Sächsische Zeitung (Großenhain)
Wie sich ein Schlaganfall erkennen und behandeln lässt
Der Schlaganfall, eine plötzlich einsetzende Störung in der Blutversorgung des Gehirns, gehört zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland.
Laut der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe sind jährlich circa 270.000 Menschen betroffen. Seit mehr als zehn Jahren gibt es am Elblandklinikum Meißen die Stroke Unit, eine hoch spezialisierte und fachübergreifend arbeitende Akut-einrichtung für Schlaganfallpatienten. Sie arbeitet rund um die Uhr und steht immer parat, denn schnelle Hilfe ist entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf.
Dr. Johannes Etzrodt ist Oberarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der Stroke Unit am Elblandklinikum Meißen. Beim Sz-gesundheitsforum am 23. August 2023 können Interessierte von ihm Informationen über neueste Behandlungsmethoden erhalten und ihre Fragen stellen.
Herr Dr. Etzrodt, was sind die Anzeichen eines Schlaganfalls? Wie sollten Betroffene und Angehörige reagieren?
Der Schlaganfall ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn, welche meist durch einen Gefäßverschluss verursacht wird. Wie der Name schon vermuten lässt, fällt der Schlaganfall durch schlagartige Ausfälle wichtiger Körperfunktionen auf. Das sind zumeist Lähmungen oder Taubheitsgefühle einer Körperhälfte. Der plötzlich hängende Mundwinkel ist ein typisches Zeichen. Auch eine verwaschene Sprache, Schluckstörungen oder eine plötzliche Gangunsicherheit treten häufig auf. Abrupte Schwierigkeiten in der Sprachbildung oder im Sprachverständnis sind ebenso wie mit einem Male auftretende Sehstörungen auf einer Seite wichtige Anzeichen. (Schwindel und Kopfschmerzen werden zwar häufig mit Schlaganfällen in Verbindung gebracht, können jedoch viele Ursachen haben. Diese sollten natürlich auch zeitnah abgeklärt werden.) Besonders bei einer kürzlich aufgetretenen Einschränkung relevanter Körperfunktionen wie dem Laufen, Greifen, Schlucken, Sprechen oder Sehen ist eine unverzügliche medizinische Untersuchung im nächstgelegenen Krankenhaus notwendig. Nur nach rascher, zeitnaher Vorstellung können wir das Gehirngewebe vor dem dauerhaften Untergang bewahren und versuchen, die Funktionen wieder herzustellen. Deshalb gilt in solchen Fällen: Jeder Schlaganfallverdacht ist ein Notfall! Bitte die 112 wählen und den Rettungsdienst rufen!
Welche diagnostischen Verfahren wenden Sie im Elblandklinikum Meißen zur Abklärung an?
Natürlich sprechen wir zu Beginn mit unseren Patienten – die genaue Erhebung ihrer (neuen) Beschwerden, deren Dauer und der im Notfall relevanten Begleiterkrankungen
werden als „diagnostisches Verfahren“oft unterschätzt. Dafür braucht es jedoch einige Erfahrung, die auf unserer Stroke Unit täglich vermittelt wird. Ebenso ist eine Untersuchung aller neurologischen Funktionen unabdingbar. Mein Team ist speziell dafür ausgebildet, im Notfall zielgerichtet und in kürzester Zeit einen Überblick über alle relevanten Ausfälle zu erlangen. Bestätigt sich der Schlaganfallverdacht, wird eine Computertomografie (kurz CT) sowie eine Gefäßdarstellung mit Kontrastmittel und erneutem CT des Gehirns
und der hirnversorgenden Gefäße durchgeführt. Brauchen wir weitere Informationen, zum Beispiel bei unsicherer Diagnose oder schon Stunden zurückliegendem Ereignis, wird eine Magnetresonanztomografie, also eine Gewebedarstellung des Gehirns mittels starker Magnetspulen, ergänzt. Diese liefert genauere Bilder und Aussagen über das noch rettbare Gewebe, dauert jedoch deutlich länger.
Welche nächsten therapeutischen Maßnahmen schließen sich bei bestätigter Diagnose an?
Ist ein Schlaganfall durch einen Gefäßverschluss bestätigt, versuchen wir die Wiedereröffnung, um das Gehirngewebe bestmöglich zu retten. In den ersten Stunden nach dem Schlaganfall kann oft ein Medikament gespritzt werden, dass Blutgerinnsel wieder auflöst – die sogenannte Thrombolysetherapie. Das passiert allerdings im gesamten Körper, weshalb diese nicht risikofreie Therapie nicht bei allen Patienten möglich ist. Sie ist umso ungefährlicher und wirksamer, je zeitiger wir handeln können. Deshalb noch mal: Jeder Schlaganfall ist ein Notfall – immer 112 anrufen! An der Tür unserer Notaufnahme steht ein gut trainiertes Team bereit, um mit standardisierten Abläufen möglichst rasch eine Thrombolysetherapie einleiten zu können. Bei einem Verschluss eines großen Hirngefäßes reicht dies nicht aus, so dass dann oft im Rahmen eines Eingriffes – mit einem langen Draht, einem sogenannten Katheter
– das Blutgerinnsel herausgeholt wird. Da dieser Eingriff einen speziellen Eingriffsraum braucht, verlegen wir die Patienten dann in die Universitätsklinik oder das Städtische Klinikum Dresden weiter. Unser extra dafür aufgebautes Netzwerk macht hier eine schnellstmögliche Weiterbehandlung möglich. In der Regel erfolgt die weitere Überwachung und Therapie aber auf unserer Schlaganfallstation (engl. Stroke Unit.) Hier suchen wir von Beginn an nach möglichen Ursachen, um weitere Schlaganfälle zu verhindern. Wir überwachen die Herz-kreislauf-funktion, alle neurologischen Funktionen und insbesondere die Schluckfähigkeit, damit der Schlaganfall nicht zu weiteren Komplikationen wie Blutdruckkrisen oder Lungenentzündungen führt. Unsere Logopädinnen prüfen täglich, die Schluckfunktion und schon am ersten Tag der Behandlung finden Therapien zur Wiederherstellung wie Sprechübungen, Handtraining und Gangschulung statt. Damit kann der Weg von unserer Stroke Unit in die eventuell notwendige Rehabilitation rasch und reibungslos erfolgen und etwaige Ausfälle werden sich hoffentlich bald zurückbilden.