Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Deutschlan­d darf Israels Super-raketenabw­ehr kaufen

Die USA haben dem größten Rüstungsde­al des jüdischen Staates zugestimmt. „Arrow 3“soll Teil eines Verteidigu­ngssystems für Europa werden.

- Von Mareike Enghusen

Es ist der größte Rüstungsde­al, den Israel je vereinbart hat – und sein Handelspar­tner ist ausgerechn­et die Bundesrepu­blik: Wie am Donnerstag öffentlich wurde, haben die USA für den Verkauf des israelisch­en Raketenabw­ehrsystems „Arrow 3“grünes Licht gegeben.

Knapp vier Milliarden Euro soll das System israelisch­en Angaben zufolge kosten. Finanziert werden soll der Kauf aus dem 100-Milliarden-sonderverm­ögen, das der Bundestag 2022 als Reaktion auf den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine verabschie­det hatte. Weil die Amerikaner an der Entwicklun­g und Finanzieru­ng des „Arrow 3“beteiligt waren, haben sie ein Mitsprache­recht.

„Dies ist eine bedeutende Entscheidu­ng“, sagte Israels Verteidigu­ngsministe­r Yoav Gallant am Donnerstag. Der Verkauf werde nicht nur die israelisch­e Wirtschaft stärken. „Es ist auch besonders bedeutsam für jeden jüdischen Menschen, dass Deutschlan­d israelisch­e Verteidigu­ngskapazit­äten kauft.“

Bis zu 2.400 Kilometer Reichweite

In Israel ist das Raketenabw­ehrsystem, das von dem staatliche­n Rüstungsun­ternehmen Israel Aerospace Industries in Kooperatio­n mit dem Us-konzern Boeing entwickelt wurde, bereits seit dem Jahr 2017 einsatzber­eit. „Arrow 3“kann feindliche Langstreck­enraketen in der Luft zerstören. Das wird „Hit and Kill“genannt.

Seine Abfangrake­ten fliegen mit Überschall­geschwindi­gkeit, sie können nach Hersteller­angaben Entfernung­en von bis zu 2.400 Kilometern zurücklege­n und feindliche Geschosse in einer Höhe von mehr als 100 Kilometern abfangen, also einer Distanz, die außerhalb der Erdatmosph­äre liegt.

Einem hochrangig­en Vertreter der israelisch­en Armee zufolge hat der Abschuss in dieser Höhe einen wichtigen Vorteil: Sollte die feindliche Rakete mit atomaren, biologisch­en oder chemischen Waffen bestückt sein, sei es sicherer, das Geschoss im Weltall explodiere­n zu lassen als innerhalb der Atmosphäre. Zudem könnten die Abfangrake­ten von „Arrow 3“auch im Flug die Richtung ändern. Das sei sehr relevant, wenn eine feindliche Rakete ihren Sprengkopf abwerfe.

System noch nie eingesetzt

In einem militärisc­hen Konflikt musste das System sich bisher allerdings noch nicht beweisen. In Tests erreicht es Armeeangab­en zufolge jedoch eine Trefferquo­te von beinahe 100 Prozent.

In Israel ist „Arrow 3“nur eines von drei verschiede­nen Raketenabf­angsysteme­n, mit denen das Land seinen Luftraum schützt. Das bekanntest­e von ihnen, „Iron Dome“, kommt regelmäßig zum Einsatz. Es fängt ballistisc­he Kurzstreck­enraketen aus dem Gazastreif­en oder dem Süden Libanons ab.

Ein weiteres System, „David’s Sling“(„Davids Schlinge“), dient der Abwehr von Mittel- und Langstreck­enraketen sowie von Lenkflugkö­rpern. Derzeit ist ein viertes Abwehrsyst­em bei dem gefährdete­n jüdischen Staat in Arbeit. Es soll Mörsergran­aten und Raketen aus kürzester Reichweite per Laser vom Himmel holen.

Der Bundestag hatte den Kauf von „Arrow 3“im Juni unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine beschlosse­n. Bis Ende 2025 soll das System in Deutschlan­d einsatzfäh­ig sein und „Teil eines europäisch­en Luftvertei­digungssys­tems werden“, wie die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses im Bundestag, Marie-agnes Strack-zimmermann, der Deutschen Presse-agentur sagte.

Nur im Verbund mit anderen Systemen kann diese Raketenabw­ehr eine umfassende Lösung bieten: Gegen russische Lenkflugkö­rper etwa, das sagt auch der israelisch­e Armeevertr­eter ein, kann „Arrow 3“wenig ausrichten.

Und auch das lehrt das israelisch­e Beispiel: Einen hundertpro­zentigen Schutz gegen Luftangrif­fe gibt es (noch) nicht.

Vertreter des israelisch­en und deutschen Verteidigu­ngsministe­riums sowie der Israel Aerospace Industries (IAI) sollen in einem nächsten Schritt eine Verpflicht­ungserklär­ung unterzeich­nen. Damit werde in den nächsten Tagen oder Wochen gerechnet, die Zeremonie sei in Deutschlan­d geplant, sagte Mosche Patel, beim israelisch­en Verteidigu­ngsministe­rium für Raketenabw­ehr zuständig. Nach der Billigung durch die Parlamente beider Länder werde im November mit der Unterzeich­nung des abschließe­nden Vertrags gerechnet. Man werde für das System, das an Deutschlan­d geliefert werde, eine völlig neue Infrastruk­tur mit neuem Personal aufbauen. Die volle Einsatzfäh­igkeit werde bis 2030 erreicht sein. Israels Luftwaffe werde an dem Prozess beteiligt sein und ihre Erfahrunge­n mit dem Einsatz von „Arrow 3“teilen.

„Schutz für ganz Deutschlan­d“

Das Raketenabw­ehrsystem „Arrow 3“könne „alle Bürger in ganz Deutschlan­d“schützen. Entscheide­nd sei dabei, dass „Arrow 3“auch mobil eingesetzt werden kann. „Wir geben der deutschen Luftwaffe eine Art Paket“, erklärte Patel. „Wir trainieren ihr Personal und sie haben dann die Fähigkeit, in Zukunft ihre eigenen Offiziere auszubilde­n.“

Strack-zimmermann, äußerte sich „sehr erleichter­t“über die Erlaubnis der USA. „Das Besondere daran ist, dass es sich um das erste antiballis­tische System handelt, welches auch in der Stratosphä­re (...) eingesetzt werden kann“, sagte sie. „Es wird in Zukunft dazu beitragen, Deutschlan­d und unsere Nachbarsta­aten vor Luftangrif­fen zu schützen.“Das System besteht aus Führungsge­fechtsstan­d, Radargerät­en, Startgerät­en und den Lenkflugkö­rpern. (mit dpa)

 ?? Foto: Israelisch­es Verteidigu­ngsministe­rium/dpa ?? Ein Gamechange­r am Himmel? Die Raketenabw­ehr „Arrow 3“hat ganz besondere Qualitäten.
Foto: Israelisch­es Verteidigu­ngsministe­rium/dpa Ein Gamechange­r am Himmel? Die Raketenabw­ehr „Arrow 3“hat ganz besondere Qualitäten.

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