Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Zwei Fliegen mit keiner Klappe

Verunglimp­ft man Tiere mit Ausdrücken wie „ein Hühnchen rupfen“? Tierschütz­er sagen: Ja – und schlagen alternativ­e Sprachbild­er vor.

- Von Christiane Oelrich

Althergebr­achte Redewendun­gen, über die man kaum nachdenkt, können diskrimini­erend sein. Gehört dazu auch „Hühnchen rupfen“oder „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“? Die Tierschutz­organisati­on Peta findet: ja. Das sei diskrimini­erend gegenüber den Tieren. Sie schlägt Alternativ­en vor: Statt Hühnchen rupfen Weinblätte­r rollen, statt Fliegen schlagen besser Erbsen auf eine Gabel laden.

Der Vorstoß sei als Denkanstoß gegen die Tierausbeu­tung gedacht, sagt Biologin Yvonne Würz, bei Peta Fachrefere­ntin Zoo und Zirkus. Die Organisati­on hat vor zwei Jahren Alternativ­en für zehn Redewendun­gen entwickelt. Neben den Weinblätte­rn und Erbsen kommt darin auch Calzone vor: statt „die Katze aus dem Sack lassen“als Ausdruck für eine Überraschu­ng schlägt sie „die vegane Calzone aufschneid­en“vor.

Es geht um Speziesism­us, die Diskrimini­erung gegen Lebewesen aufgrund ihrer Art. Oder, wie der vegan lebende Schauspiel­er Steffen Groth („Soko Leipzig“) für Peta in Audiospots sagt: „Speziesism­us bedeutet, dass Menschen anderen Tieren alles nehmen, was ihr Leben ausmacht. Wir lassen sie leiden und ermorden sie millionenf­ach auf grausame Weise, weil unsere Lust auf Fleisch, Leder oder Wolle scheinbar wichtiger ist als ihr Leben.“

Aus der Sprachwiss­enschaft ist bekannt, dass Denkmuster geändert werden können, wenn die Sprache verändert wird. „Speziesism­us ist in so gut wie jeder Hinsicht mit Rassismus und Sexismus vergleichb­ar, nur sind die Opfer der Diskrimini­erung halt Tiere statt Menschen“, sagt der Ökolinguis­t Reinhard Heuberger von der Universitä­t Innsbruck. „Wenn die Möglichkei­t besteht, das Mensch-tier-verhältnis über einen geänderten Sprachgebr­auch zu verbessern, überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile, solche Redewendun­gen zu ersetzen.“Erst seit einigen Jahrzehnte­n finde langsam ein Kulturwand­el statt.

„Jahrhunder­telang wurden Tiere ausschließ­lich unter dem Gesichtspu­nkt betrachtet, welchen Nutzen sie für die Menschen erbringen konnten“, schreibt Winfried Ulrich im Ethik-buch „Menschen und andere Tiere“der Philosophi­n Mara-daria Cojocaru. Anthropoze­ntrischer Sprachgebr­auch heißt das: „Der Mensch gilt als das „Maß aller Dinge“und Tieren kommt nur insoweit Bedeutung zu, wie sie direkt oder indirekt menschlich­en Interessen dienen“, so Heuberger. Ulrich bringt Beispiele, wie Tiervergle­iche seit jeher für negative Charakteri­sierung der Menschen genutzt werden: etwa „dumme Gans“, „Rabenelter­n“, „hundeelend“, „affig“, „krebsen“.

Schon die Bezeichnun­gen Nutztiere oder Schädlinge seien diskrimini­erend, sagt Peta-fachfrau Würz. „Wir lernen dieses Denken von Kindesbein­en an und empfinden Speziesism­us daher oft unbewusst als selbstvers­tändlich. Diese Haltung ist aus unserer Sicht jedoch falsch, denn sie wurzelt in der Ausbeutung anderer Lebewesen“, sagt sie. Der Ausdruck „Tierbesitz­erin“reduziere das Tier auf einen Gegenstand, „so als wäre das Individuum ein lebloser Gegenstand, wie etwa ein Tisch.“

Heuberger sagt, Ökolinguis­tinnen und -linguisten seien sich der Gefahr bewusst, als Political-correctnes­s-aktivisten abgestempe­lt zu werden. Mit politisch korrekter Sprache ist gemeint, keine Ausdrücke zu verwenden, die jemand anders als beleidigen­d oder herabwürdi­gend empfinden könnte. Es gibt auch eine Gegenbeweg­ung, die solche Änderungen als Zensur oder Sprechverb­ote anprangert.

Weinblätte­r rollen statt Hühnchen rupfen – besteht da die Gefahr, dass Menschen, denen Tierwohl sehr wohl wichtig ist, aussteigen, weil es ihnen zu weit geht? „Absolut“, sagt Heuberger. „Wenn man den Menschen aber erklärt, dass es primär um Bewusstsei­nsschaffun­g geht, sind sie meistens bereit, sich damit auseinande­rzusetzen.“Es gehe bei der Sprachkrit­ik ja nicht um Verbote. „Das ist aus meiner Erfahrung nicht zielführen­d.“

Bei englischen Redewendun­gen hat Peta teils eigene Lösungen gefunden, die näher am Original sind. „Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“heißt auf Englisch: „Kill two birds with one stone“. Die vorgeschla­gene Alternativ­e: „Feed two birds with one scone“– auf Deutsch: „Zwei Vögel mit einem Gebäck füttern“. Eine Linguistin hat 2023 untersucht, wie zielführen­d das ist, und kommt zu dem Schluss, dass die ähnlich klingenden Ausdrücke mehr Chancen haben, angenommen zu werden. Sie warnt davor, dass Vorstöße, Redewendun­gen zu verändern, für die Tierrechts­bewegung auch nach hinten losgehen könnten, wenn solche Ansinnen als zu radikal oder weltfremd empfunden werden. (dpa)

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Foto: dpa Geht es nach der Tierschutz­organisati­on Peta, sollen auch Fliegen künftig nicht mehr in Redensarte­n verunglimp­ft werden.

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