Sächsische Zeitung (Hoyerswerda)
Wenn Krabat von Schadowitz erzählt
Der Kulturverein Zeißig lud am Freitag zum Infoabend über die sorbische Volkssage und ihr historisches Fundament ein.
Die Krabat-sage beruht auf einem historisch nachweisbaren Fundament. Sie gleicht einem einzigartigen, in der Zukunft noch vielfältig zu sichtenden Schatz in der Lausitz. „Jeder kann ihn für sich entdecken. Diese Geschichte geht weiter. Sie ist Mutmacher für alle“, unterstrichen Hans-jürgen Schröter, Familiengeschichts- und Erbenforscher aus Wittichenau, und Wolfgang Kraus – seit 25 Jahren Krabat-darsteller und zudem Botschafter der Oberlausitz aus Groß Särchen – am Freitag in Zeißig. Rund 40 Besucher kamen zu ihrem Vortrag „Krabat erzählt von Schadowitz“. Eingeladen hatte der Kulturverein Zeißig – Verein zur Förderung der kulturellen dörflichen Gemeinschaft Zeißig. Der Vortragsabend – organisiert von Katja Tillich und Anja Tickenheinrich – gehört zur seit 2002 bestehenden Veranstaltungsreihe „Zeißiger Offene Fenster“.
Seit 17 Jahren forscht Hans-jürgen Schröter nach dem historisch verbürgten kroatischen Obristen Johann von Schadowitz (1624–1704). Aus dessen Lebens-überlieferungen ging die Krabat-sage hervor. Drei Bücher erarbeitet der Wittichenauer Genealoge derzeit. Entstehen soll zu Schadowitz eine Fakten-sammlung, eine Erzählung, die auf Fakten beruht, und ein Reisebüchlein für die künftige Schadowitz-erlebnistour rund um Hoyerswerda. Die Tour soll die Wirkungsorte des kroatischen Obristen von Groß Särchen, Wittichenau, Hoyerswerda bis Schwarzkollm näher vorstellen. „Verbunden damit ist eine Erhebung historischer Daten in der Oberlausitz von Schwarzkollm bis Bautzen. Das Projekt Schadowitz-erlebnistour läuft seit zwei Jahren. Ende 2025, Anfang 2026 wollen wir es abschließen“, sagte Hans-jürgen Schröter. „Wer Hinweise – auch auf private Dokumente – hat, kann sich gern an mich wenden.“Für die Erlebnistour arbeitet er mit vielen Partnern zusammen.
Im Vortrag am Freitag trat er als Krabats Schreiber auf. Wolfgang Kraus verkörperte Krabat und Schadowitz in einem. Dank der jahrelangen Forschungen konnten die beiden Vortragenden das Leben des Obristen Schadowitz beginnend von dessen Geburtsort Žumberak (Sichelberg) und seiner griechisch-katholischen Taufkirche St. Nikolaus in Badovinci detailliert schildern. „Er war von Geburt an geadelt. Davon zeugt auch das Familienwappen“, so Hansjürgen Schröter. „Der einen Stein haltende Kranich ist Symbol für die militärische Wachsamkeit.“Als Angehörige der uskokischen Volksgruppe kämpfte Schadowitz’ Familie immer wieder im Auftrag des Kaisers als Verteidiger gegen die Türken. Nach der Jesuitenschule in Agram – heute Zagreb – lernte er das Mühlen-handwerk. „Das ist historisch verbürgt“, so der Genealoge. Binnen nur 24 Tagen kam Schadowitz später vom 19. Februar bis 14. März 1660 von Agram über Graz, Wien, Brünn und Prag bis nach Pirna auf das Schloss Sonnenstein. Als „Fahnenjunker mit zwei Pferden“vermerkte ihn die Musterungsliste des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. Dieser forderte zu seinem Schutz 52 uskokische Gardisten an. Schadowitz schwur den Reiter-eid. Er versicherte, verlässlich mit Leib und Leben zu dienen und ein gottgefügtes Leben zu führen. Vom Fahnenjunker wurde er später zum Corporal, zum Kammerjunker, zum Leutnant, Rittmeister und schließlich bis zum Obristen und zuletzt zum Generaladjutanten befördert. Nachweislich diente er unter vier sächsischen Kurfürsten: für Johann Georg II. von 1656 bis 1680, für Johann Georg III. von 1680 bis 1691, für Johann Georg IV. von 1691 bis 1694 und für Friedrich August I. – auch August der Starke genannt – von 1694 bis 1702.
„Vielfältig finden wir Spuren von ihm. Sie erstrecken sich von Teplitz über Dippoldiswalde, Görlitz, Bautzen, Hoyerswerda, Groß Särchen, Wittichenau bis Brandenburg“, so Hans-jürgen Schröter. In die Lausitz kam Schadowitz, um hier die Auerhahn-balz zu erleben und um Hirsche und Wildschweine zu jagen. Die Sprache der Sorben ähnelte seiner Muttersprache. „Die Sprache und die Liebe zum Herrgott verbanden mich mit der Region“, erzählte Krabat (Wolfgang Kraus) humorvoll und detailliert im Rückblick. Mindestens zwei Mal – 1683 in der Schlacht am Kahlenberg bei Wien und später am Rhein – rettete er den sächsischen Kurfürst aus Gefahren. „Auch das ist historisch verbürgt“, so Hans-jürgen Schröter. „Der Kriegstatenbericht 1691 – mehr als 30 Seiten lang – von Johann Georg III. zeugt davon.“
Seit 1691 lebte Schadowitz nachweislich auf dem Vorwerk Särchen (heute Groß Särchen). Seine letzten Lebensjahre seit 1702 verbrachte er im Kretscham, im Gasthaus Zum Schwan. Dort verstarb er 1704. Wolfgang Kraus lebt heute auf dem alten Vorwerk Groß Särchen. „Alles nur Zufall?“, fragte der Groß Särchener am Freitag beim Vortrag und nannte vielfältige Erlebnisse und Erkenntnisse. „Jurij Brězan sagte mir vor Jahren: Krabat zu entdecken, heißt wie in einen tiefen Brunnen zu steigen. Je tiefer du kommst, umso tiefer die Erkenntnisse“, schilderte der Groß Särchener seine eigene Sinn- und Lebenssuche.
Krabat-sage und Schadowitz-historie, so zeigte der Abend, werden immer mehr eins. Der Mythos Krabat ist der Spiegel des wahren Lebens von Schadowitz, unterstrich Hans-jürgen Schröter. „Es ist ein großer, vielfältiger, interessanter Stoff. Wir werden ihn noch viel mehr im Leben entdecken“, meinte er. „Es ist die schönste sorbische Sage. Die einzige Sage, die historisch in allen Fakten nachvollziehbar ist.“
Starken Beifall fand der Erzähl-abend. Die Vielfalt an Fakten erstaunte. „Ich bin sehr berührt von der Erzählweise. Beide Vortragende haben sich gut ergänzt“, meinte Besucherin Susanne Birnick aus Neuwiese. Die gemeinsame Begeisterung für Krabat durch Wolfgang Kraus und Hans-jürgen Schröter für Krabat wirkte sehr ansteckend. Das fand auch Ulrike Scholze aus Wittichenau: „Für mich war die Fülle an Wissen über die geschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge erstaunlich.“
Weitere Informationen: www.meister-krabat.de (Wolfgang Kraus) www.familienforschung-sachsen.de (Hans-jürgen Schröter)
Kulturverein Zeißig: www.zeissighof.de