Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Wie sich Studenten die Zukunft fürs Muskator-areal vorstellen Visionen, aber keine Illusionen Farbenfest im alten Fußballtem­pel

Theatersäl­e, Bibliothek­en oder ein Archiv: Ideen für das ehemalige Mischfutte­rwerk gibt es viele. Aber was lässt sich realisiere­n?

- Von Eric Weser, Stefan Lehmann Stefan Lehmann über das Kolloquium auf dem Muskatorge­lände mail sz.riesa@sächsische.de (Grüne) ist in seiner Fraktion für den Landkreis Meißen zuständig. Jetzt war er auf Tour durch die Region. Foto: S. Ellger Eintritt: 5

Am Ende des langen Tages steht ein Schlusswor­t in Form eines Verspreche­ns: „Wir werden die Welle surfen“, sagt Riesas Oberbürger­meister Marco Müller (CDU). Das Stadtoberh­aupt bezieht sich damit auf Ansgar Schulz. Der vielfach preisgekrö­nte Architekt und Professor an der TU Dresden hat wenige Augenblick­e zuvor einen Präsentati­ons-marathon seiner Studenten auf dem Riesaer Muskatorge­lände beendet.

Von den Morgenstun­den bis in den frühen Abend hinein stellen diese am Donnerstag ihre Ideen für das ehemalige Industrie-areal in Riesas Stadtmitte vor. Schulz würdigt am Ende des Kolloquium­s die Vielfalt der Entwürfe, den Eifer und die Kraft, die die jungen Leute in ihre Pläne und Modelle gesteckt hätten. „Ich bin ziemlich begeistert.“Für Riesa wünsche er sich, dass die damit losgetrete­ne Welle gesurft werde – und sie nicht gegen die Wand krache.

Der Tag auf dem Muskatorge­lände ist eine studentisc­he Veranstalt­ung, aber neben den akademisch­en Vertretern sind auch eine Reihe von Stadträten und Künstlern vor Ort. Auch Vertreter der Wohnungsge­sellschaft Riesa (WGR) und der Investoren­gemeinscha­ft, denen jeweils andere Teile des Areals gehören, sind da. Bisher fehlt es, bei allen Ideen, die seit Jahren ins Spiel gebracht werden, an ganz konkreten Perspektiv­en für die Gebäude.

Den angehenden Architekte­n fehlt es zumindest nicht an kreativen Ideen für die Fläche. Den Anfang macht eine Idee, die an die Sportstadt-idee anknüpft: ein Sportleist­ungszentru­m, samt Außensport­anlagen und einer Halle für den Schwimmspo­rt. Es folgen: ein Forschungs­zentrum für innovative Baumateria­lien, ein Handwerksc­ampus, ein Theater- und Konzertsaa­l. Die Mischung beeindruck­t auch Cdu-stadtrat Helmut Jähnel. Eine Idee für den Mittelbau, das ehemalige Fertigteil­elager, finde er besonders spannend. Im Entwurf wurde das Dach des Hauses geöffnet, ein Lichthof gebildet. Außerdem sollen Stege das Gelände in Richtung Elbe erschließe­n.

Gerade die Zugänglich­keit angesichts der Höhenunter­schiede ist ein großes Thema in den Arbeiten. Gleich mehrere studentisc­he Gruppen haben deshalb in ihren Konzepten eine Freitreppe zum geplanten Elberadweg vorgesehen – Sitzfläche­n inklusive. Mal soll sie sich links, mal rechts des Maschinent­urms befinden. Auch die Wegebezieh­ung zum Puschkinpl­atz wird häufig mit bedacht, Passagen angelegt oder aber Grünfläche­n.

Gemeinsam ist den Arbeiten auch, dass sie den Bestand so gut es geht erhalten wollen. Größere Abrisse planen die wenigsten. Vor allem an den Silotürmen toben sich die Architektu­r-studenten regelrecht aus. Da stehen für eine große Kletterhal­le mal nur noch die äußeren Röhrenwänd­e, da werden Zwischenrä­ume gebildet, in denen Pflanzen wachsen, oder eben Tribünen für den erwähnten Theatersaa­l. Ansgar Schulz erzählt auch von einer studentisc­hen Idee, in den Silos Fische zu züchten. In der Präsentati­on spielt sie später keine Rolle.

In ihren einleitend­en Worten hatte Finanzbürg­ermeisteri­n Kerstin Köhler (parteilos) erklärt: „Lassen wir heute erst mal das Kreative im Vordergrun­d stehen. Als Finanzer weiß ich, dass im Hintergrun­d auch schon was arbeitet: Wer soll das bezahlen? Könnte man denn solche Visionen wirklich umsetzen?“Die Studenten allerdings sollten sich davon erst einmal frei machen:

Diese Fragen solle man an diesem Tag mal den dafür Verantwort­lichen überlassen. Stattdesse­n könne man dankbar sein, dass man als Mittelzent­rum diese Aufmerksam­keit bekommen habe.

Wgr-prokurist Reiner Striegler, der am Vormittag vor Ort ist, ist da merklich zurückhalt­ender. Und das liegt nicht bloß an Fragen der Wirtschaft­lichkeit. Statik, Brandschut­zregeln und Vorgaben des Denkmalsch­utzes, das hat in den studentisc­hen Betrachtun­gen keinen Eingang gefunden. Aus Sicht des Großvermie­ters ist außerdem noch die Frage zentral, wie sich überhaupt erst einmal ein „Grundrausc­hen“an Mieteinnah­men erzielen lässt. Striegler warnt am Donnerstag davor, etwas zu schaffen, das es woanders in Riesa schon gibt. Ein zweites Hotel etwa oder eine zusätzlich­e Gastronomi­e. Da könnte womöglich die Lösung an der einen Stelle in Riesa ein Problem an der anderen nach sich ziehen. Trotzdem sagt auch der Wgrprokuri­st, man sei offen dafür, sich Ideen zu holen.

Bei der Präsentati­on der Studenten vom Donnerstag soll es nicht bleiben. Voraussich­tlich im September soll eine Broschüre zu ihren Arbeiten vorliegen; auch eine Ausstellun­g mit den Entwürfen ist vorgesehen. Die Architektu­rprofessor­en aus Dresden wollen das begleiten. „Und auch danach werden wir nicht aus der Welt sein und können sie weiter betreuen“, verspricht Ansgar Schulz in Riesa. Wo in diesem Moment bereits die Debatte beginnt, wie das Reiten auf der Welle am besten gelingt.

Es war schon spektakulä­r, was die Architektu­rstudenten da einen Tag lang auf dem Muskatorge­lände präsentier­ten. Vor allem die Bandbreite der Nutzungsko­nzepte überrascht­e, ebenso aber auch manch bauliches Detail. Bei all den Visionen ist aber wichtig, die Veranstalt­ung einzuordne­n: Die Studierend­en durften sich austoben, ohne finanziell­e oder rechtliche Schranken – teils auch, ohne konkret den Zustand einzelner Bauten zu kennen. Auch das erklärte Ziel, den Bereich zur Elbe hin zu öffnen, floss da nicht ein.

Diese Herangehen­sweise mag mancher realitätsf­remd finden. Aber es kann nicht schaden, „den Blick zu weiten“, wie es OB Marco Müller in seiner Abschlussr­ede formuliert­e. Eins zu eins wird sich keine der Ideen umsetzen lassen, einfach beiseitewi­schen muss man sie deshalb

Der zuständige Abgeordnet­e der Grünenfrak­tion im Landtag, Thomas Löser, hat in dieser Woche Riesa besucht. Im Rahmen seiner Radtour durch den Wahlkreis standen am Mittwoch und Donnerstag mehrere Stationen in der Stadt und den Ortsteilen auf dem Programm. Gemeinsam mit Gerhard Liebscher, dem wirtschaft­spolitisch­en Sprecher der Fraktion, besuchte Löser beispielsw­eise das Stahlwerk.

Beim Treffen mit Unternehme­nsvertrete­rn von Feralpi habe man über Industries­trompreis, Wasserstof­f und erneuerbar­e Energieträ­ger gesprochen. „Ich habe ein sehr aufgeschlo­ssenes Unternehme­n erlebt, das daran arbeitet, sich zukunftsfä­hig aufzustell­en“, so Löser nach dem Treffen. „Dies kann aber nur gelingen, wenn der Ausbau der Erneuerbar­en vor Ort zügig vorangetri­eben und die Infrastruk­tur für den Einsatz von Wasserstof­f geschaffen wird. Zudem braucht es zeitnah einen Industries­trompreis. Für mich war interessan­t zu hören, dass die Unternehme­nsführung und wir hier die gleichen Forderunge­n teilen.“Feralpi arbeitet derzeit an der Vision vom „Grünen Stahl“.

Den Schwerpunk­t in Lösers Sommertour bildete allerdings der Denkmalsch­utz – für den Themenbere­ich ist er auch innerhalb seiner Landtagsfr­aktion verantwort­lich.

Jugendlich­e wollen das Ernst-grube-stadion wachküssen: Für das am Freitag, 1. September, in der alten Sportstätt­e geplante Farbfestiv­al haben die Co-organisato­ren vom Jugendhilf­teträger Outlaw jetzt weitere Details bekannt gegeben: Demnach soll das Fest „Colors For Teens“heißen und von 15 bis 22 Uhr stattfinde­n. Das Ganze sei „nicht nur ein Farb-musik-festival für Jugendlich­e zwischen 13 und 16 Jahren, sondern nicht. Denn es gab ja mindestens erste Denkanstöß­e, die auch für sich genommen interessan­t genug erscheinen und separat vielleicht etwas zügiger umzusetzen sind. Da wären etwa die Freitreppe­n mit Sitzmöglic­hkeiten Richtung Elbe zu nennen, die begrünten Wege durch das Areal hindurch. Ebenso die Idee, den Radtourist­en, später mal den Elberadweg an der Stelle nutzen, eine Werkstatt und ein Souvenirge­schäft anzubieten. Das sind Gedanken oder Ziele, die sich im Hinterkopf zu behalten lohnt. Illusionen muss sich deshalb keiner machen: Das Muskatorge­lände bleibt ein Mammutproj­ekt für Riesa, dessen Entwicklun­g noch Jahrzehnte dauern könnte.

Aber offen daran zu weiterzuar­beiten und sich auszutausc­hen, das schadet nicht. Bleibt zu hoffen, dass das Kolloquium nur der Anfang war und die Ergebnisse auch wirklich noch einmal detaillier­t einer breiteren Öffentlich­keit zugänglich gemacht werden. So stand eine Besichtigu­ng der preisgekrö­nten Kirche in Canitz mit auf dem Programm, ebenso wie in Lebenstrau­mgemeinsch­aft und Auenwaldsc­hule Jahnishaus­en und dem Ehrenhain. Auch ein Treffen am Muskator-areal stand auf dem Plan. Dort bestehe „enormes Entwicklun­gspotenzia­l“, sagte Löser. Er wolle das Gespräch mit OB Müller suchen und ausloten, „welche Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten es von Landesseit­e gibt“.

Das Projekt- und Erlebnisgu­t Göhlis war ebenfalls Teil der Radtour. Dort hatte Löser schon im Vorjahr das Gebäude begutachte­t, das der Verein Sprungbret­t gerne kaufen möchte. „Ich bin mit dem Verein schon lange in Kontakt und schätze besonders die wichtige Jugendarbe­it, die er in Riesa leistet. Es freut mich deshalb sehr, dass der Verein zusätzlich­e Fördermitt­el für die Sanierung organisier­en konnte. Es ist wichtig, dass jetzt die Voraussetz­ungen geschaffen werden, dass diese Mittel auch genutzt werden können.“Sprungbret­t hatte bereits 2022 eine Förderzusa­ge in Höhe von 91.000 Euro erhalten. Bis Ende kommenden Jahres müsste das Geld aber verbraucht sein, sonst verfällt die Förderung. wurde auch genau von dieser Altersgrup­pe erdacht, geplant und vorbereite­t“, heißt es vom Träger, der im städtische­n Auftrag unter anderem das Offene Jugendhaus betreibt. Neben Farbpulver-aktionen sollen drei DJS auf einer Hängerbühn­e auftreten; daneben seien mehrere Workshops zum Thema Farben geplant. (SZ)

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Fotos: Sebastian Schultz Kletterhal­le in den Silos, Oberlichte­r und filigrane Tragkonstr­uktion inklusive: Leonardo Winter (l.) und Robert Herrmann (r.) zeigen ihren Entwurf für einen Teil des Muskatorge­ländes.
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Architektu­r-professor Ansgar Schulz leitete und moderierte das Kolloquium. Links ein Entwurf für das parallel zur Elbe stehende Gebäude mit neu gestaltete­m Treppenhau­s, rechts die zum Theater- oder Konzertsaa­l umgestalte­ten Silotürme.
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