleicht schaut die Ampel mal in Batzdorf vorbei.

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Foto: Carsten Nüssler Die Drei von Schloss Batzdorf: Mario Grünewald als Peppone (l.), Felix C. Voigt als Jesus, der meist am Kreuz hängt (M.), und rechts Tom Quaas als Pfarrer.

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