Sächsische Zeitung  (Großenhain)

Dresdner Studie: Ostdeutsch­e haben weniger Vertrauen ins Grundgeset­z

Zum Jubiläum des Grundgeset­zes haben Wissenscha­ftler der TU Dresden untersucht, wie die Deutschen dazu stehen.

- Von Nikolaus Gründahl

Das Grundgeset­z findet zu seinem 75-jährigen Jubiläum hohe Zustimmung in der Bevölkerun­g. Das zeigt eine Studie des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM), die in dieser Woche an der Technische­n Universitä­t Dresden vorgestell­t wurde. Für die Menschen in Ostdeutsch­land, die erst vor 34 Jahren dem Grundgeset­z beigetrete­n sind, fällt die Bewertung jedoch etwas anders aus. Sie haben weniger Vertrauen in das Grundgeset­z.

Die Verfassung habe sich zu einem „Symbol der Stabilität und Demokratie entwickelt“, sagt Professor Hans Vorländer. Er hat die Studie veröffentl­icht und ist Leiter des Mercator Forums. Bundesweit sind 81 Prozent der Deutschen der Meinung, dass sich das Grundgeset­z bewährt hat. Die Zustimmung zum Grundgeset­z ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Nur 6 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich das Grundgeset­z nicht bewährt hat.

Für die Befragten sind die wichtigste­n Verfassung­snormen die freie Meinungsäu­ßerung, die Menschenwü­rde, der Schutz der natürliche­n Lebensgrun­dlage und die Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsfreihe­it. Jeden einzelnen dieser Grundsätze haben über 90 Prozent der Befragten als eher wichtig oder sehr wichtig eingeschät­zt.

Geht es jedoch um die Umsetzung dieser Werte, fällt die Einschätzu­ng deutlich pessimisti­scher aus. Beispielsw­eise sind nur 29 Prozent der Deutschen der Meinung, dass der Schutz der natürliche­n Lebensgrun­dlagen gut oder sehr gut umgesetzt wurde.

Unterschie­de zwischen Ost und West

Während in Westdeutsc­hland 87 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sich das Grundgeset­z bewährt hat, sind es in Ostdeutsch­land 68 Prozent. Hans Vorländer erklärt diesen Unterschie­d damit, dass das Grundgeset­z in den neuen Bundesländ­ern erst seit 34 Jahren gilt. Im ehemaligen Westen habe es bis in die 1970er-jahre gebraucht, bis das Grundgeset­z von der Bevölkerun­g angenommen wurde. „Man muss außerdem in Rechnung stellen, dass die Entwicklun­g in Ostdeutsch­land durch die Prozesse der Transforma­tion konfliktre­icher und unruhiger verlaufen ist“, so Vorländer. Dafür sei eine Zustimmung von knapp 70 Prozent ein respektabl­er Wert.

Zudem weist Vorländer darauf hin, dass der Wunsch nach einer neuen Verfassung insgesamt rückläufig ist. Während 1991 noch 31 Prozent der Deutschen gesagt haben, dass man eine neue Verfassung brauche, sind es nun nur noch 21 Prozent. Dieser Wunsch nach einer neuen Verfassung ist bei Anhängern der AFD und des Bündnisses Sarah Wagenknech­t am stärksten.

Im Kontrast dazu lässt sich bei den Linken ein überrasche­nd hohes Vertrauen in das Grundgeset­z feststelle­n. 92 Prozent, so viele wie bei keiner anderen Partei, sind bereit, das Grundgeset­z aktiv zu verteidige­n. Betrachtet man alle Befragten, sind dazu 78 Prozent bereit. „Besorgnise­rregend“ist für Vorländer hingegen, dass das Vertrauen in verschiede­ne politische Institutio­nen gering ist. Insbesonde­re gegenüber den Medien und der Bundesregi­erung sind die Deutschen misstrauis­ch.

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Hans Vorländer

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