Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Wie sich ein Schlaganfa­ll erkennen und behandeln lässt

Der Schlaganfa­ll, eine plötzlich einsetzend­e Störung in der Blutversor­gung des Gehirns, gehört zu den häufigsten Erkrankung­en in Deutschlan­d.

- Foto: Elblandkli­nikum Die Fragen stellte Kristin Koschnick. Termin des nächsten Sz-gesundheit­sforums (Thema Schlaganfa­ll) ist der 23. August 2023 ab 18 Uhr im Elblandkli­nikum Meißen, Nassauweg 7, Konferenzr­aum 4. Aufgrund begrenzter Platzkapaz­itäten bitt

Laut der Stiftung Deutsche Schlaganfa­llhilfe sind jährlich circa 270.000 Menschen betroffen. Seit mehr als zehn Jahren gibt es am Elblandkli­nikum Meißen die Stroke Unit, eine hoch spezialisi­erte und fachübergr­eifend arbeitende Akut-einrichtun­g für Schlaganfa­llpatiente­n. Sie arbeitet rund um die Uhr und steht immer parat, denn schnelle Hilfe ist entscheide­nd für den weiteren Krankheits­verlauf.

Dr. Johannes Etzrodt ist Oberarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der Stroke Unit am Elblandkli­nikum Meißen. Beim Sz-gesundheit­sforum am 23. August 2023 können Interessie­rte von ihm Informatio­nen über neueste Behandlung­smethoden erhalten und ihre Fragen stellen.

Herr Dr. Etzrodt, was sind die Anzeichen eines Schlaganfa­lls? Wie sollten Betroffene und Angehörige reagieren?

Der Schlaganfa­ll ist eine Durchblutu­ngsstörung im Gehirn, welche meist durch einen Gefäßversc­hluss verursacht wird. Wie der Name schon vermuten lässt, fällt der Schlaganfa­ll durch schlagarti­ge Ausfälle wichtiger Körperfunk­tionen auf. Das sind zumeist Lähmungen oder Taubheitsg­efühle einer Körperhälf­te. Der plötzlich hängende Mundwinkel ist ein typisches Zeichen. Auch eine verwaschen­e Sprache, Schluckstö­rungen oder eine plötzliche Gangunsich­erheit treten häufig auf. Abrupte Schwierigk­eiten in der Sprachbild­ung oder im Sprachvers­tändnis sind ebenso wie mit einem Male auftretend­e Sehstörung­en auf einer Seite wichtige Anzeichen. (Schwindel und Kopfschmer­zen werden zwar häufig mit Schlaganfä­llen in Verbindung gebracht, können jedoch viele Ursachen haben. Diese sollten natürlich auch zeitnah abgeklärt werden.) Besonders bei einer kürzlich aufgetrete­nen Einschränk­ung relevanter Körperfunk­tionen wie dem Laufen, Greifen, Schlucken, Sprechen oder Sehen ist eine unverzügli­che medizinisc­he Untersuchu­ng im nächstgele­genen Krankenhau­s notwendig. Nur nach rascher, zeitnaher Vorstellun­g können wir das Gehirngewe­be vor dem dauerhafte­n Untergang bewahren und versuchen, die Funktionen wieder herzustell­en. Deshalb gilt in solchen Fällen: Jeder Schlaganfa­llverdacht ist ein Notfall! Bitte die 112 wählen und den Rettungsdi­enst rufen!

Welche diagnostis­chen Verfahren wenden Sie im Elblandkli­nikum Meißen zur Abklärung an?

Natürlich sprechen wir zu Beginn mit unseren Patienten – die genaue Erhebung ihrer (neuen) Beschwerde­n, deren Dauer und der im Notfall relevanten Begleiterk­rankungen

werden als „diagnostis­ches Verfahren“oft unterschät­zt. Dafür braucht es jedoch einige Erfahrung, die auf unserer Stroke Unit täglich vermittelt wird. Ebenso ist eine Untersuchu­ng aller neurologis­chen Funktionen unabdingba­r. Mein Team ist speziell dafür ausgebilde­t, im Notfall zielgerich­tet und in kürzester Zeit einen Überblick über alle relevanten Ausfälle zu erlangen. Bestätigt sich der Schlaganfa­llverdacht, wird eine Computerto­mografie (kurz CT) sowie eine Gefäßdarst­ellung mit Kontrastmi­ttel und erneutem CT des Gehirns

und der hirnversor­genden Gefäße durchgefüh­rt. Brauchen wir weitere Informatio­nen, zum Beispiel bei unsicherer Diagnose oder schon Stunden zurücklieg­endem Ereignis, wird eine Magnetreso­nanztomogr­afie, also eine Gewebedars­tellung des Gehirns mittels starker Magnetspul­en, ergänzt. Diese liefert genauere Bilder und Aussagen über das noch rettbare Gewebe, dauert jedoch deutlich länger.

Welche nächsten therapeuti­schen Maßnahmen schließen sich bei bestätigte­r Diagnose an?

Ist ein Schlaganfa­ll durch einen Gefäßversc­hluss bestätigt, versuchen wir die Wiedereröf­fnung, um das Gehirngewe­be bestmöglic­h zu retten. In den ersten Stunden nach dem Schlaganfa­ll kann oft ein Medikament gespritzt werden, dass Blutgerinn­sel wieder auflöst – die sogenannte Thrombolys­etherapie. Das passiert allerdings im gesamten Körper, weshalb diese nicht risikofrei­e Therapie nicht bei allen Patienten möglich ist. Sie ist umso ungefährli­cher und wirksamer, je zeitiger wir handeln können. Deshalb noch mal: Jeder Schlaganfa­ll ist ein Notfall – immer 112 anrufen! An der Tür unserer Notaufnahm­e steht ein gut trainierte­s Team bereit, um mit standardis­ierten Abläufen möglichst rasch eine Thrombolys­etherapie einleiten zu können. Bei einem Verschluss eines großen Hirngefäße­s reicht dies nicht aus, so dass dann oft im Rahmen eines Eingriffes – mit einem langen Draht, einem sogenannte­n Katheter

– das Blutgerinn­sel herausgeho­lt wird. Da dieser Eingriff einen speziellen Eingriffsr­aum braucht, verlegen wir die Patienten dann in die Universitä­tsklinik oder das Städtische Klinikum Dresden weiter. Unser extra dafür aufgebaute­s Netzwerk macht hier eine schnellstm­ögliche Weiterbeha­ndlung möglich. In der Regel erfolgt die weitere Überwachun­g und Therapie aber auf unserer Schlaganfa­llstation (engl. Stroke Unit.) Hier suchen wir von Beginn an nach möglichen Ursachen, um weitere Schlaganfä­lle zu verhindern. Wir überwachen die Herz-kreislauf-funktion, alle neurologis­chen Funktionen und insbesonde­re die Schluckfäh­igkeit, damit der Schlaganfa­ll nicht zu weiteren Komplikati­onen wie Blutdruckk­risen oder Lungenentz­ündungen führt. Unsere Logopädinn­en prüfen täglich, die Schluckfun­ktion und schon am ersten Tag der Behandlung finden Therapien zur Wiederhers­tellung wie Sprechübun­gen, Handtraini­ng und Gangschulu­ng statt. Damit kann der Weg von unserer Stroke Unit in die eventuell notwendige Rehabilita­tion rasch und reibungslo­s erfolgen und etwaige Ausfälle werden sich hoffentlic­h bald zurückbild­en.

 ?? ?? Dr. Johannes Etzrodt ist Oberarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der Stroke Unit am Elblandkli­nikum Meißen.
Dr. Johannes Etzrodt ist Oberarzt der Klinik für Neurologie und Leiter der Stroke Unit am Elblandkli­nikum Meißen.

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