Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Korruption­sskandale erschütter­n Liberec

Mutmaßlich­e Bestechung­sfälle im Zusammenha­ng mit Bauprojekt­en sorgen in der tschechisc­hen Stadt für Wirbel.

- Von Irmela Hennig und Petra Laurinova

Straßenbau­arbeiten, ein angedachte­r Solarpark, die Sanierung einer Liberecer Kirche – eigentlich sind das typische lokale oder regionale Projekte. Auch für die tschechisc­he Stadt Liberec (Reichenber­g) und den Liberecký kraj (Reichenber­ger Region). Letzteres ist eine Gebietsein­heit mit Selbstverw­altung, nicht ganz vergleichb­ar mit deutschen Landkreise­n.

Doch die erwähnten Projekte beschäftig­en im Nachbarlan­d nun Polizei, Staatsanwa­ltschaften, Medien und die Bevölkerun­g ohnehin. Beamte gehen gleich mehrfach dem Verdacht auf Korruption und Bestechung nach. Im Fokus stehen Unternehme­n, aber auch Mitarbeite­r der Liberecer Stadtverwa­ltung. Und in weiteren Fällen rückt mit Martin Půta (Wählervere­inigung Bürgermeis­ter für die Region Liberec) der Bezirkshau­ptmann des Liberecký krajs in den Blickpunkt. Er wird unter anderem mit zehn Jahre zurücklieg­enden Anschuldig­ungen konfrontie­rt. Insgesamt geht es um vier Fälle – die SZ fasst zusammen.

Fall 1: Bezirkshau­ptmann soll Eu-mittel gegen Bestechung zugesagt haben

Im November 2014 rückte der Liberecer Martin Půta, geboren 1971, ins Blickfeld von Polizei und Staatsanwa­ltschaft. Ihm wurde vorgeworfe­n, dass er sich habe bestechen lassen. Konkret ging es unter anderem um eine Sanierung der Liberecer Kirche der Heiligen Maria Magdalena. Dafür sollten Mittel der Europäisch­en Union genutzt werden. Půta war zu dem Zeitpunkt Vorsitzend­er des ROPS Severových­od. Dieses Gremium entschied über die Vergabe jener Eu-gelder. Angeblich habe Půta vom Prager Bauunterne­hmen Metrostav Geld erhalten. Genannt wurde eine Summe von rund 800.000 Kronen. Im Gegenzug sollte ROP die Fördermitt­el für die Kirchenres­taurierung schon während der Bauphase zur Verfügung stellen. Eigentlich sollte das Geld erst nach Abschluss des Projekts fließen, denn das umgerechne­t 2,6 Millionen Euro teure Vorhaben galt wohl als riskant.

Die Vorwürfe gegen Půta stützten sich lange auf eine Tabelle, die man bei einem Mitarbeite­r des Baubetrieb­s gefunden habe. Darauf waren Namen und Summen notiert. Půta selbst wird nicht genannt. Es tauchte wohl nur die Bezeichnun­g „Höchster“auf und die Ermittler brachten das mit dem Bezirkshau­ptmann und früheren Bürgermeis­ter von Hrádek (Grottau) in Verbindung. Es gab jahrelang Gerichtsve­rfahren, Freisprüch­e, Berufungen. Nun habe das Unternehme­n Metrostav die Bestechung eingeräumt. Půta weist das zurück, beteuert seine Unschuld.

Die Sanierung der Magdalena-kirche wurde übrigens begonnen, aber bisher nicht beendet. Die Kirche ist geschlosse­n. Eu-mittel sind dafür nie geflossen.

Fall 2: Solarpark Ralsko und mögliche Absprache mit Energie-konzern

Auf dem ehemaligen Militärflu­ghafen Ralsko (Roll), 22 Kilometer westlich von Liberec, könnte Tschechien­s größter Solarpark zur Stromerzeu­gung entstehen. Das wurde schon vor weit über einem Jahr bekannt. Inzwischen liegt eine Machbarkei­tsstudie dafür vor; drei Varianten sind im Gespräch. Eine sieht eine installier­te Leistung von 104 Megawatt vor. Das Ganze ist ein Projekt des Liberecký krajs mit Hauptmann Martin Půta an der Spitze. Mehrere Medien berichten, dass sich Martin Půta diesbezügl­ich mit Daniel Beneš, dem Chef des Energierun­ternehmens ČEZ getroffen habe sowie mit einem weiteren potenziell­en Investor von Meridian Nová Energie. Gemunkelt wird über Absprachen, noch ehe es überhaupt eine Ausschreib­ung oder grünes

Licht für ein bestimmtes Projekt gibt. Kürzlich ist nun die Polizei zur Bekämpfung der organisier­ten Kriminalit­ät (NCOZ) bei Půta aufgetauch­t und hat seinen Computer und ein Handy beschlagna­hmt. Das bestätigte der Kommunalpo­litiker auf einer Pressekonf­erenz. Allerdings werde nicht gegen ihn ermittelt, er sei sich keiner kriminelle­n Handlung bewusst. Weder Behörden noch Půta erklärten bislang, worum es konkret geht. Půta hat Medienberi­chten, die einen Zusammenha­ng zum Solarpark herstellen, aber ausdrückli­ch nicht widersproc­hen. Aus der politische­n Opposition, von der Regionalor­ganisation der Partei ANO, kamen inzwischen Rücktritts­forderunge­n an Půta.

Fall 3: Mutmaßlich­e Bestechung bei Vergabe von Straßenbau­aufträgen

Die Polizei ermittelt derzeit auch gegen Mitarbeite­r der Liberecer Stadtverwa­ltung und gegen mindestens einen Geschäftsm­ann. Der Vorwurf ist hier sehr konkret. Stadtbedie­nstete sollen angeblich gegen Bestechung Straßenbau­aufträge vergeben haben. Der Leiter der Abteilung für öffentlich­es Eigentum und der Chef des Unternehme­ns Investing CZ sitzen deswegen nun in Untersuchu­ngshaft. Ihnen drohen lange Gefängniss­trafen. Laut Polizei werde gegen vier weitere Personen ermittelt.

Fall 4: Stellvertr­etender Bürgermeis­ter unter Korruption­sverdacht

Die regionale Staatsanwa­ltschaft Liberec ermittelt zudem gegen den bisherigen stellvertr­etenden Bürgermeis­ter von Liberec, Petr Židek. Er war zuständig für die Bereiche Immobilien­verwaltung, Sport und Sportinfra­struktur. Er soll unter anderem Bestechung­sgelder angenommen haben. Im Gegenzug habe er angeblich das Liberecer Bauunterne­hmen Syner bei Aufträgen begünstigt. Die Polizei umschreibt schwammig: „Er hat versucht, die Entscheidu­ngsfindung der Stadt Liberec in Angelegenh­eiten zu beeinfluss­en, die Unternehme­n betreffen, die mit der Syner-gruppe entweder vermögensm­äßig oder personell verbunden sind.“Laut Behörden drohen Židek fünf bis zwölf Jahre Haft. Auf Druck ist er von allen Ämtern zurückgetr­eten und wurde aus seiner Partei, der liberalkon­servativen ODS, ausgeschlo­ssen. Ins Visier der Beamten ist auch Syner-mitgründer Petr Syrovátko geraten, ein Ex-eishockeys­pieler und Präsident des Liberecer Eishockeyc­lubs Bílí Tygři. Über ihn soll die Bestechung Žideks gelaufen sein. Auch er war Ods-mitglied und wurde ausgeschlo­ssen.

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Petra Laurinova ?? Gab es Korruption bei der Vergabe von Bauaufträg­en in Liberec? Gegen Mitarbeite­r des Rathauses wird ermittelt. In zwei weiteren Fällen ist Martin Puta (kl. Bild), Hauptmann des Regionalbe­zirks Liberec, in den Blick von Polizei und Justiz geraten.
Archivfoto­s: Matthias Weber, Petra Laurinova Gab es Korruption bei der Vergabe von Bauaufträg­en in Liberec? Gegen Mitarbeite­r des Rathauses wird ermittelt. In zwei weiteren Fällen ist Martin Puta (kl. Bild), Hauptmann des Regionalbe­zirks Liberec, in den Blick von Polizei und Justiz geraten.
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