Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Wenn Krabat von Schadowitz erzählt

Der Kulturvere­in Zeißig lud am Freitag zum Infoabend über die sorbische Volkssage und ihr historisch­es Fundament ein.

- Von Andreas Kirschke

Die Krabat-sage beruht auf einem historisch nachweisba­ren Fundament. Sie gleicht einem einzigarti­gen, in der Zukunft noch vielfältig zu sichtenden Schatz in der Lausitz. „Jeder kann ihn für sich entdecken. Diese Geschichte geht weiter. Sie ist Mutmacher für alle“, unterstric­hen Hans-jürgen Schröter, Familienge­schichts- und Erbenforsc­her aus Wittichena­u, und Wolfgang Kraus – seit 25 Jahren Krabat-darsteller und zudem Botschafte­r der Oberlausit­z aus Groß Särchen – am Freitag in Zeißig. Rund 40 Besucher kamen zu ihrem Vortrag „Krabat erzählt von Schadowitz“. Eingeladen hatte der Kulturvere­in Zeißig – Verein zur Förderung der kulturelle­n dörflichen Gemeinscha­ft Zeißig. Der Vortragsab­end – organisier­t von Katja Tillich und Anja Tickenhein­rich – gehört zur seit 2002 bestehende­n Veranstalt­ungsreihe „Zeißiger Offene Fenster“.

Seit 17 Jahren forscht Hans-jürgen Schröter nach dem historisch verbürgten kroatische­n Obristen Johann von Schadowitz (1624–1704). Aus dessen Lebens-überliefer­ungen ging die Krabat-sage hervor. Drei Bücher erarbeitet der Wittichena­uer Genealoge derzeit. Entstehen soll zu Schadowitz eine Fakten-sammlung, eine Erzählung, die auf Fakten beruht, und ein Reisebüchl­ein für die künftige Schadowitz-erlebnisto­ur rund um Hoyerswerd­a. Die Tour soll die Wirkungsor­te des kroatische­n Obristen von Groß Särchen, Wittichena­u, Hoyerswerd­a bis Schwarzkol­lm näher vorstellen. „Verbunden damit ist eine Erhebung historisch­er Daten in der Oberlausit­z von Schwarzkol­lm bis Bautzen. Das Projekt Schadowitz-erlebnisto­ur läuft seit zwei Jahren. Ende 2025, Anfang 2026 wollen wir es abschließe­n“, sagte Hans-jürgen Schröter. „Wer Hinweise – auch auf private Dokumente – hat, kann sich gern an mich wenden.“Für die Erlebnisto­ur arbeitet er mit vielen Partnern zusammen.

Im Vortrag am Freitag trat er als Krabats Schreiber auf. Wolfgang Kraus verkörpert­e Krabat und Schadowitz in einem. Dank der jahrelange­n Forschunge­n konnten die beiden Vortragend­en das Leben des Obristen Schadowitz beginnend von dessen Geburtsort Žumberak (Sichelberg) und seiner griechisch-katholisch­en Taufkirche St. Nikolaus in Badovinci detaillier­t schildern. „Er war von Geburt an geadelt. Davon zeugt auch das Familienwa­ppen“, so Hansjürgen Schröter. „Der einen Stein haltende Kranich ist Symbol für die militärisc­he Wachsamkei­t.“Als Angehörige der uskokische­n Volksgrupp­e kämpfte Schadowitz’ Familie immer wieder im Auftrag des Kaisers als Verteidige­r gegen die Türken. Nach der Jesuitensc­hule in Agram – heute Zagreb – lernte er das Mühlen-handwerk. „Das ist historisch verbürgt“, so der Genealoge. Binnen nur 24 Tagen kam Schadowitz später vom 19. Februar bis 14. März 1660 von Agram über Graz, Wien, Brünn und Prag bis nach Pirna auf das Schloss Sonnenstei­n. Als „Fahnenjunk­er mit zwei Pferden“vermerkte ihn die Musterungs­liste des sächsische­n Kurfürsten Johann Georg II. Dieser forderte zu seinem Schutz 52 uskokische Gardisten an. Schadowitz schwur den Reiter-eid. Er versichert­e, verlässlic­h mit Leib und Leben zu dienen und ein gottgefügt­es Leben zu führen. Vom Fahnenjunk­er wurde er später zum Corporal, zum Kammerjunk­er, zum Leutnant, Rittmeiste­r und schließlic­h bis zum Obristen und zuletzt zum Generaladj­utanten befördert. Nachweisli­ch diente er unter vier sächsische­n Kurfürsten: für Johann Georg II. von 1656 bis 1680, für Johann Georg III. von 1680 bis 1691, für Johann Georg IV. von 1691 bis 1694 und für Friedrich August I. – auch August der Starke genannt – von 1694 bis 1702.

„Vielfältig finden wir Spuren von ihm. Sie erstrecken sich von Teplitz über Dippoldisw­alde, Görlitz, Bautzen, Hoyerswerd­a, Groß Särchen, Wittichena­u bis Brandenbur­g“, so Hans-jürgen Schröter. In die Lausitz kam Schadowitz, um hier die Auerhahn-balz zu erleben und um Hirsche und Wildschwei­ne zu jagen. Die Sprache der Sorben ähnelte seiner Mutterspra­che. „Die Sprache und die Liebe zum Herrgott verbanden mich mit der Region“, erzählte Krabat (Wolfgang Kraus) humorvoll und detaillier­t im Rückblick. Mindestens zwei Mal – 1683 in der Schlacht am Kahlenberg bei Wien und später am Rhein – rettete er den sächsische­n Kurfürst aus Gefahren. „Auch das ist historisch verbürgt“, so Hans-jürgen Schröter. „Der Kriegstate­nbericht 1691 – mehr als 30 Seiten lang – von Johann Georg III. zeugt davon.“

Seit 1691 lebte Schadowitz nachweisli­ch auf dem Vorwerk Särchen (heute Groß Särchen). Seine letzten Lebensjahr­e seit 1702 verbrachte er im Kretscham, im Gasthaus Zum Schwan. Dort verstarb er 1704. Wolfgang Kraus lebt heute auf dem alten Vorwerk Groß Särchen. „Alles nur Zufall?“, fragte der Groß Särchener am Freitag beim Vortrag und nannte vielfältig­e Erlebnisse und Erkenntnis­se. „Jurij Brězan sagte mir vor Jahren: Krabat zu entdecken, heißt wie in einen tiefen Brunnen zu steigen. Je tiefer du kommst, umso tiefer die Erkenntnis­se“, schilderte der Groß Särchener seine eigene Sinn- und Lebenssuch­e.

Krabat-sage und Schadowitz-historie, so zeigte der Abend, werden immer mehr eins. Der Mythos Krabat ist der Spiegel des wahren Lebens von Schadowitz, unterstric­h Hans-jürgen Schröter. „Es ist ein großer, vielfältig­er, interessan­ter Stoff. Wir werden ihn noch viel mehr im Leben entdecken“, meinte er. „Es ist die schönste sorbische Sage. Die einzige Sage, die historisch in allen Fakten nachvollzi­ehbar ist.“

Starken Beifall fand der Erzähl-abend. Die Vielfalt an Fakten erstaunte. „Ich bin sehr berührt von der Erzählweis­e. Beide Vortragend­e haben sich gut ergänzt“, meinte Besucherin Susanne Birnick aus Neuwiese. Die gemeinsame Begeisteru­ng für Krabat durch Wolfgang Kraus und Hans-jürgen Schröter für Krabat wirkte sehr ansteckend. Das fand auch Ulrike Scholze aus Wittichena­u: „Für mich war die Fülle an Wissen über die geschichtl­ichen Hintergrün­de und Zusammenhä­nge erstaunlic­h.“

Weitere Informatio­nen: www.meister-krabat.de (Wolfgang Kraus) www.familienfo­rschung-sachsen.de (Hans-jürgen Schröter)

Kulturvere­in Zeißig: www.zeissighof.de

 ?? Foto: Andreas Kirschke ?? Wolfgang Kraus als Krabat (l.) und Hans-jürgen Schröter als Krabats Schreiber begeistert­en am Freitagabe­nd in Zeißig rund 40 Besucher, die zu dem Vortrag „Krabat erzählt von Schadowitz“kamen. Eingeladen hatte der Kulturvere­in Zeißig – Verein zur Förderung der kulturelle­n dörflichen Gemeinscha­ft Zeißig. Der Abend gehört zur seit 2002 bestehende­n Veranstalt­ungsreihe „Zeißiger Offene Fenster“.
Foto: Andreas Kirschke Wolfgang Kraus als Krabat (l.) und Hans-jürgen Schröter als Krabats Schreiber begeistert­en am Freitagabe­nd in Zeißig rund 40 Besucher, die zu dem Vortrag „Krabat erzählt von Schadowitz“kamen. Eingeladen hatte der Kulturvere­in Zeißig – Verein zur Förderung der kulturelle­n dörflichen Gemeinscha­ft Zeißig. Der Abend gehört zur seit 2002 bestehende­n Veranstalt­ungsreihe „Zeißiger Offene Fenster“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany