Sächsische Zeitung (Großenhain)
Wie sich Studenten die Zukunft fürs Muskator-areal vorstellen Visionen, aber keine Illusionen Farbenfest im alten Fußballtempel
Theatersäle, Bibliotheken oder ein Archiv: Ideen für das ehemalige Mischfutterwerk gibt es viele. Aber was lässt sich realisieren?
Am Ende des langen Tages steht ein Schlusswort in Form eines Versprechens: „Wir werden die Welle surfen“, sagt Riesas Oberbürgermeister Marco Müller (CDU). Das Stadtoberhaupt bezieht sich damit auf Ansgar Schulz. Der vielfach preisgekrönte Architekt und Professor an der TU Dresden hat wenige Augenblicke zuvor einen Präsentations-marathon seiner Studenten auf dem Riesaer Muskatorgelände beendet.
Von den Morgenstunden bis in den frühen Abend hinein stellen diese am Donnerstag ihre Ideen für das ehemalige Industrie-areal in Riesas Stadtmitte vor. Schulz würdigt am Ende des Kolloquiums die Vielfalt der Entwürfe, den Eifer und die Kraft, die die jungen Leute in ihre Pläne und Modelle gesteckt hätten. „Ich bin ziemlich begeistert.“Für Riesa wünsche er sich, dass die damit losgetretene Welle gesurft werde – und sie nicht gegen die Wand krache.
Der Tag auf dem Muskatorgelände ist eine studentische Veranstaltung, aber neben den akademischen Vertretern sind auch eine Reihe von Stadträten und Künstlern vor Ort. Auch Vertreter der Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) und der Investorengemeinschaft, denen jeweils andere Teile des Areals gehören, sind da. Bisher fehlt es, bei allen Ideen, die seit Jahren ins Spiel gebracht werden, an ganz konkreten Perspektiven für die Gebäude.
Den angehenden Architekten fehlt es zumindest nicht an kreativen Ideen für die Fläche. Den Anfang macht eine Idee, die an die Sportstadt-idee anknüpft: ein Sportleistungszentrum, samt Außensportanlagen und einer Halle für den Schwimmsport. Es folgen: ein Forschungszentrum für innovative Baumaterialien, ein Handwerkscampus, ein Theater- und Konzertsaal. Die Mischung beeindruckt auch Cdu-stadtrat Helmut Jähnel. Eine Idee für den Mittelbau, das ehemalige Fertigteilelager, finde er besonders spannend. Im Entwurf wurde das Dach des Hauses geöffnet, ein Lichthof gebildet. Außerdem sollen Stege das Gelände in Richtung Elbe erschließen.
Gerade die Zugänglichkeit angesichts der Höhenunterschiede ist ein großes Thema in den Arbeiten. Gleich mehrere studentische Gruppen haben deshalb in ihren Konzepten eine Freitreppe zum geplanten Elberadweg vorgesehen – Sitzflächen inklusive. Mal soll sie sich links, mal rechts des Maschinenturms befinden. Auch die Wegebeziehung zum Puschkinplatz wird häufig mit bedacht, Passagen angelegt oder aber Grünflächen.
Gemeinsam ist den Arbeiten auch, dass sie den Bestand so gut es geht erhalten wollen. Größere Abrisse planen die wenigsten. Vor allem an den Silotürmen toben sich die Architektur-studenten regelrecht aus. Da stehen für eine große Kletterhalle mal nur noch die äußeren Röhrenwände, da werden Zwischenräume gebildet, in denen Pflanzen wachsen, oder eben Tribünen für den erwähnten Theatersaal. Ansgar Schulz erzählt auch von einer studentischen Idee, in den Silos Fische zu züchten. In der Präsentation spielt sie später keine Rolle.
In ihren einleitenden Worten hatte Finanzbürgermeisterin Kerstin Köhler (parteilos) erklärt: „Lassen wir heute erst mal das Kreative im Vordergrund stehen. Als Finanzer weiß ich, dass im Hintergrund auch schon was arbeitet: Wer soll das bezahlen? Könnte man denn solche Visionen wirklich umsetzen?“Die Studenten allerdings sollten sich davon erst einmal frei machen:
Diese Fragen solle man an diesem Tag mal den dafür Verantwortlichen überlassen. Stattdessen könne man dankbar sein, dass man als Mittelzentrum diese Aufmerksamkeit bekommen habe.
Wgr-prokurist Reiner Striegler, der am Vormittag vor Ort ist, ist da merklich zurückhaltender. Und das liegt nicht bloß an Fragen der Wirtschaftlichkeit. Statik, Brandschutzregeln und Vorgaben des Denkmalschutzes, das hat in den studentischen Betrachtungen keinen Eingang gefunden. Aus Sicht des Großvermieters ist außerdem noch die Frage zentral, wie sich überhaupt erst einmal ein „Grundrauschen“an Mieteinnahmen erzielen lässt. Striegler warnt am Donnerstag davor, etwas zu schaffen, das es woanders in Riesa schon gibt. Ein zweites Hotel etwa oder eine zusätzliche Gastronomie. Da könnte womöglich die Lösung an der einen Stelle in Riesa ein Problem an der anderen nach sich ziehen. Trotzdem sagt auch der Wgrprokurist, man sei offen dafür, sich Ideen zu holen.
Bei der Präsentation der Studenten vom Donnerstag soll es nicht bleiben. Voraussichtlich im September soll eine Broschüre zu ihren Arbeiten vorliegen; auch eine Ausstellung mit den Entwürfen ist vorgesehen. Die Architekturprofessoren aus Dresden wollen das begleiten. „Und auch danach werden wir nicht aus der Welt sein und können sie weiter betreuen“, verspricht Ansgar Schulz in Riesa. Wo in diesem Moment bereits die Debatte beginnt, wie das Reiten auf der Welle am besten gelingt.
Es war schon spektakulär, was die Architekturstudenten da einen Tag lang auf dem Muskatorgelände präsentierten. Vor allem die Bandbreite der Nutzungskonzepte überraschte, ebenso aber auch manch bauliches Detail. Bei all den Visionen ist aber wichtig, die Veranstaltung einzuordnen: Die Studierenden durften sich austoben, ohne finanzielle oder rechtliche Schranken – teils auch, ohne konkret den Zustand einzelner Bauten zu kennen. Auch das erklärte Ziel, den Bereich zur Elbe hin zu öffnen, floss da nicht ein.
Diese Herangehensweise mag mancher realitätsfremd finden. Aber es kann nicht schaden, „den Blick zu weiten“, wie es OB Marco Müller in seiner Abschlussrede formulierte. Eins zu eins wird sich keine der Ideen umsetzen lassen, einfach beiseitewischen muss man sie deshalb
Der zuständige Abgeordnete der Grünenfraktion im Landtag, Thomas Löser, hat in dieser Woche Riesa besucht. Im Rahmen seiner Radtour durch den Wahlkreis standen am Mittwoch und Donnerstag mehrere Stationen in der Stadt und den Ortsteilen auf dem Programm. Gemeinsam mit Gerhard Liebscher, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion, besuchte Löser beispielsweise das Stahlwerk.
Beim Treffen mit Unternehmensvertretern von Feralpi habe man über Industriestrompreis, Wasserstoff und erneuerbare Energieträger gesprochen. „Ich habe ein sehr aufgeschlossenes Unternehmen erlebt, das daran arbeitet, sich zukunftsfähig aufzustellen“, so Löser nach dem Treffen. „Dies kann aber nur gelingen, wenn der Ausbau der Erneuerbaren vor Ort zügig vorangetrieben und die Infrastruktur für den Einsatz von Wasserstoff geschaffen wird. Zudem braucht es zeitnah einen Industriestrompreis. Für mich war interessant zu hören, dass die Unternehmensführung und wir hier die gleichen Forderungen teilen.“Feralpi arbeitet derzeit an der Vision vom „Grünen Stahl“.
Den Schwerpunkt in Lösers Sommertour bildete allerdings der Denkmalschutz – für den Themenbereich ist er auch innerhalb seiner Landtagsfraktion verantwortlich.
Jugendliche wollen das Ernst-grube-stadion wachküssen: Für das am Freitag, 1. September, in der alten Sportstätte geplante Farbfestival haben die Co-organisatoren vom Jugendhilfteträger Outlaw jetzt weitere Details bekannt gegeben: Demnach soll das Fest „Colors For Teens“heißen und von 15 bis 22 Uhr stattfinden. Das Ganze sei „nicht nur ein Farb-musik-festival für Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren, sondern nicht. Denn es gab ja mindestens erste Denkanstöße, die auch für sich genommen interessant genug erscheinen und separat vielleicht etwas zügiger umzusetzen sind. Da wären etwa die Freitreppen mit Sitzmöglichkeiten Richtung Elbe zu nennen, die begrünten Wege durch das Areal hindurch. Ebenso die Idee, den Radtouristen, später mal den Elberadweg an der Stelle nutzen, eine Werkstatt und ein Souvenirgeschäft anzubieten. Das sind Gedanken oder Ziele, die sich im Hinterkopf zu behalten lohnt. Illusionen muss sich deshalb keiner machen: Das Muskatorgelände bleibt ein Mammutprojekt für Riesa, dessen Entwicklung noch Jahrzehnte dauern könnte.
Aber offen daran zu weiterzuarbeiten und sich auszutauschen, das schadet nicht. Bleibt zu hoffen, dass das Kolloquium nur der Anfang war und die Ergebnisse auch wirklich noch einmal detailliert einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So stand eine Besichtigung der preisgekrönten Kirche in Canitz mit auf dem Programm, ebenso wie in Lebenstraumgemeinschaft und Auenwaldschule Jahnishausen und dem Ehrenhain. Auch ein Treffen am Muskator-areal stand auf dem Plan. Dort bestehe „enormes Entwicklungspotenzial“, sagte Löser. Er wolle das Gespräch mit OB Müller suchen und ausloten, „welche Unterstützungsmöglichkeiten es von Landesseite gibt“.
Das Projekt- und Erlebnisgut Göhlis war ebenfalls Teil der Radtour. Dort hatte Löser schon im Vorjahr das Gebäude begutachtet, das der Verein Sprungbrett gerne kaufen möchte. „Ich bin mit dem Verein schon lange in Kontakt und schätze besonders die wichtige Jugendarbeit, die er in Riesa leistet. Es freut mich deshalb sehr, dass der Verein zusätzliche Fördermittel für die Sanierung organisieren konnte. Es ist wichtig, dass jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden, dass diese Mittel auch genutzt werden können.“Sprungbrett hatte bereits 2022 eine Förderzusage in Höhe von 91.000 Euro erhalten. Bis Ende kommenden Jahres müsste das Geld aber verbraucht sein, sonst verfällt die Förderung. wurde auch genau von dieser Altersgruppe erdacht, geplant und vorbereitet“, heißt es vom Träger, der im städtischen Auftrag unter anderem das Offene Jugendhaus betreibt. Neben Farbpulver-aktionen sollen drei DJS auf einer Hängerbühne auftreten; daneben seien mehrere Workshops zum Thema Farben geplant. (SZ)