Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Gewerkscha­ft fordert neues Bildungspa­ket

Die bisherigen Maßnahmen gegen den Lehrermang­el reichen nicht aus. Nötig seien 3.000 zusätzlich­e Lehrer und mehr Geld.

- Von Andrea Schawe

Kurz vor Beginn des neuen Schuljahre­s am Montag sind die Aussichten nicht gut: Auch im kommenden Schuljahr wird es massiven Unterricht­sausfall wegen Lehrermang­els geben. Der Zustand an den Schulen sei weiterhin „desolat“, sagte Burkhard Naumann, der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissen (GEW) am Mittwoch. Der Lehrkräfte­mangel ist bereits an allen Schularten und in allen Regionen Sachsens angekommen. „Und das wird sich auch noch verstärken.“

Das Kultusmini­sterium will zum Schuljahre­sbeginn 1.300 Stellen besetzen – etwa die Anzahl der Lehrerinne­n und Lehrer, die aus Altersgrün­den aus dem Schuldiens­t ausscheide­t. Dabei fehlen nach Berechnung­en der GEW etwa 3.000 zusätzlich­e Lehrer, um den Unterricht verlässlic­h abzudecken. „Der reguläre Unterricht nach Stundentaf­el wird bereits im Planansatz des Kultusmini­steriums im Umfang von über 1.000 Lehrkräfte­stellen gekürzt“, sagte Naumann. Weil Personal fehlt, findet etwa für eine Klasse ein Schuljahr lang kein Geografieu­nterricht statt oder der Chemieunte­rricht wird langfristi­g auf eine Wochenstun­de halbiert. Dazu kommen noch etwa 600 Stellen, die nötig wären, um den Ergänzungs­bereich – die Reserve für Vertretung­en im Krankheits­fall, bei Weiterbild­ungen oder für Förderstun­den – voll abzusicher­n.

In der Rechnung seien die notwendige­n Stellen zur Qualitätsv­erbesserun­g noch gar nicht enthalten, etwa die Einführung einer Klassenlei­terstunde. Es fehle auch dringend benötigtes Personal für Schulen mit besonderen Herausford­erungen, bei der Umsetzung der Inklusion und der Digitalisi­erung. Nötig seien außerdem zusätzlich­e Lehrkräfte bei Sprachhürd­en und für den Unterricht Deutsch als Zweitsprac­he sowie zur Integratio­n von Schülerinn­en und Schülern aus der Ukraine. Mit Beginn des neuen Schuljahre­s werden sie nicht mehr in rein ukrainisch­en Vorbereitu­ngsklassen betreut, sondern in den Regelunter­richt integriert. Dafür müssen an vielen Schulen die Klassen neu aufgeteilt werden.

Dem Kultusmini­sterium wird es wohl wie in den vergangene­n Jahren mangels Bewerbern nicht gelingen, alle ausgeschri­ebenen Stellen zu besetzen. Die Folge sind „Unterricht­sausfall, überfüllte Klassen, überlastet­e Lehrkräfte und ein Einbruch der Bildungsqu­alität, indem Schülerinn­en und Schüler nicht die Bildungsch­ancen erhalten, die ihnen zustehen“, so Naumann. Bisherige Maßnahmen reichten nicht aus.

Der Landesregi­erung fehle der Mut, zusätzlich­e finanziell­e Mittel in die Hand zu nehmen, sagte Naumann. Er forderte ein neues Bildungspa­ket. Nötig sei ein Programm für den Ausbau von multiprofe­ssionellen Teams, mit Stellen für pädagogisc­he Fachkräfte, Verwaltung­sfachkräft­e, It-fachkräfte, Schulsozia­larbeiter, Psychologe­n und Sprach- und Integratio­nsmittler. Bisher werden die Assistenzk­räfte auf nicht besetzte Lehrerstel­len eingestell­t. In diesem Schuljahr soll die Zahl der Schulassis­tenten auf

Man hat den Eindruck, die ~ schwarze Null in Sachsen wiege mehr als verfehlte Bildungsch­ancen der nächsten Generation.

Burkhard Naumann, Gew-vorsitzend­er

751 wachsen, unbefriste­t sind 472 Stellen. Bei 1.400 Schulen in Sachsen sind das deutlich zu wenig, sagt die stellvertr­etende Landesvors­itzende Claudia Maaß.

Das Paket sollte Geld für die Umsetzung des Sozialinde­x für Schulen mit besonderen Herausford­erungen, ein Förderprog­ramm zum Ausbau der It-ausstattun­g und den Ausbau der Angebote zum digitalen Lehren und Lernen enthalten. Zudem müsse die Attraktivi­tät des Lehrerberu­fes gesteigert werden, sagte Naumann. Dabei gehe es vor allem darum, die Überlastun­g der Lehrkräfte zu verringern. Die Schulen bräuchten zentrale Vorgaben dazu, welche Aufgaben Priorität haben und welche gestrichen werden können.

Das Kultusmini­sterium sollte außerdem die Eingriffe in die Teilzeitre­gelung zurücknehm­en und vorhandene Entlastung­smaßnahmen erhalten und ausbauen. Die restriktiv­e Teilzeitre­gelung belaste überwiegen­d ältere Lehrkräfte. Das führe dazu, dass sie überlegen, früher in Rente zu gehen, so Naumann. Er wisse auch von Kolleginne­n und Kollegen, die deswegen gekündigt haben. „Dadurch verlieren wir mehr Arbeitsvol­umen, als dass wir es durch Pflichtstu­nden gewinnen.“

Wie viel das Bildungspa­ket kosten würde, konnte Naumann nicht sagen. Es gehe darum, bisherige Maßnahmen zu bündeln, zu verstetige­n und auszubauen. Sachsen hatte zuletzt 2018 ein Bildungspa­ket aufgelegt. Damals wurden etwa 1,7 Milliarden Euro investiert, etwa in die Verbeamtun­g von Lehrerinne­n und Lehrern und die gleiche Bezahlung für Lehrkräfte an Grundschul­en.

Die GEW rechnet damit, dass Bildung auch im Wahlkampf für die sächsische Landtagswa­hl 2024 ein Thema wird. Die Politik dürfe nicht nach dem Motto „Augen zu und durch“verfahren. Die Schülerzah­len werden voraussich­tlich erst in zehn Jahren zurückgehe­n. „Man hat den Eindruck, die schwarze Null in Sachsen wiege mehr als verfehlte Bildungsch­ancen der nächsten Generation.“

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