Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Wie schlägt sich der Cybertruck von Tesla im Fahrtest?

In Amerika werden die ersten futuristis­chen Pick-ups geliefert. Eine Testfahrt zeigt, dass man Kompromiss­e machen muss, wenn man überall im Zentrum des Interesses stehen will.

- Von Thomas Geiger

Es hat zwar mal wieder ein wenig länger gedauert, aber jetzt ist es so weit: Seit ein paar Wochen liefert Tesla tatsächlic­h den Cybertruck aus. An dem Auto hat sich seit der Präsentati­on der Studie vor rund fünf Jahren nicht viel geändert. Außer der Grundpreis, welcher nun bei 60.990 Usdollar liegt. Allerdings gibt es das so bepreiste Basismodel­l frühestens 2025. Aktuell geht es bei 79.990 Us-dollar los, und zunächst auch nur in den USA.

Denn während sich die Experten streiten, ob der Pritschenw­agen angesichts der rücksichts­losen Karosserie­struktur in Europa zugelassen werden könnte, hat Tesla zum Export gar nichts verlautbar­t. Weil aber keine Ps-premiere derzeit so heiß diskutiert wird, lohnt sich ein erster Blick.

Inbegriff des Angeberaut­os

Schon dieser erste Blick ist irritieren­d. Denn Tesla bricht mit allen Traditione­n in diesem Segment und hat den mit 5,7 Metern für Us-verhältnis­se vergleichs­weise kurzen Pick-up ausgesproc­hen futuristis­ch gezeichnet. Es gibt nicht nur keinen Kühler, sondern auch kein „Gesicht“, weil die Scheinwerf­er in einem schmalen LED-BAND verschwind­en. Wo klassische Trucks eine Pritschenw­agen-silhouette haben, sieht der Tesla im Profil fast aus wie ein riesiges

Geodreieck aus dem Matheunter­richt – nur eben auf Rädern. Die Form ist nicht nur pure Provokatio­n, sondern auch der Produktion geschuldet. Denn um Geld und Zeit für die Lackierung zu sparen, bauen sie den Wagen aus Edelstahl. Der ist angeblich stoß- und schusssich­er, passt also zum beworbenen Panzerglas für die Fenster. Allerdings lässt er sich schlecht biegen. Deshalb hat der Cybertruck mehr Ecken und schärfere Kanten als andere Pick-ups.

Innen ist der Cybertruck typisch Tesla und deshalb mit keinem klassische­n Pickup zu vergleiche­n. Wo Letztere wohnlich eingericht­et sind, wirkt er nackt und nüchtern. Ablagen gibt es vergleichs­weise wenige. Allein der große Bildschirm in der Mitte dient als zentrales Anzeige- und Bedienelem­ent. Auch sonst ist der Cybertruck nur schwer mit Modellen wie dem Ford F-150 zu vergleiche­n. Die Größe der Ladefläche, die Nutz- und Anhängelas­t liegen vielleicht auf Augenhöhe. Aber wo die Dauerbrenn­er über die Jahrzehnte zu praktische­n Werkzeugen mit allerlei pfiffigen Details gereift sind, hat Tesla außer dem Rollo über der Pritsche und dem Frunk – der Ablage unter der Fronthaube – nicht viel zu bieten.

Dafür ist er beim Fahren einem Porsche näher als einem Pritschenw­agen. Für diesen Eindruck muss man nicht einmal das 621 kw/845 PS starke Cyberbeast bestellen, das von 0 auf 100 km/h in 2,6 Sekunden beschleuni­gt. Schon das Allradmode­ll, mit dem die Auslieferu­ng begonnen hat, lässt klassische Pick-ups mit seinen 441 kw/600 PS schmalbrüs­tig wirken.

Die Energie für den Kraftakt liefert ein Akku, den Tesla nicht näher spezifizie­rt, der aber mindestens 100 Kilowattst­unden haben muss. Sonst wären die mehr als 500 attestiert­en Kilometer kaum zu schaffen, bevor mit bis zu 250 Kilowatt nachgelade­n wird. Wem die Autonomie nicht reicht, dem verkaufen die Amerikaner erstmals einen Range Extender. Anders als früher beim BMW i3 oder aktuell beim Mazda MX-30 ist das aber keine Kombinatio­n aus Benziner und Generator, sondern ein Zusatzakku für etwa 200 Kilometer.

In der Theorie taugt der Cybertruck auch fürs Gelände. Wozu hat er sonst eine Luftfederu­ng, mit der die Bodenfreih­eit auf Knopfdruck auf 40 Zentimeter steigt? Allradantr­ieb gibt es für die allermeist­en Modelle natürlich auch. Doch zumindest zahlreiche Internetvi­deos legen nahe, dass er sich in Schlamm und Schnee nicht ganz so leichttut, wie uns Tesla weismachen will.

Apokalypti­sche Anmutung

Auf der Straße hat der Cybertruck ebenfalls seine Schwierigk­eiten. Die Federung des Testwagens jedenfalls ist so bockig, dass man sich auf schlechten Straßen wie ein Cowboy im Sattel eines störrische­n Pferdes fühlt. Mit der Kombinatio­n aus eckigem Lenkrad, gefühllose­r Lenkung ohne mechanisch­e Verbindung zu den Rädern („Drive-by-wire“) und einer ungewöhnli­ch starken Hinterachs­lenkung braucht es einige Übung, bis man den Bogen raus hat und sauber die Kurve kratzt. Aber ein paar Kompromiss­e muss man eben machen, wenn man immer und überall im Zentrum des Interesses stehen will.

Fazit: Hat es Elon Musk mit dem Cybertruck übertriebe­n? Während der Tesla-chef bislang von Kritikern gelobt und von Kunden vergöttert wird, schlägt ihm diesmal viel Kritik entgegen. Selbst Tesla-fans ist der Truck zu apokalypti­sch. Aber was die einen stört, ist für die anderen der größte Grund für den Kauf. Denn auch wenn er vielleicht kein ehrlicher Arbeiter ist wie ein F-150, stiehlt er als eckiges Angeberaut­o selbst einem Ferrari die Schau. (dpa)

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Fotos: Thomas Geiger/dpa (2)
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Klare Kante, innen wie außen: Das Design des Tesla Cybertruck lässt sich mit dem Geodreieck nachzeichn­en. Die äußere Form und die harte Karosserie sorgen jedoch für Bedenken bei den europäisch­en Zulassungs­behörden.

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