Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Was machen Hunde im Radebeuler Seniorenhe­im?

Die Schnüffeln­asen Carlos und Moses besuchen zweimal im Monat die Seniorenre­sidenz „Rosengarte­n“- mit einer besonderen Mission.

- Von Silvio Kuhnert Foto: Norbert Millauer

Carlos ist zweifellos der Star. Jeder möchte den Schäferhun­d einmal streicheln. „Er wiegt 35 Kilo“, sagt Hundetrain­er Jörg Ulbricht. „Das Fell trägt auch auf. So dick ist er gar nicht“, scherzt er weiter im Gespräch mit einer Seniorin.

Lebensgeis­ter wecken

16 Bewohner der Seniorenre­sidenz „Rosengarte­n“sind am Vormittag in der Gemeinscha­ftsecke ihres Wohnbereic­hes zusammenge­kommen. Jörg Ulbricht geht mit Schäferhun­d Carlos reihum. Jeder darf das sanfte und ruhige Tier streicheln oder mit den Fingern durch das Fell fahren. Bei einer Bewohnerin werden Erinnerung­en wach. Sie hatte auch einmal einen Vierbeiner besessen. „Er war ein Mischling und wurde 19 Jahre alt“, erzählt sie. Für einen Hund ist das schon ein biblisches Alter. Während Jörg Ulbricht mit den Bewohnern im Gemeinscha­ftsraum

plauscht, geht seine Ehefrau Manuela Ulbricht von Zimmer zu Zimmer. Sie hat den bulgarisch­en Mischling Moses bei sich. Auf dem Bett nimmt dieser neben Hans Winkler Platz. Auch der bettlägeri­ge Mann beginnt, das weiche Fell von Moses zu streicheln. Ab und an hilft ihm seine Frau Renate Winkler, indem sie seine Hand führt. „Das ist schön“, sagt Hundelehre­rin Manuela Ulbricht. Und Hans Winkler nickt mit strahlende­n Augen und einem Lächeln auf dem Mund.

Seit 1995 betreibt das Ehepaar Ulbricht in Freital eine Hundeschul­e. Zu ihrem Angebot gehört seit 2007 auch ein tiertherap­eutischer Sozialbesu­chshundese­rvice. Mit speziell geschulten Vierbeiner­n, wie Carlos und Moses, suchen sie Alten- und Pflegeheim­e sowie Förder- und Kindereinr­ichtungen in der Region auf. In den Radebeuler „Rosengarte­n“kommen sie seit 14 Jahren zweimal im Monat.

Anderthalb Stunden nehmen Jörg und Manuela Ulbricht mit ihren Therapiehu­nden sich für die Bewohner bei einem ihrer Besuche Zeit. Durch die Begegnung sollen die Hunde bei den Senioren die Lebensgeis­ter wecken. Das Berühren des Fells und das Streicheln löse Reize aus, berichtet Jörg Ulbricht. Diese wecken Erinnerung­en. In der großen Runde beginnen die Heimbewohn­er zu erzählen, zum Beispiel von den eigenen Tieren, mit denen sie früher zusammenge­lebt haben. Mit den Gesprächen bleiben sie geistig mobil.

Oder versteckte Lebenskräf­te werden wieder geweckt, wie bei den individuel­len Begegnunge­n auf den Zimmern. So ein Hund kann dabei Wunder bewirken. Einige Bettlägeri­ge sind sehr verschloss­en und in sich gekehrt. Doch wenn eine Hundeschna­uze sich ihrer Hand nähert oder Moses seinen Kopf in diese legt, öffnen sie sich, werden aktiv, sei es mit Streicheln, einem Lächeln oder strahlende­n Augen. Hans Winkler tut der Besuch von Hund Moses sichtlich gut. „Wir haben früher eine Katze gehabt“, berichtet seine Frau Renate Winkler. Schon als Kinder waren sie von Tieren umgeben. Vielleicht erinnert sich ihr Mann gerade an diese.

Nicht nur Hunde

In der Seniorenre­sidenz „Rosengarte­n“sind Moses und Carlos nicht die einzigen tierischen Begleiter. Im Foyer der Einrichtun­g an der Hohen Straße 2 zwitschern in einer

Voliere Wellensitt­iche. Zu den dauerhafte­n Bewohnern gehören auch Kaninchen. Auch diese sind zum Berühren und Streicheln da. Dabei können sich die Senioren unter anderem entspannen. Ziel aller Bemühungen der Pfleger sowie ihrer Angebote ist, das möglichst lange Aufrechter­halten eigener Fähigkeite­n. Vorrang hat dabei das Fördern und Ermutigen zur selbststän­digen Ausführung der Aktivitäte­n des täglichen Lebens. Die geistigen Fähigkeite­n werden durch Beschäftig­ungsangebo­te, die die Bewohner fördern, aber nicht überforder­n, unterstütz­t. Zu ihnen gehören die Besuche von Schäferhun­d Carlos und Mischling Moses.

Damit die Bewohner geistig agil bleiben, kommen Jörg und Manuela Ulbricht nicht nur mit den tierischen Freunden in das Haus. Ab und an bringen sie auch Instrument­e mit, um Musik zu machen. Zudem filmen sie viele ihrer Aktivitäte­n, zu denen neben Welpenschu­le, Anti-jagd-training oder die Ausbildung zum Therapiehu­nd unter anderem auch Wildnispäd­agogik, Wandern und Naturexkur­sionen zählen. Diese führen unter anderem in die Sächsische Schweiz, das Osterzgebi­rge oder die Hohe Tatra. In Filmvorträ­gen berichten sie den Heimbewohn­ern davon. Die Bilder rufen bei diesen Erinnerung­en an eigene Wanderunge­n und Abenteuer wach.

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Hundetrain­erin Manuela Ulbricht hat Therapiehu­nd Moses an das Bett von Hans Winkler gebracht und führt dessen Hand zum Streicheln. Das gefällt sichtlich nicht nur dem Vierbeiner.

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