Sächsische Zeitung  (Görlitz)

Fünf Szenen eines Staatsakts

Ein Staatsakt zu 75 Jahren Grundgeset­z: Das ist nicht nur protokolla­risch und politisch hoch anspruchsv­oll. Welche Bilder von der Feier bleiben.

- Von Stefanie Witte

1. Merkel

Die Kanzlerin a.D. war an diesem Donnerstag der heimliche Star der Veranstalt­ung. Das Festgeländ­e betrat sie ausgerechn­et zusammen mit Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne). In ihrer Mitte begleitete­n die beiden die Holocaust-Überlebend­e Margot Friedlände­r. Nach dem Auftritt Merkels bei der Verabschie­dung von Jürgen Trittin war das der nächste öffentlich­keitswirks­ame Grünen-Kontakt.

2. Der Gottesdien­st

Bei ARD und ZDF liefen am Donnerstag­morgen ein Quiz und eine Morgensend­ung.

Dabei hätte es sich gelohnt, zu übertragen, was die beiden großen Kirchen, Vertreter weiterer Religionen und vor allem junge Menschen zum Thema 75 Jahre Grundgeset­z beizutrage­n haben. Am Gottesdien­st vor dem eigentlich­en Staatsakt in der Berliner St. Marienkirc­he nahmen nicht nur hochrangig­e Politiker teil. Die Kirchen schafften es, in einem kurzweilig­en, emotionale­n Programm mit starken Stimmen Stolz auf die deutsche Verfassung, Herausford­erungen und Humor zu vermitteln.

3. Dresscode

Die Veranstalt­ung mag Staatsakt heißen, das Styling der Gäste lässt sich jedoch mindestens als vielfältig beschreibe­n. Von Jeans (auch bei Abgeordnet­en) und Basecap bis zum klassische­n feinen Zwirn: Rein outfittech­nisch kann niemand behaupten, dass die Veranstalt­ung (ungewöhnli­ch: unter freiem Himmel) allzu abgehoben war. Ist das ok? Wer darüber nachsann, wurde durch Olivia Jones, Deutschlan­ds bekanntest­e Dragqueen, rasch eines Besseren belehrt: In einem Einspieler zitierte sie nachdrückl­ich Artikel zwei der Grundrecht­e: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlich­keit“. Jones selbst trat im dramatisch­en schwarz-rot-goldenen Kleid auf, mit Kopfschmuc­k, der an die Freiheitss­tatue erinnerte, und verlieh der seriösen Veranstalt­ung den nötigen Glamour.

4. Der Bundespräs­ident

Wer Staatsakt sagt, muss auch Bundespräs­ident sagen. Herzstück des Staatsakte­s war daher die Rede Frank-Walter Steinmeier­s.

Positiv: Die Anwesenden applaudier­ten vielfach, am Ende sogar stehend. Als Steinmeier über Gefahren für die Demokratie, Hass und Übergriffe sprach, konnten sich viele damit identifizi­eren.

5. Staatstrag­end und humorvoll

Sicher, ein Staatsakt zu 75 Jahren Grundgeset­z muss staatstrag­end daherkomme­n. Bundespräs­identenred­e, Nationalhy­mne mit den Berliner Philharmon­ikern, die höchsten Politiker im Staat – das alles steht auf der Obligatori­sch-Liste. Optional sind Elemente wie der Flug dreier Fallschirm­springer zur Titelmelod­ie des James-BondFilms Skyfall, die mit Bannern zu den Themen Deutschlan­d, EU und Grundgeset­z kurz vor der Veranstalt­ung die Blicke auf sich zogen. Bei der musikalisc­hen Reise von Katharina Thalbach, Andreja Schneider und Christoph Israel durch deutsche Schlagerja­hrzehnte löste das Trio gleich dreimal rhythmisch­es Klatschen unter den anwesenden Spitzenpol­itikern aus.

Seriös, aber nicht bierernst kam dieser Staatsakt daher. Gut so.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier spricht beim Staatsakt zu „75 Jahre Grundgeset­z“auf dem Forum zwischen Bundestag und Bundeskanz­leramt.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier spricht beim Staatsakt zu „75 Jahre Grundgeset­z“auf dem Forum zwischen Bundestag und Bundeskanz­leramt.

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