Sächsische Zeitung (Großenhain)
Gewerkschaft fordert neues Bildungspaket
Die bisherigen Maßnahmen gegen den Lehrermangel reichen nicht aus. Nötig seien 3.000 zusätzliche Lehrer und mehr Geld.
Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres am Montag sind die Aussichten nicht gut: Auch im kommenden Schuljahr wird es massiven Unterrichtsausfall wegen Lehrermangels geben. Der Zustand an den Schulen sei weiterhin „desolat“, sagte Burkhard Naumann, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissen (GEW) am Mittwoch. Der Lehrkräftemangel ist bereits an allen Schularten und in allen Regionen Sachsens angekommen. „Und das wird sich auch noch verstärken.“
Das Kultusministerium will zum Schuljahresbeginn 1.300 Stellen besetzen – etwa die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer, die aus Altersgründen aus dem Schuldienst ausscheidet. Dabei fehlen nach Berechnungen der GEW etwa 3.000 zusätzliche Lehrer, um den Unterricht verlässlich abzudecken. „Der reguläre Unterricht nach Stundentafel wird bereits im Planansatz des Kultusministeriums im Umfang von über 1.000 Lehrkräftestellen gekürzt“, sagte Naumann. Weil Personal fehlt, findet etwa für eine Klasse ein Schuljahr lang kein Geografieunterricht statt oder der Chemieunterricht wird langfristig auf eine Wochenstunde halbiert. Dazu kommen noch etwa 600 Stellen, die nötig wären, um den Ergänzungsbereich – die Reserve für Vertretungen im Krankheitsfall, bei Weiterbildungen oder für Förderstunden – voll abzusichern.
In der Rechnung seien die notwendigen Stellen zur Qualitätsverbesserung noch gar nicht enthalten, etwa die Einführung einer Klassenleiterstunde. Es fehle auch dringend benötigtes Personal für Schulen mit besonderen Herausforderungen, bei der Umsetzung der Inklusion und der Digitalisierung. Nötig seien außerdem zusätzliche Lehrkräfte bei Sprachhürden und für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache sowie zur Integration von Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine. Mit Beginn des neuen Schuljahres werden sie nicht mehr in rein ukrainischen Vorbereitungsklassen betreut, sondern in den Regelunterricht integriert. Dafür müssen an vielen Schulen die Klassen neu aufgeteilt werden.
Dem Kultusministerium wird es wohl wie in den vergangenen Jahren mangels Bewerbern nicht gelingen, alle ausgeschriebenen Stellen zu besetzen. Die Folge sind „Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen, überlastete Lehrkräfte und ein Einbruch der Bildungsqualität, indem Schülerinnen und Schüler nicht die Bildungschancen erhalten, die ihnen zustehen“, so Naumann. Bisherige Maßnahmen reichten nicht aus.
Der Landesregierung fehle der Mut, zusätzliche finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, sagte Naumann. Er forderte ein neues Bildungspaket. Nötig sei ein Programm für den Ausbau von multiprofessionellen Teams, mit Stellen für pädagogische Fachkräfte, Verwaltungsfachkräfte, It-fachkräfte, Schulsozialarbeiter, Psychologen und Sprach- und Integrationsmittler. Bisher werden die Assistenzkräfte auf nicht besetzte Lehrerstellen eingestellt. In diesem Schuljahr soll die Zahl der Schulassistenten auf
Man hat den Eindruck, die ~ schwarze Null in Sachsen wiege mehr als verfehlte Bildungschancen der nächsten Generation.
Burkhard Naumann, Gew-vorsitzender
751 wachsen, unbefristet sind 472 Stellen. Bei 1.400 Schulen in Sachsen sind das deutlich zu wenig, sagt die stellvertretende Landesvorsitzende Claudia Maaß.
Das Paket sollte Geld für die Umsetzung des Sozialindex für Schulen mit besonderen Herausforderungen, ein Förderprogramm zum Ausbau der It-ausstattung und den Ausbau der Angebote zum digitalen Lehren und Lernen enthalten. Zudem müsse die Attraktivität des Lehrerberufes gesteigert werden, sagte Naumann. Dabei gehe es vor allem darum, die Überlastung der Lehrkräfte zu verringern. Die Schulen bräuchten zentrale Vorgaben dazu, welche Aufgaben Priorität haben und welche gestrichen werden können.
Das Kultusministerium sollte außerdem die Eingriffe in die Teilzeitregelung zurücknehmen und vorhandene Entlastungsmaßnahmen erhalten und ausbauen. Die restriktive Teilzeitregelung belaste überwiegend ältere Lehrkräfte. Das führe dazu, dass sie überlegen, früher in Rente zu gehen, so Naumann. Er wisse auch von Kolleginnen und Kollegen, die deswegen gekündigt haben. „Dadurch verlieren wir mehr Arbeitsvolumen, als dass wir es durch Pflichtstunden gewinnen.“
Wie viel das Bildungspaket kosten würde, konnte Naumann nicht sagen. Es gehe darum, bisherige Maßnahmen zu bündeln, zu verstetigen und auszubauen. Sachsen hatte zuletzt 2018 ein Bildungspaket aufgelegt. Damals wurden etwa 1,7 Milliarden Euro investiert, etwa in die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern und die gleiche Bezahlung für Lehrkräfte an Grundschulen.
Die GEW rechnet damit, dass Bildung auch im Wahlkampf für die sächsische Landtagswahl 2024 ein Thema wird. Die Politik dürfe nicht nach dem Motto „Augen zu und durch“verfahren. Die Schülerzahlen werden voraussichtlich erst in zehn Jahren zurückgehen. „Man hat den Eindruck, die schwarze Null in Sachsen wiege mehr als verfehlte Bildungschancen der nächsten Generation.“