Sächsische Zeitung (Großenhain)
Woran in Riesas altem Rittergut geforscht werden soll
Das Industriedenkmal in Gröba soll zum Labor für die Studenten werden. Vom neuen Hochschulstatus erhoffen sich Stadt und BA noch einiges mehr.
Das alte Rittergut in Gröba gleicht am Mittwochnachmittag einem Messestandort: Auf Tischen stehen Dna-modelle und Reagenzgläser, an einer Tafel hängen Planzeichnungen des denkmalgeschützten Gebäudes, in einer Ecke erklärt ein Dozent ein Wirtschaftsplanspiel. Mittendrin: Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU).
Zuvor war Gemkow schon zu Besuch bei der Kreishanderwerkerschaft gewesen und über den Campus geführt worden, nun geht es darum, wie das Rittergut künftig als „Reallabor“genutzt werden kann. Das Industriedenkmal soll den Studierenden Gelegenheit geben, praktisch verschiedene Heizungs- und Lüftungssysteme auszutesten. Startschuss könnte mit Beginn des neuen Semesters sein, hofft Direktorin Ute Schröter-bobsin. Die Förderzusage jedenfalls gebe es schon.
Erleichterung durch Exoskelette?
Der Ministerbesuch ist Teil einer größer angelegten Tour, ganz im Zeichen des neuen Hochschulstatus. Für den haben die Berufsakademien lange gekämpft, sagt Sprecherin Anja Reichel. Wichtigster Punkt sei erst einmal die Gleichstellung mit anderen Hochschulen. Bisher hatten die Studenten eine akademische Qualifizierung, aber streng genommen keinen akademischen Grad, so Reichel.
Das ist nun anders – und könnte den Akademien noch einmal mehr Zulauf bringen. So jedenfalls ist die Hoffnung. Die Ministerbesuche sollen auch den Fokus darauf lenken, was denn an den einzelnen Standorten passiert und noch passieren wird.
In Riesa wären das zum einen die gemeinsamen Pläne von Handwerkern, Kreativen und Studienakademie für das Rittergut. Ergänzt wird das alles um weitere Studiengänge und Praxispartner, von der Elbland Philharmonie bis zum SC Riesa.
Im hinteren Teil des Denkmals stellen sich die anderen Nutzer des Ritterguts vor. Die Jugendbauhütte etwa. Über kurz oder lang sollen auch die Offene Werkstatt und weitere Angebote der Kreishandwerkerschaft Meißen einziehen, die gemeinsam mit der BA unter dem Dach der Innovationskademie des Handwerks fungieren. Für ein Foto schlüpft Gemkow in eins der Exoskelette, die in Zukunft die Arbeit in Handwerksbetrieben erleichtern könnten.
Direkt daneben stellen Jessica Vogl und Wojciech Roskiewicz ein Projekt vor, das schon seit längerer Zeit läuft: Die Mitarbeiter des Unternehmens Conoscope haben damit begonnen, in Bäckereien die Wege und Arbeitsschritte der Mitarbeiter zu erfassen. Das wird jetzt weitergeführt – und auf einen Blechbearbeiter und eine Baufirma ausgeweitet. Gerade arbeite man an einer Technologie, die die Aufnahmen automatisch auswerten kann. Die Grundlagen dafür kommen aus der Spielerdaten-erfassung im Profifußball.
Den einen oder anderen Aha-effekt hat es schon gegeben, sagt Jessica Vogl: „In einer der Bäckereien wurde beispielsweise viel mit Wagen gearbeitet.“Die hätten teils kreuz und quer im Weg gestanden und Abläufe behindert. Simpler Lösungsvorschlag: „In der Backstube könnten „Parkflächen“und Wege für die Wagen abgeklebt werden. Im Alltag fehle Handwerkern oft die Zeit, um über solche Lösungen nachzudenken. Es geht aber nicht nur um Zeitersparnis, sondern beispielsweise auch um Ergonomie. Ein Drittel des Teams in einer der Bäckereien habe sich sehr häufig gebückt. Da überlege man natürlich, wie sich Abhilfe schaffen lässt. „Wir können zumindest Ansätze geben.“
Mittelfristig könnten im Rittergut entsprechende Beratungen angeboten werden, basierend auf den Erkenntnissen, die die Unternehmensberater momentan gewinnen. Gleiches gilt für die Brillen, die aufzeichnen, wohin jemand schaut. Interessant sei das vor allem in Sachen Warenpräsentation.
„Riesa wird nun Hochschulstadt“
Gespannt darf man sein, was der neue Status der BA tatsächlich auch für Riesa bedeutet. „Riesa wird nun Hochschulstadt“, sagt Ba-sprecherin Anja Reichel. Mehr Studenten, das könnte auch einen Zuzug an den jeweiligen Standorten bedeuten, so die Erwartung. „Dann muss aber auch in der jeweiligen Stadt etwas passieren.“Etwa in Sachen Lebensqualität.
Riesas Oberbürgermeister hofft ebenfalls auf neuen Schwung für die Stadt. „Ich bin stolz und freue mich darüber“, sagt Marco Müller ( CDU) zum Hochschulstatus. Der Erfolg gebe den Studienakademien recht, und natürlich sei das auch eine Riesenchance für beide Seiten. An der Verbindung des Ba-campus in Richtung Innenstadt arbeite die Stadt bereits. Der Weg sei seiner Ansicht nach zwar schon recht kurz, so Marco Müller. Der Lückenschluss am Elberadweg spiele aber eine wichtige Rolle, um die Anbindung in Zukunft zu verbessern.
Im Rittergut entstehe gerade ein „Hotspot“für Bildung, so Müller. „Es wäre mein Wunsch, dass die BA so wächst, dass irgendwann auch der vordere Flügel des Alten Ritterguts belebt werden kann.“