Fünf Szenen eines Staatsakts
Ein Staatsakt zu 75 Jahren Grundgesetz: Das ist nicht nur protokollarisch und politisch hoch anspruchsvoll. Welche Bilder von der Feier bleiben.
1. Merkel
Die Kanzlerin a.D. war an diesem Donnerstag der heimliche Star der Veranstaltung. Das Festgelände betrat sie ausgerechnet zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). In ihrer Mitte begleiteten die beiden die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Nach dem Auftritt Merkels bei der Verabschiedung von Jürgen Trittin war das der nächste öffentlichkeitswirksame Grünen-Kontakt.
2. Der Gottesdienst
Bei ARD und ZDF liefen am Donnerstagmorgen ein Quiz und eine Morgensendung.
Dabei hätte es sich gelohnt, zu übertragen, was die beiden großen Kirchen, Vertreter weiterer Religionen und vor allem junge Menschen zum Thema 75 Jahre Grundgesetz beizutragen haben. Am Gottesdienst vor dem eigentlichen Staatsakt in der Berliner St. Marienkirche nahmen nicht nur hochrangige Politiker teil. Die Kirchen schafften es, in einem kurzweiligen, emotionalen Programm mit starken Stimmen Stolz auf die deutsche Verfassung, Herausforderungen und Humor zu vermitteln.
3. Dresscode
Die Veranstaltung mag Staatsakt heißen, das Styling der Gäste lässt sich jedoch mindestens als vielfältig beschreiben. Von Jeans (auch bei Abgeordneten) und Basecap bis zum klassischen feinen Zwirn: Rein outfittechnisch kann niemand behaupten, dass die Veranstaltung (ungewöhnlich: unter freiem Himmel) allzu abgehoben war. Ist das ok? Wer darüber nachsann, wurde durch Olivia Jones, Deutschlands bekannteste Dragqueen, rasch eines Besseren belehrt: In einem Einspieler zitierte sie nachdrücklich Artikel zwei der Grundrechte: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“. Jones selbst trat im dramatischen schwarz-rot-goldenen Kleid auf, mit Kopfschmuck, der an die Freiheitsstatue erinnerte, und verlieh der seriösen Veranstaltung den nötigen Glamour.
4. Der Bundespräsident
Wer Staatsakt sagt, muss auch Bundespräsident sagen. Herzstück des Staatsaktes war daher die Rede Frank-Walter Steinmeiers.
Positiv: Die Anwesenden applaudierten vielfach, am Ende sogar stehend. Als Steinmeier über Gefahren für die Demokratie, Hass und Übergriffe sprach, konnten sich viele damit identifizieren.
5. Staatstragend und humorvoll
Sicher, ein Staatsakt zu 75 Jahren Grundgesetz muss staatstragend daherkommen. Bundespräsidentenrede, Nationalhymne mit den Berliner Philharmonikern, die höchsten Politiker im Staat – das alles steht auf der Obligatorisch-Liste. Optional sind Elemente wie der Flug dreier Fallschirmspringer zur Titelmelodie des James-BondFilms Skyfall, die mit Bannern zu den Themen Deutschland, EU und Grundgesetz kurz vor der Veranstaltung die Blicke auf sich zogen. Bei der musikalischen Reise von Katharina Thalbach, Andreja Schneider und Christoph Israel durch deutsche Schlagerjahrzehnte löste das Trio gleich dreimal rhythmisches Klatschen unter den anwesenden Spitzenpolitikern aus.
Seriös, aber nicht bierernst kam dieser Staatsakt daher. Gut so.