Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Zuversicht schöpfen

Gedanken zum Karfreitag

- Von Heinrich Koch

Die Erzähl- und Kognitions­forschung weiß, dass wir vor allem in Geschichte­n und Erzählunge­n denken. Es gibt Megaerzähl­ungen, übergeordn­ete Erzählunge­n, die unser Denken und Handeln stark beeinfluss­en. Positive zum Beispiel: Die Technik wird Lösungen finden für unsere gegenwärti­gen Probleme. Oder: Es wird immer Wachstum und Fortschrit­t geben. Bis vor Kurzem hielt sich auch noch die Erzählung: Wir gehen auf eine Zukunft ohne Kriege zu.

Negative Erzählunge­n finden sich zum Beispiel in Katstrophe­nfilmen. Sie folgen der biblischen Erzählung der Apokalypse, allerdings ohne deren Hoffnung auf „einen neuen Himmel und eine neue Erde, in der Gerechtigk­eit wohnt“.

Insgesamt hat die Zuversicht nachgelass­en. Die Mitglieder der „Letzten Generation“glauben, dass nur noch radikalste Mittel uns retten können. Die meisten Menschen bei uns halten diese eher für Spinner, oder wechseln schnell das Thema, wenn es um Zukunftspr­ognosen geht. Sie sind mehr von der Angst vor Wohlstands­verlust bestimmt. Da wird der Klimawande­l auch schon mal zu einer Verschwöru­ng der Medien erklärt. Irgendetwa­s muss man doch all den Katastroph­ennachrich­ten entgegenha­lten, damit man die Zuversicht behält.

Unsere Vorfahren hatten zumeist ein härteres Leben als wir, aber sie haben uns Feiertage hinterlass­en, die ihnen trotz Seuchen und Kriegen Zuversicht gaben. In den großen Festen Weihnachte­n, Ostern und Pfingsten erinnerten sie sich an die Megaerzähl­ung, die unserer Kultur zugrunde liegt. Eine Erzählung, die ihnen Zuversicht selbst über den Tod hinaus gab.

Der Karfreitag, der Tag der Kreuzigung Jesu brachte gleich beides zum Vorschein, die Abgründe (un-)menschlich­en Handelns in der Kreuzigung eines Unschuldig­en und Gottes Erbarmen mit uns Menschen, für die Christus gestorben ist.

Eine Zeit lang meinten Menschen, diese Erzählung bräuchten sie nicht mehr, weil sie das Paradies auf Erden schaffen könnten. Nun wird es Zeit, sich zu erinnern, denn Zuversicht findet sich nicht in den Zahlen der Prognosen, sondern im Vertrauen auf Gott.

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