Sächsische Zeitung (Großenhain)
Was machen Hunde im Radebeuler Seniorenheim?
Die Schnüffelnasen Carlos und Moses besuchen zweimal im Monat die Seniorenresidenz „Rosengarten“- mit einer besonderen Mission.
Carlos ist zweifellos der Star. Jeder möchte den Schäferhund einmal streicheln. „Er wiegt 35 Kilo“, sagt Hundetrainer Jörg Ulbricht. „Das Fell trägt auch auf. So dick ist er gar nicht“, scherzt er weiter im Gespräch mit einer Seniorin.
Lebensgeister wecken
16 Bewohner der Seniorenresidenz „Rosengarten“sind am Vormittag in der Gemeinschaftsecke ihres Wohnbereiches zusammengekommen. Jörg Ulbricht geht mit Schäferhund Carlos reihum. Jeder darf das sanfte und ruhige Tier streicheln oder mit den Fingern durch das Fell fahren. Bei einer Bewohnerin werden Erinnerungen wach. Sie hatte auch einmal einen Vierbeiner besessen. „Er war ein Mischling und wurde 19 Jahre alt“, erzählt sie. Für einen Hund ist das schon ein biblisches Alter. Während Jörg Ulbricht mit den Bewohnern im Gemeinschaftsraum
plauscht, geht seine Ehefrau Manuela Ulbricht von Zimmer zu Zimmer. Sie hat den bulgarischen Mischling Moses bei sich. Auf dem Bett nimmt dieser neben Hans Winkler Platz. Auch der bettlägerige Mann beginnt, das weiche Fell von Moses zu streicheln. Ab und an hilft ihm seine Frau Renate Winkler, indem sie seine Hand führt. „Das ist schön“, sagt Hundelehrerin Manuela Ulbricht. Und Hans Winkler nickt mit strahlenden Augen und einem Lächeln auf dem Mund.
Seit 1995 betreibt das Ehepaar Ulbricht in Freital eine Hundeschule. Zu ihrem Angebot gehört seit 2007 auch ein tiertherapeutischer Sozialbesuchshundeservice. Mit speziell geschulten Vierbeinern, wie Carlos und Moses, suchen sie Alten- und Pflegeheime sowie Förder- und Kindereinrichtungen in der Region auf. In den Radebeuler „Rosengarten“kommen sie seit 14 Jahren zweimal im Monat.
Anderthalb Stunden nehmen Jörg und Manuela Ulbricht mit ihren Therapiehunden sich für die Bewohner bei einem ihrer Besuche Zeit. Durch die Begegnung sollen die Hunde bei den Senioren die Lebensgeister wecken. Das Berühren des Fells und das Streicheln löse Reize aus, berichtet Jörg Ulbricht. Diese wecken Erinnerungen. In der großen Runde beginnen die Heimbewohner zu erzählen, zum Beispiel von den eigenen Tieren, mit denen sie früher zusammengelebt haben. Mit den Gesprächen bleiben sie geistig mobil.
Oder versteckte Lebenskräfte werden wieder geweckt, wie bei den individuellen Begegnungen auf den Zimmern. So ein Hund kann dabei Wunder bewirken. Einige Bettlägerige sind sehr verschlossen und in sich gekehrt. Doch wenn eine Hundeschnauze sich ihrer Hand nähert oder Moses seinen Kopf in diese legt, öffnen sie sich, werden aktiv, sei es mit Streicheln, einem Lächeln oder strahlenden Augen. Hans Winkler tut der Besuch von Hund Moses sichtlich gut. „Wir haben früher eine Katze gehabt“, berichtet seine Frau Renate Winkler. Schon als Kinder waren sie von Tieren umgeben. Vielleicht erinnert sich ihr Mann gerade an diese.
Nicht nur Hunde
In der Seniorenresidenz „Rosengarten“sind Moses und Carlos nicht die einzigen tierischen Begleiter. Im Foyer der Einrichtung an der Hohen Straße 2 zwitschern in einer
Voliere Wellensittiche. Zu den dauerhaften Bewohnern gehören auch Kaninchen. Auch diese sind zum Berühren und Streicheln da. Dabei können sich die Senioren unter anderem entspannen. Ziel aller Bemühungen der Pfleger sowie ihrer Angebote ist, das möglichst lange Aufrechterhalten eigener Fähigkeiten. Vorrang hat dabei das Fördern und Ermutigen zur selbstständigen Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens. Die geistigen Fähigkeiten werden durch Beschäftigungsangebote, die die Bewohner fördern, aber nicht überfordern, unterstützt. Zu ihnen gehören die Besuche von Schäferhund Carlos und Mischling Moses.
Damit die Bewohner geistig agil bleiben, kommen Jörg und Manuela Ulbricht nicht nur mit den tierischen Freunden in das Haus. Ab und an bringen sie auch Instrumente mit, um Musik zu machen. Zudem filmen sie viele ihrer Aktivitäten, zu denen neben Welpenschule, Anti-jagd-training oder die Ausbildung zum Therapiehund unter anderem auch Wildnispädagogik, Wandern und Naturexkursionen zählen. Diese führen unter anderem in die Sächsische Schweiz, das Osterzgebirge oder die Hohe Tatra. In Filmvorträgen berichten sie den Heimbewohnern davon. Die Bilder rufen bei diesen Erinnerungen an eigene Wanderungen und Abenteuer wach.