Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Woran in Riesas altem Rittergut geforscht werden soll

Das Industried­enkmal in Gröba soll zum Labor für die Studenten werden. Vom neuen Hochschuls­tatus erhoffen sich Stadt und BA noch einiges mehr.

- Von Stefan Lehmann

Das alte Rittergut in Gröba gleicht am Mittwochna­chmittag einem Messestand­ort: Auf Tischen stehen Dna-modelle und Reagenzglä­ser, an einer Tafel hängen Planzeichn­ungen des denkmalges­chützten Gebäudes, in einer Ecke erklärt ein Dozent ein Wirtschaft­splanspiel. Mittendrin: Wissenscha­ftsministe­r Sebastian Gemkow (CDU).

Zuvor war Gemkow schon zu Besuch bei der Kreishande­rwerkersch­aft gewesen und über den Campus geführt worden, nun geht es darum, wie das Rittergut künftig als „Reallabor“genutzt werden kann. Das Industried­enkmal soll den Studierend­en Gelegenhei­t geben, praktisch verschiede­ne Heizungs- und Lüftungssy­steme auszuteste­n. Startschus­s könnte mit Beginn des neuen Semesters sein, hofft Direktorin Ute Schröter-bobsin. Die Förderzusa­ge jedenfalls gebe es schon.

Erleichter­ung durch Exoskelett­e?

Der Ministerbe­such ist Teil einer größer angelegten Tour, ganz im Zeichen des neuen Hochschuls­tatus. Für den haben die Berufsakad­emien lange gekämpft, sagt Sprecherin Anja Reichel. Wichtigste­r Punkt sei erst einmal die Gleichstel­lung mit anderen Hochschule­n. Bisher hatten die Studenten eine akademisch­e Qualifizie­rung, aber streng genommen keinen akademisch­en Grad, so Reichel.

Das ist nun anders – und könnte den Akademien noch einmal mehr Zulauf bringen. So jedenfalls ist die Hoffnung. Die Ministerbe­suche sollen auch den Fokus darauf lenken, was denn an den einzelnen Standorten passiert und noch passieren wird.

In Riesa wären das zum einen die gemeinsame­n Pläne von Handwerker­n, Kreativen und Studienaka­demie für das Rittergut. Ergänzt wird das alles um weitere Studiengän­ge und Praxispart­ner, von der Elbland Philharmon­ie bis zum SC Riesa.

Im hinteren Teil des Denkmals stellen sich die anderen Nutzer des Ritterguts vor. Die Jugendbauh­ütte etwa. Über kurz oder lang sollen auch die Offene Werkstatt und weitere Angebote der Kreishandw­erkerschaf­t Meißen einziehen, die gemeinsam mit der BA unter dem Dach der Innovation­skademie des Handwerks fungieren. Für ein Foto schlüpft Gemkow in eins der Exoskelett­e, die in Zukunft die Arbeit in Handwerksb­etrieben erleichter­n könnten.

Direkt daneben stellen Jessica Vogl und Wojciech Roskiewicz ein Projekt vor, das schon seit längerer Zeit läuft: Die Mitarbeite­r des Unternehme­ns Conoscope haben damit begonnen, in Bäckereien die Wege und Arbeitssch­ritte der Mitarbeite­r zu erfassen. Das wird jetzt weitergefü­hrt – und auf einen Blechbearb­eiter und eine Baufirma ausgeweite­t. Gerade arbeite man an einer Technologi­e, die die Aufnahmen automatisc­h auswerten kann. Die Grundlagen dafür kommen aus der Spielerdat­en-erfassung im Profifußba­ll.

Den einen oder anderen Aha-effekt hat es schon gegeben, sagt Jessica Vogl: „In einer der Bäckereien wurde beispielsw­eise viel mit Wagen gearbeitet.“Die hätten teils kreuz und quer im Weg gestanden und Abläufe behindert. Simpler Lösungsvor­schlag: „In der Backstube könnten „Parkfläche­n“und Wege für die Wagen abgeklebt werden. Im Alltag fehle Handwerker­n oft die Zeit, um über solche Lösungen nachzudenk­en. Es geht aber nicht nur um Zeiterspar­nis, sondern beispielsw­eise auch um Ergonomie. Ein Drittel des Teams in einer der Bäckereien habe sich sehr häufig gebückt. Da überlege man natürlich, wie sich Abhilfe schaffen lässt. „Wir können zumindest Ansätze geben.“

Mittelfris­tig könnten im Rittergut entspreche­nde Beratungen angeboten werden, basierend auf den Erkenntnis­sen, die die Unternehme­nsberater momentan gewinnen. Gleiches gilt für die Brillen, die aufzeichne­n, wohin jemand schaut. Interessan­t sei das vor allem in Sachen Warenpräse­ntation.

„Riesa wird nun Hochschuls­tadt“

Gespannt darf man sein, was der neue Status der BA tatsächlic­h auch für Riesa bedeutet. „Riesa wird nun Hochschuls­tadt“, sagt Ba-sprecherin Anja Reichel. Mehr Studenten, das könnte auch einen Zuzug an den jeweiligen Standorten bedeuten, so die Erwartung. „Dann muss aber auch in der jeweiligen Stadt etwas passieren.“Etwa in Sachen Lebensqual­ität.

Riesas Oberbürger­meister hofft ebenfalls auf neuen Schwung für die Stadt. „Ich bin stolz und freue mich darüber“, sagt Marco Müller ( CDU) zum Hochschuls­tatus. Der Erfolg gebe den Studienaka­demien recht, und natürlich sei das auch eine Riesenchan­ce für beide Seiten. An der Verbindung des Ba-campus in Richtung Innenstadt arbeite die Stadt bereits. Der Weg sei seiner Ansicht nach zwar schon recht kurz, so Marco Müller. Der Lückenschl­uss am Elberadweg spiele aber eine wichtige Rolle, um die Anbindung in Zukunft zu verbessern.

Im Rittergut entstehe gerade ein „Hotspot“für Bildung, so Müller. „Es wäre mein Wunsch, dass die BA so wächst, dass irgendwann auch der vordere Flügel des Alten Ritterguts belebt werden kann.“

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Fotos: Lutz Weidler Wissenscha­ftsministe­r Sebastian Gemkow im Gespräch mit Ba-rektorin Ute SchröterBo­bsin (l.) und Biochemie-professori­n Barbe Rentsch (r.).
 ?? ?? Jessica Vogl und Wojciech Roskiewicz demonstrie­ren Technik, die dem Handwerk in der Region künftig helfen kann. Die Brille etwa zeichnet die Augenbeweg­ungen auf – so lässt sich bewerten, wo in Sachen Warenpräse­ntation optimiert werden kann.
Jessica Vogl und Wojciech Roskiewicz demonstrie­ren Technik, die dem Handwerk in der Region künftig helfen kann. Die Brille etwa zeichnet die Augenbeweg­ungen auf – so lässt sich bewerten, wo in Sachen Warenpräse­ntation optimiert werden kann.
 ?? ?? Arbeit mit Eichenholz: Jugendlich­e aus der Jugendbauh­ütte zeigen ihre Arbeit. Vom Rittergut aus sollen sie in die Region ausschwärm­en können – und gleichzeit­ig an der Instandhal­tung des Denkmals mitarbeite­n.
Arbeit mit Eichenholz: Jugendlich­e aus der Jugendbauh­ütte zeigen ihre Arbeit. Vom Rittergut aus sollen sie in die Region ausschwärm­en können – und gleichzeit­ig an der Instandhal­tung des Denkmals mitarbeite­n.

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