Kommunist klaut Jesuskind
Bühne in Sachsen Die Kultkomödie „Don Camillo und Peppone“wird zum umjubelten Hit der 27. Batzdorfer Pfingstfestspiele.
Jesus hängt am Kreuz in der Kellertonne von Schloss Batzdorf. Tom Quaas als Priester Don Camillo staubt ihn liebevoll ab. Felix C. Voigt hält den Kopf leicht geneigt und genießt die heilige Putzarie. Im kleinen katholischen Dorf ist eine Revolution ausgebrochen, der Generalstreik wird ausgerufen. Die Gemeinde hat mehrheitlich den kommunistischen Parteisekretär Peppone, gespielt von Mario Grünewald, zum Bürgermeister gewählt. Das kann Gott nicht gefallen.
Ausverkaufte Premiere am Mittwochabend für den zeitlosen Komödienklassiker „Don Camillo und Peppone“, 1952 verfilmt mit Fernandel. An fünf Abenden steht das Stück im Zentrum der 27. Batzdorfer Pfingstfestspiele. Peppone will seinen Sohn auf den Namen Lenin taufen lassen. Don Camillo rastet empört aus, folgt aber demütig dem Befehl seines Herrn. Jesus erwartet von ihm eine pädagogische Höchstleistung: „Schließlich wärst du der erste Priester, dem es gelänge, einen Lenin zu bekehren.“Im Lauf der zweistündigen Aufführung mausert sich die Komödie zum visionären, politisch hintergründigen Lehrstück. Passend die eingespielte Musik. Das Arbeiterlied „Bandiera rossa“(Rote Fahne) wetteifert mit „Großer Gott, wir loben dich“. Louis Armstrong träumt wie die Dorfbewohner von einer „Wundervollen Welt“. Das Lagerdenken weicht der Vernunft, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert. Früher hieß das Friedliche Koexistenz.
Der wortgewandte Priester verbessert stilistisch Peppones rotes Manifest, legt aber Wert darauf, im Dorf nicht als dessen Ghostwriter zu gelten. Und er begrüßt die durch den Streik erreichten Lohnerhöhungen. „Du sprichst wie ein Genosse“, staunt der Bürgermeister. Doch die Wortgefechte der beiden Hitzköpfe enden mehrfach mit Ohrfeigen. Jesus spornt seinen Untergebenen an: „Versetz ihm einen linken Aufwärtshaken! Schick ihn auf die Bretter!“
Regisseur Arne Retzlaff hat sich viel einfallen lassen. Er spielt souverän mit Klischees, kontert die Szenen musikalisch, kostet den Wortwitz der Dialoge aus. Er postiert den Beichtstuhl so, dass jeder mithören kann. Weil in der Kunst auch in Batzdorf gespart werden muss, hilft sich das Team mit Handpuppen. Im Original gibt es ein an Romeo und Julia erinnerndes Pärchen, das gegen den Willen der Eltern heiraten will. Tom Quaas und Mario Grünewald agieren als Puppenspieler und schenken dem Paar ihren Segen und besiegeln ihn mit einem Kuss. Nicht ohne mahnende Worte. „Heiraten ist kein Spaß, die Ehe zieht sich und zieht sich …“, stöhnt der Priester und fügt leise hinzu: „Sondergenehmigungen zur Annullierung der Ehe sind gegen eine kleine Gebühr“auf sein Konto möglich.
Ein Abend der Schauspieler. Tom Quaas zieht alle Register seines Könnens. Er spreizt, schleimt und windet sich, brüllt wie ein verwundeter Löwe, widerspricht Jesus und bereut es sofort, lobt den Herrn und den Wein, ist nicht immer bibelfest und hat Angst vor dem Jenseits. Mario Grünewald spielt klassenkämpferisch den Parteisoldaten mit Thälmannmütze, rotem Schlips und speckiger Lederjacke. Die Beichte kommt ihm schwer über die Lippen, die Beschimpfung des politischen Gegners leichter. Geschickt klaut er das Christuskind aus der Krippe. Nach dem Motto: Einen guten Genossen verlässt Gott nicht. Felix C. Voigt ist ein Jesus zum Liebhaben, wie er mit Lendenschurz und DDRKult-Sandalen bekleidet und verständnisvollem Lächeln in das Geschehen eingreift. Mehrfach steigt er vom Kreuz, wirft sich in Pelzmantel und Damenhütchen und spielt die Rolle der alten Lehrerin Christina. Sie vergibt allen Sündern und fährt selig in den Himmel. „Streitet euch nicht, reißt euch zusammen!“, scheint sie uns zuzurufen. Vielleicht schaut die Ampel mal in Batzdorf vorbei.