Sächsische Zeitung (Großenhain)
So klingen Naturkatastrophen
Die Neue Lausitzer Philharmonie begeisterte mit chinesischen Kompositionen über Erdbeben, Tsunami und Wirbelsturm.
Die Musik schleicht in dumpfen Tonwiederholungen heran. Dass eine perkussive Figur am Anfang eines Schlagzeugkonzerts von einer Harfe kommt, die sich hinter den Violinen abduckt, kann sich als Spiel mit Erwartungen lesen lassen. Ebenso, dass der Solopart mit Steinen beginnt, die aufeinander geschlagen und aneinander gerieben werden. Sie überziehen den monotonen, dunklen Harfenklang mit einer lockeren hellen Schicht und einer ersten Portion Magie. Solistin Xizi Wang wanderte, auf ihren Steinen spielend, durch das Orchester, die Neue Lausitzer Philharmonie. Es setzte nach und nach ein, wie geweckt durch das Wandeln seiner Solistin. Hinter den Holzbläsern trat Wang an ein Paukenset, neben Kollegen, die immer wieder in die Trommelkaskaden einstimmten.
Die Rede ist vom Konzert für Schlagzeug und Orchester „The Tears of Nature“(„Die Tränen der Natur“), dem ersten Teil der sechsten Konzertstaffel der Neuen Lausitzer Philharmonie, die am Mittwoch in der Lausitzhalle Hoyerswerda ein kleines, aber begeistertes Publikum fand.
Der namhafte chinesische Komponist Tan Dun schrieb das Werk 2012. Anlass gaben ihm drei Naturkatastrophen, deren Folgen für die Menschen er in Klängen reflektierte. Kesselpauken erinnerten in schaurigen Ausbrüchen an die Gewalt eines Erdbebens, das 2008 in der Provinz Sechuan 70.000 Opfer forderte. Im zweiten Satz hoben eine Marimba und Streicher zu einem berührenden Klagegesang an, um der Folgen des Tsunamis von Fukushima 2011 zu gedenken. Den Hintergrund des Finalsatzes von extremer perkussiver Wucht liefert der Wirbelsturm „Sandy“, der 2012 Teile New Yorks metertief flutete.
Eine Dystopie will „The Tears of Nature“jedoch nicht sein, vielmehr die Kraft des Neubeginns besingen, die zum Kreislauf des Lebens gehört. Diese Botschaft war in Hoyerswerda angekommen. Gäste applaudierten stehend.
Solopauker von Orchestern bleiben meist im Hintergrund. Anders bei Tan Duns Konzert, das von den Lausitzern packend musiziert wurde. Xizi Wang besetzt die Soloposition des Orchesters am Gerhart-hauptmann-theater seit 2020 und ist über ihr facettenreiches Instrumentarium hinaus eine vielseitige Musikerin und Dirigentin. Die junge Chinesin leitete die Internationale Akademie des renommierten Ensemble Modern. Den Mittwochabend belebte sie mit feinsinniger Musikalität und ansteckender Energie.
In Ludwig van Beethovens „Pastorale“hat Tan Duns Konzert einen klaren programmatischen Vorgänger. Beide Werke sind nicht nur oberflächliche Abbilder. Vor gut zweihundert Jahren sah Beethoven „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey“in seiner sechsten Sinfonie. Deren fünf Sätze tragen verheißungsvolle Namen wie „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande“. Die assoziative Wirkung der Musik blieb unter dem allzu braven Dirigat von Florian Csizmadia indes recht verborgen. Erst im Finale entfaltete die Sinfonie Tiefe im Ausdruck und klangliche Strahlkraft.