„Ich bin nicht nachtragend“
In Bautzen treffen sich vor dem Punktspiel gegen Freital Budissas Aufstiegshelden von 2014. Trainer Thomas Hentschel führte die FSV damals in die vierte Liga, wurde später beurlaubt, kehrte aber trotzdem nochmals zurück.
In der Fußball-oberliga Süd gastiert der Tabellen-zweite Bischofswerdaer FV am Samstag ab 14 Uhr in Rudolstadt. Eröffnet wird der 24. Spieltag bereits am Freitagabend. Ab 18.30 Uhr stehen sich im Stadion Müllerwiese die FSV Budissa Bautzen und der SC Freital gegenüber. Bereits eine Stunde vor dem Anpfiff treffen sich die Bautzener Aufstiegshelden von 2014. Unter Trainer Thomas Hentschel (59) waren die Spreestädter damals erstmals in ihrer Vereinsgeschichte in die Regionalliga Nordost aufgestiegen. Dieses sportliche Highlight und das 120. Vereinsjubiläum seien zwei gute Gründe, um sich an alter Wirkungsstelle zu treffen, sagt Präsident Sven Johne, der damals als Spieler auch zum Kader gehörte. Vor dem Wiedersehen und dem anschließenden Oberliga-derby stellte sich Thomas Hentschel zum Interview.
Herr Hentschel, Spieler und Trainer wurden aufgefordert, ihr Aufstiegsshirt mitzubringen. Passt das Ihre noch?
In weiser Voraussicht habe ich mir damals ein Shirt geben lassen, das eine Nummer größer war. Ich habe es in dieser Woche anprobiert, es sah eigentlich gar nicht so schlecht aus.
Sie wurden 2013 zum zweiten Mal Budissas Cheftrainer, stiegen ein Jahr später in die 4. Liga auf. Was hat diese Mannschaft damals ausgezeichnet?
Die Zusammenstellung von Führungsspielern bis hin zu jungen, hungrigen Kickern passte hervorragend. Ich muss sogar sagen, dass wir damals wirklich viele Führungsspieler im Team hatten, wenn ich an Martin Hoßmang, Pavel Patka, Karle Vrabec oder an einen Paul-max Walter, Sylvio
Schwitzky und Philipp Schikora denke. Wir hatten auf allen Positionen einen gesunden Konkurrenzkampf, die Spieler haben sich immer wieder gepusht. Zudem hatte ich mit Stefan Hoßmang den besten Co-trainer und mit Wolfgang Seiler den besten Mannschaftsleiter an meiner Seite. Die beiden haben sehr viel abgefangen und waren Gold wert. Ich freue mich auf deren Kommen.
Sind Sie damals mit dem Ziel angetreten, in die 4. Liga aufsteigen zu wollen?
Ja, und ich denke, das war auch ein wichtiger Faktor. Wir haben den Leuten ab dem ersten Spieltag gezeigt, dass wir hochwollen. Ich kann mich noch an die Vertragsgespräche 2013 erinnern, einer der ersten Sätze von Gernot Kliesch war: „Thomas, du musst mit der Mannschaft aufsteigen“. So deutlich habe ich das meinen Spielern vor dem Saisonstart allerdings nicht gesagt.
Gibt es Spieler aus dem damaligen Kader, die Sie seit 2014 nicht mehr gesehen haben, und wie viele haben zugesagt?
Bisher gibt es 20 Zusagen von Spielern und Leuten aus dem damaligen Funktionsteam. Ich hoffe, dass es den einen oder anderen Überraschungsgast noch geben wird. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, dass ich diese Geste vom Verein, dieses Treffen zu organisieren, großartig finde. So etwas ist heutzutage nicht selbstverständlich. Die meisten Spieler habe ich im Laufe der Jahre auf irgendeinem Fußballplatz mal getroffen. Florian Mielke, mit dem ich kürzlich telefoniert habe, und Erik Zerna habe ich aber schon lange nicht mehr gesehen.
Sie wurden im März 2016 beurlaubt, unterschrieben aber zum 1. Juli 2019 zum dritten Mal als Chefcoach in Bautzen. Nachtragend sind Sie offensichtlich nicht, oder?
Ich war damals schon lange als Trainer unterwegs und wusste, dass es im Fußballgeschäft auch Kündigungen oder Beurlaubungen gibt. Ich bin nicht nachtragend, weiß, dass das zu diesem Job dazugehört.
Man muss aber unterscheiden, ob man nebenbei als Trainer arbeitet oder hauptamtlich. 2016 war es mein Job, mit dem ich mein Geld verdient habe, und dann tut das schon noch mehr weh.
Budissa spielte ab 2019 nur noch in der Landesliga, stieg aber mit Ihnen wieder in die Oberliga auf. Unmittelbar nach dem Saisonstart 2021/22 übergaben Sie Ihr Amt plötzlich an Stefan Richter, der seitdem Cheftrainer ist. Was ist damals passiert?
Da muss ich etwas ausholen. Ich war 2019/20 in Neugersdorf und dort die letzten Monate der Saison als Trainer der Regionalliga-mannschaft tätig. Wir gewannen am vorletzten Spieltag mit 5:1 gegen Bautzen, damals Tabellenletzter. Es tat weh, Budissa in dieser Verfassung zu erleben. Bautzen stieg ab und zog sich in die Sachsenliga zurück. Es stand ein Neuanfang an und ich habe nach der Anfrage der Vereinsführung nicht lange überlegt und bin zum dritten Mal angetreten.
Und dann?
Dann kam Corona und 2021 das Aufstiegsspiel gegen den SC Freital. Wir haben damals nur sieben Spieltage absolviert. Freital war Erster, wir einen Punkt dahinter Zweiter. Wir gewannen das Aufstiegsspiel in Weißig mit 2:1. Und nun zum zweiten Teil Ihrer Frage: Ich habe meinen Platz nach fünf oder sechs Oberligaspielen geräumt, weil sich in meinen Hauptjob einige Veränderungen ergeben hatten und ich das Training nicht mehr in vollem Umfang absichern konnte. Kompromisse wollte ich nicht eingehen. Man hat mir das vielleicht ein wenig übelgenommen, aber mit Stefan Richter stand ja ein sehr guter Trainer bereit und wie die folgenden Jahre bewiesen haben, war es eine gute Entscheidung.
Ohne Fußball können Sie nicht, sagen Sie. Anfang 2023 sind Sie bei Ihrem Heimatverein Sokol Ralbitz/horka als Trainer eingestiegen, wohlgemerkt in der 8. Liga. Verzweifelt man da nicht an der Seitenlinie?
Nein, ich wusste ja, was auf mich zukommt. Es ist mein Heimatverein und ich war mir nicht zu schade, dort zu helfen. Ich wusste, dass ich mit meinen Ansprüchen deutlich nach unten gehen muss. Klar ist aber auch, ich muss ein konkretes Ziel haben, auf das ich mit der Mannschaft hinarbeiten kann.
Sie haben Sokol bis in die Spitzengruppe geführt, sind aber in der Winterpause 2023/24 völlig überraschend zurückgetreten. Warum?
Ich wollte nicht mit zu vielen Kompromissen trainieren und immer mehr Abstriche machen. Aber wir sind absolut im Guten auseinandergegangen, alles ist sauber abgelaufen. Der Verein macht eine sehr gute Nachwuchsarbeit, ich kann mir auch vorstellen, dort weiterhin unterstützend tätig zu sein.
Sie werden im Oktober 60. War’s das mit der Trainer-laufbahn?
Wie kommen Sie darauf? Im Gegenteil, meine beruflichen Verpflichtungen lassen es wieder zu, dass ich in der Woche abends bis zu dreimal Training absichern könnte. Gibt es einen vernünftigen Plan und ein realistisches Ziel, bin ich für viele Sachen offen. Ich lege mich aber nicht fest, ob im Nachwuchs- oder Männerbereich.
Halten Sie es für möglich, noch ein viertes Mal auf den Trainerstuhl bei Budissa zurückzukehren, oder ist das ausgeschlossen?
Das ist nicht ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist lediglich, dass ich einen Verein auswähle, bei dem ich stundenlang im Auto sitze, um zum Trainingsgelände zu fahren. Ich habe kürzlich das Sz-interview mit Plauens Trainer Karsten Oswald gelesen, der mehr als 200 Kilometer am Tag zurücklegt, um von zu Hause nach Plauen und wieder zurückzukommen. So etwas käme für mich nicht mehr infrage.
Ihr Tipp, wie geht das Spiel gegen den SC Freital aus?
Budissa gewinnt 2:1.