Sächsische Zeitung (Hoyerswerda)
Lorbeerkranz zur Exmatrikulation
Eine Spohlaerin lebt zurzeit vorübergehend in Norditalien. Dort gibt es Traditionen und Eigenheiten, die ihr neu sind.
Jedes Jahr um diese Zeit sind Studenten dabei, ihre Exmatrikulation zu feiern. Natürlich ist es auch bei uns ein sehr besonderer Moment, wenn man nach vielen Jahren harter Arbeit und fleißigem Lernen endlich seinen Abschluss erhält. Jedoch gibt es bei uns in Deutschland nicht wirklich eine Tradition, mit der man das Zeichen dieser Errungenschaft hervorhebt. Es gibt zwar wenige Hochschulen, etwa in Mittweida, wo mein Freund Ferdinand studiert, die die Usamerikanische Tradition des Doktorhutes übernommen haben. Aber etwas, das für unsere Nation steht, gibt es nicht.
Somit war es für uns eine recht große Überraschung zu sehen, wie die Italiener ihren Abschluss feiern. Denn als Krönung des Abschlusses erhalten die Exmatrikulanten einen Lorbeerkranz. Mit dem Hintergrund, dass im antiken Rom der Lorbeerkranz im Kult um dem Gott Jupiter ein Zeichen des Sieges war. Daher war er bei der Rückkehr von Feldherren ein Zeichen des militärischen Sieges. Und so wird er auch heute noch als ein Symbol einer besonderen Errungenschaft, als Anerkennung der Ehre verliehen. Und so unter anderem auch, um Exmatrikulanten ihre akademische Leistung und den Erfolg anzuerkennen.
Am Wochenende des 21. Septembers hatten wir dank unsers guten Freundes Marco einen exklusiven Einblick in eine solche Feier. Er hat nun nach fast acht Jahren sein Studium „Architecture and building engineering“– vergleichbar mit Bauingenieurswesen – abgeschlossen. Es war ein sehr stolzes Gefühl mit dem Wissen, dass nun all der Stress, den die Masterarbeit in den vergangenen Monaten mit sich brachte, endlich ein Ende finden würde und er den Lorbeerkranz an diesem Tag würde tragen dürfen, so Marco.
Als sich die Möglichkeit bot, einen so exklusiven kulturellen Einblick zu bekommen, erschienen Ferdinand und ich selbstverständlich bereits am Vormittag zu den jeweiligen Präsentationen der Absolventen dieses Studienganges. Denn dies war der Auftakt zur Zeremonie. Wirklich viel verstehen konnten wir beide allerdings nicht, da man nach einem Monat in Italien wohl kaum von sonderlich guten Sprachkenntnissen reden kann. Doch allein der angenehme Klang der Sprache und das elegante Auftreten der Leute waren schon Grund genug für uns, reinzuschauen. Zu dem verspürte vor allem Ferdinand eine enge Verbindung zu Marcos Präsentation, weil auch er an einem Projekt des Freiberger Theaters in Deutschland mitarbeitete und Marco
dieses Projekt als Thema für seine Masterarbeit gewählt hatte.
Nachdem er mit seiner Präsentation fertig war, hieß es erst einmal warten. Warten darauf, dass seine Kommilitonen an die Reihe kommen. Warten darauf, dass die Professoren alles fertig ausdiskutieren. Doch das sollte nicht unsere längste Wartezeit an diesem Tag werden. Aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht.
Als dann endlich die Hände geschüttelt und alle beglückwünscht worden waren, gingen alle nach draußen, wo sich die Graduierten aufstellten und jeweils ein Elternteil
nach vorne kam, um den Kranz zu übergeben. Und nun wurden Sektflaschen gut geschüttelt und voller Enthusiasmus geöffnet – während Freunde und Familie im Chor „Dottore, dottore, dottore del buco del cul, vaffancul, vaffancul!“sangen – ein scherzhaftes Lied zum Universitätsabschluss. Das bedeutet in etwa so viel wie „Doktor des Arsches“, und vermutlich aus dem Grund, weil Italiener es einfach lieben, unnötigerweise irgendwem oder eben auch irgendetwas einen Titel zu geben.
Der nächste Programmpunkt: Aperitivo. Dafür geht man in eine Bar oder ähnliches, um sich mit Drinks und kleinen
Häppchen auf eine bevorstehende Mahlzeit einzustimmen. Marco und sein bester Freund, der mit ihm seine Exmatrikulation zusammen feierte, hatten im Voraus zwar eine Bar reserviert, doch war der Platz recht eng. Der aufmerksame Besitzer des Friseursalons von nebenan hatte das Problem wohl mitbekommen, denn er fing an, noch Sitzgelegenheiten von ihm dazuzustellen. Einfach schön, wie unproblematisch man Dinge angehen kann.
Der Programmpunkt des Aperitivo war für Ferdinand und mich eine perfekte Gelegenheit, mit großartigen Leuten ins Gespräch zu kommen und somit auch neue Kontakte zu knüpfen.
Nach einigen Stunden guter Gespräche und leckerer Häppchen gab es Zeit für ein Nickerchen. Erneuter Treffpunkt war eine Location im Außenbezirk der Stadt um 18.30 Uhr.
Ferdinand und ich hatten schon Sorge unhöflich zu sein, weil wir eine Viertelstunde später ankamen. Erst dachten wir noch, dass wir vielleicht am falschen Ort waren, da nichts und niemand da war. Doch es war der richtige Ort, wie wir nach einem Telefonat mit Marco feststellten – nur waren sie noch nicht fertig. Es sollte also eine Halbestunde dauern, dann würden sie da sein. Allerdings zweifelte ich nach einer Stunde so langsam an meinen oder vielleicht doch eher an seinen Mathekenntnissen. Dann kam auch eine Nachricht von Marcos Freund, dass es wohl doch erst um 8 Uhr starten würde, da sich unter anderem die Koordination des Soundsystems länger zog als gedacht. Um 20.30 Uhr waren sie dann da. Also konnte endlich der Aufbau beginnen. Ehe dann die eigentliche Party wirklich starten konnte, war ich zum einen fast eingeschlafen und zum anderen mussten wir so langsam den Rückweg antreten, da am Wochenende die Busse in die Außenregionen nicht ganz so regelmäßig und auch spät nachts nicht mehr fahren.
Man könnte schon sagen, dass mit dem spät beziehungsweise später kommen das italienische Klischee vollkommen erfüllt ist. Dennoch ist anzumerken, dass diese typischen Bilder zwar nicht unrealistisch, aber sehr regional abhängig sind.
Denn eigentlich ist ein klassischer Italiener, wie wir ihn uns vorstellen – dunkler Teint, enthusiastisch und impulsiv beim Sprechen, unpünktlich – das, was man im Süden Italiens tatsächlich so vorfindet. Und die meisten Italiener im Norden sehen kaum anders aus als wir. Aber wie das so ist; Ausnahmen bestätigen die Regel.