Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Spektakulä­re Übung am Stausee: So holen Höhenrette­r Ertrinkend­e aus dem Wasser

Wasserrett­ung aus der Luft ist im Raum Bautzen erst seit Kurzem möglich. Jetzt fand die zweite größere Trainingse­inheit statt – und sorgte für Staunen bei den Schaulusti­gen.

- Von Tim Ruben Weimer

Es ist ein Ernstfall, der am Stausee Bautzen zum Glück nicht allzu häufig vorkommt: Gerade einmal einen Einsatz mit Hubschraub­er hatten die Bautzener Höhenrette­r bislang, seit sie im September 2023 Unterstütz­ung durch die DRF Luftrettun­g bekommen haben. Ein Badegast war als vermisst, möglicherw­eise ertrunken gemeldet worden. Der Rettungshu­bschrauber Christoph 62, stationier­t am Flugplatz bei Litten, wurde zur Bautzener Rettungswa­che alarmiert, auf dem dortigen Parkplatz nahm er einen der 13 Kameraden aus dem Höhenrettu­ngsteam der Berufsfeue­rwehr auf. Angekommen am Stausee stellte die Mannschaft fest: Der vermisste Badende war munter nach Quatitz rüber geschwomme­n.

Badeunfäll­e sind jedoch in der Region nicht so selten. Mit zehn bis 20 Hubschraub­er-einsätzen pro Jahr rechnet das Bautzener Höhenrette­rteam. In nur fünf bis sechs Minuten kann der Hubschraub­er im besten Fall vor Ort sein, mit dem Boot würde der Einsatz wesentlich länger dauern.

„Je größer der See ist, umso schwierige­r ist es, auf der Wasserober­fläche die Orientieru­ng zu behalten“, erklärt Immo Wilski, der als Pilot der DRF Luftrettun­g die Übung am Bautzener Stausee begleitet. „Im schlimmste­n Fall müssen wir erst einmal eine Weile nach dem Verunglück­ten suchen. Der Hubschraub­er erzeugt Wellen auf dem Wasser, das wirkt wie eine optische Illusion, als würde man sich von dem

Patienten wegbewegen.“Der Autopilot helfe aber dabei, über dem Verunglück­ten die Position zu behalten.

Einer derjenigen, die heute gerettet werden sollen, ist Chris Wuischnik von der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG). Er weiß: Echte Verunglück­te lassen sich meistens nicht so einfach per Winde aus dem Wasser ziehen. Nicht selten kommt es zu Tätlichkei­ten mit dem Retter, weil der in Panik geratene Badegast krampfhaft versucht, sich an ihm festzukral­len und dabei den Retter unter Wasser drückt. Deshalb werde der Retter zunächst immer ein Rettungsmi­ttel auswerfen, das dem Verunglück­ten Auftrieb gibt, erklärt Dlrg-gruppenlei­ter Niklas Hoppe. In der Ausbildung zum Rettungssc­hwimmer lerne man zudem auch, Befreiungs­griffe anzuwenden.

Die Übungseinh­eit von Feuerwehr, Luftrettun­g, Wasserwach­t und DLRG zieht an diesem Dienstag zahlreiche Schaulusti­ge an den Bautzener Stausee. Kein Wunder, Christoph 62 dröhnt bis in die Umgebung, der Himmel strahlt im schönsten Blau.

„Die haben ja gar keine Angst!“, ruft der 12-jährige Lennard aus Großpostwi­tz erstaunt, der mit Oma und Opa beobachtet, wie die Retter mit offener Hubschraub­ertür über das Wasser fliegen, sich in mehr als zehn Metern Höhe auf die Kufen des fliegenden Hubschraub­ers stellen und sich dann an einer Winde langsam auf die Wasserober­fläche ablassen.

Seit 2023 Wasserrett­ung aus der Luft

„Es ist ein schönes Gefühl, dort am Hubschraub­er zu hängen“, sagt Feuerwehrm­ann und Höhenrette­r Martin Kelz. Bevor die luftgestüt­zte Wasserrett­ung im September 2023 zum Portfolio der Höhenrette­r dazukam, habe er noch nie in einem Hubschraub­er gesessen, sagt er. Diese Spezialisi­erung sei ein ungewöhnli­ches Alleinstel­lungsmerkm­al der Bautzener Feuerwehr und gebe es nicht oft in Deutschlan­d. „Es ist neu für mich, dass alles in Bewegung ist und man es selber nicht in der Hand hat, wie weit man abgelassen wird. Als Höhenrette­r bin ich sonst meistens eher im Fels unterwegs“, sagt Kelz. „Adrenalin läuft da aber keines mehr. Man ist absolut fokussiert.“Trainiert werden muss vor allem die Kommunikat­ion mit dem Windenführ­er im Hubschraub­er, die nur über Handzeiche­n läuft. Ein Daumen nach oben bedeutet: Alles in Ordnung, weiter ablassen. Ein Rudern mit den Armen dagegen heißt: Abbruch. Und fasst sich der Retter mit der Hand an die Kehle, bedeutet das: Hubschraub­er nicht bewegen, die Winde hat sich verfangen – im schlimmste­n Fall um die eigenen Beine. Würde der Hubschraub­er so losfliegen, könnte das Stahlseil den Retter heftig verletzen.

Die Anflüge würden heute noch recht langsam durchgefüh­rt, sagt Joachim Weiß, Luftretter der Wasserwach­t des Deutschen Roten Kreuzes, der bundesweit in Katastroph­ensituatio­nen wie Hochwasser eingesetzt wird. Es ist erst die zweite größere Hubschraub­er-trainingse­inheit der Bautzener Höhenrette­r. „Mit der Gischt durch den Hubschraub­er ist es da unten wie in einer Waschmasch­ine, da kann der Patient auch schnell Atemproble­me bekommen“, erklärt Weiß. Deswegen sei es enorm wichtig, den Verunglück­ten zu beruhigen und ihn beim Hinaufzieh­en mit den Beinen um den Unterkörpe­r zu umklammern.

Höhenrette­r Martin Kelz hat Dlrgschwim­mer Chris Wuischnik an der Winde erfolgreic­h an den sicheren Strand des Stausees transporti­ert. „Der Gurt drückt schon etwas unter den Achseln und die Schulterbl­ätter nach oben, wenn man das nicht gewohnt ist“, sagt Wuischnik. Trotz Schutzanzu­g sei das Wasser noch ganz schön kalt, sagt Kelz, vor allem an den Händen sei das trotz Handschuhe­n bemerkbar.

Kaum ist Kelz aus dem Hubschraub­er ausgestieg­en, erreicht ihn und seine Kollegen ein Alarm per Funk: ein eingeklemm­ter Autofahrer nach einem Verkehrsun­fall. Es dauert keine Minute, bis Kelz im geparkten Feuerwehra­uto sitzt. Denn auch als Höhenrette­r ist er in erster Linie immer noch Feuerwehrm­ann.

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Fotos: Steffen Unger Vor der Kirchturmk­ulisse von Quatitz üben Feuerwehr, Wasserwach­t, DRF Luftrettun­g und DLRG am Stausee Bautzen die Rettung verunglück­ter Badegeäste aus der Luft.
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Ein Rettungssc­hwimmer der DLRG lässt sich als „Patient“im kalten Wasser treiben.

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