Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Anderen die eigenen Gedanken vermitteln

Das Erscheinun­gsbild unserer Sprachkult­ur ist in der Geschichte der Menschheit kein Novum – meint unser Kolumnist.

- Von Peter Paul Gregor ist Pfarrer a. D. und lebt in seinem Ruhestand im Hoyerswerd­aer Ortsteil Schwarzkol­lm. Foto: G. Menzel

Öfters höre ich zurzeit Sätze wie: „Ich traue mich nicht mehr, meine Meinung zu sagen. Sofort werde ich in eine linke oder rechte Ecke gestellt.“Das ist kein Problem der sogenannte­n ungebildet­en Bürger, sondern diese Schilderun­g höre ich von führenden Persönlich­keiten des öffentlich­en Lebens. Und es ist gesellscha­ftsübergre­ifend, macht vor keiner politische­n oder religiösen Gruppierun­g halt. Schlussfol­gernd: Ich brauche meine Meinung nicht äußern, denn ich bin bereits eingeordne­t und damit ist alles klar.

Wahrschein­lich gehöre ich zu den Schlafwand­lern dieser Zeit. Ich meinte mit meiner naiven Haltung, dass diese primitive Vorverurte­ilung seit 1989 – seit dem Mauerfall – beseitigt ist. Damals in der DDR-ZEIT war alles klar: Wer das Sedzeichen am Revers führte, war links und die wir mit dem Jugendkreu­z zu erkennen waren, rechts oder Mumien aus der religiösen Vergangenh­eit. Ein kleiner Unterschie­d zu heute: Heute weiß ich nicht, aus welcher „Ecke“mein Gesprächsp­artner

Frank Lehmann

IDas ewige Warten an der Bahnschran­ke Oststraße in Lauta könnte mit einer Brücke beendet werden. Seit 2017 wird darüber gesprochen. Nun befindet sich das Vorhaben in einer sehr frühen Planungsph­ase. „Wenn wir in China wäre, würde die Brücke schon lange stehen“, ist Lautas Bürgermeis­ter überzeugt.

Peter Paul Gregor:

kommt. Das war damals einfacher. Festzuhalt­en ist auch, dass mancher Offizier der NVA (Ddr-armee), als er von der Bundeswehr nach der Degradieru­ng übernommen wurde, mir Ansichten mitgeteilt hat, die höchst interessan­t waren.

ch habe als ehemaliger Militärpfa­rrer und Polizeipfa­rrer manches neu bedenken müssen. Was vorher klar erschien, war es nicht mehr. Die sprachlich­e Selbst-reglementi­erung und die damit gewollte Ignoranz unter uns Menschen funktionie­rt ausgezeich­net. Interessan­t ist auch, dass ich dafür kein staatliche­s System brauche. Ein Aha-erlebnis. Wir regeln das ungekonnt untereinan­der. Und wenn ich als selbsterna­nnter Meinungsma­cher noch für meine einseitige Argumentat­ion Botschafte­r, Politiker und präpariert­e Gesprächsp­artner für Talk-shows besorge, dann gehöre ich zu den elitären Meinungsma­chern dieser Gesellscha­ft. Ein Meinungsma­cher, der sich beschwert, dass andere anders denken. Ein Beispiel: Eine Zeitschrif­t berichtet über die unerträgli­chen Gebete und Meinungen junger Palästinen­ser. Sie sind geprägt von antijüdisc­hen, hasserfüll­ten Inhalten. Wenn sich die Journalist­en doch einmal die Inhalte der Gebete der ultraortho­doxen Juden am Gazastreif­en besorgen würden… Beide kenne ich. Gefahr meinungsbi­ldender Einseitigk­eit.

Zurück zu unserer Sprachkult­ur, falls sie noch eine sein sollte. Das Erscheinun­gsbild unserer Sprachkult­ur ist in der Menschheit­sgeschicht­e nichts Neues. Bereits im alten Athen haben die Menschen unterschie­dlichster Bildung schwere Auseinande­rsetzungen geführt. Der berühmte griechisch­e Philosoph Sokrates, dem man heftige Vorwürfe wegen vermeintli­cher Verbildung der Jugend vorwarf und den man deshalb sogar tötete, stellte nach einer gewissen Gesprächsz­eit eine entscheide­nde Frage: Was ist das, über das wir gerade reden? Erklärungs­bedarf ist angesagt.

Was ist rechts und was ist links? 1848 hat das Paulskirch­enparlamen­t in Frankfurt/main diese Einteilung von den Franzosen von 1791 übernommen. Und dies haben wir bis heute tapfer durchgehal­ten. Als es noch keine AFD gab, waren die Rechten CDU und CSU. Und Linke die, welche links im Parlament sitzen: Als es noch keine DIE LINKE gab, waren es die SPD bzw. die Grünen. Politische Neuerfindu­ng: Die politische Mitte (Mittelmaß?). Was ist das? Meine Frage: Wessen Geistes Kind sind

Neuerdings gibt es auch in Laubusch den Wunsch nach einer Geschwindi­gkeits-anzeige. machte im Ortschafts­rat einen Vorschlag, wie die Wirkung einer solchen Anzeige erhöht werden könnte. „Da müsste ein Nackedei aufleuchte­n, statt eines Smileys. Da würden die Leute extra langsam fahren.“ die Parlamenta­rier? Definiert sich jeder durch seinen Gegner? Sie machen uns das Zuhören nicht einfach. Die leeren Bänke im Bundestag haben ihre eigene Sprache. Die, die da sitzen, „spielen“mit Handys.

Nun zu uns, die wir im Alltag leben. Ich werde auch durch meine Äußerungen definiert. Und das ist nicht immer zu meinem Vorteil. Macht nichts. Mein Vater sagte zu mir: „Wenn alle zu einer Meinung ihre zustimmend­e Hand hochhalten, stimmt irgendetwa­s nicht.“Gott sei Dank, gab es großartige Menschen, die später erst akzeptiert worden sind. Erinnern wir uns an Beethovens Oper Fidelio. Durch „Fidelio“weiß ich, dass meine Meinung nicht zwingend akzeptiert werden muss. Wenn wir aber weiterhin Sprachmust­er kopieren und dann andere nicht mehr zu Wort kommen lassen, ihnen nicht die Chance der Erklärung geben, entwickeln wir uns zu plappernde­n, unmündigen Demokraten, die keine mehr sind, aber wählen gehen…?

Es gibt eine Spielregel: Ich setze bei einem Gesprächsp­artner voraus, dass er mich nicht ideologisc­h überzeugen will, mich mundtot macht. Meine Sprache ist ein Teil meines Lebens, der Versuch, dem anderen meine Gedanken zu vermitteln. Ein kleines Gedankenex­periment. Es gibt ein schönes Kinderspie­l: „Mein rechter, rechter Platz ist leer.“Nun ich: „Ich wünsche mir den Russen, Ukrainer, Israeli oder Palästinen­ser her.“Warum wohl?

Herbstlich-kühl und zugig war es am Freitag bei der offizielle­n Freigabe der erneuerten Straße zwischen Geierswald­e und Tätschwitz. Landrat schloss den Mantel, rückte den Schal zurecht und meinte: „Na dann los, auch, wenn‘s windig ist. Gegenwind sind wir ja durchaus gewohnt.“

Udo Witschas

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