Korruptionsskandale erschüttern Liberec
Mutmaßliche Bestechungsfälle im Zusammenhang mit Bauprojekten sorgen in der tschechischen Stadt für Wirbel.
Straßenbauarbeiten, ein angedachter Solarpark, die Sanierung einer Liberecer Kirche – eigentlich sind das typische lokale oder regionale Projekte. Auch für die tschechische Stadt Liberec (Reichenberg) und den Liberecký kraj (Reichenberger Region). Letzteres ist eine Gebietseinheit mit Selbstverwaltung, nicht ganz vergleichbar mit deutschen Landkreisen.
Doch die erwähnten Projekte beschäftigen im Nachbarland nun Polizei, Staatsanwaltschaften, Medien und die Bevölkerung ohnehin. Beamte gehen gleich mehrfach dem Verdacht auf Korruption und Bestechung nach. Im Fokus stehen Unternehmen, aber auch Mitarbeiter der Liberecer Stadtverwaltung. Und in weiteren Fällen rückt mit Martin Půta (Wählervereinigung Bürgermeister für die Region Liberec) der Bezirkshauptmann des Liberecký krajs in den Blickpunkt. Er wird unter anderem mit zehn Jahre zurückliegenden Anschuldigungen konfrontiert. Insgesamt geht es um vier Fälle – die SZ fasst zusammen.
Fall 1: Bezirkshauptmann soll Eu-mittel gegen Bestechung zugesagt haben
Im November 2014 rückte der Liberecer Martin Půta, geboren 1971, ins Blickfeld von Polizei und Staatsanwaltschaft. Ihm wurde vorgeworfen, dass er sich habe bestechen lassen. Konkret ging es unter anderem um eine Sanierung der Liberecer Kirche der Heiligen Maria Magdalena. Dafür sollten Mittel der Europäischen Union genutzt werden. Půta war zu dem Zeitpunkt Vorsitzender des ROPS Severovýchod. Dieses Gremium entschied über die Vergabe jener Eu-gelder. Angeblich habe Půta vom Prager Bauunternehmen Metrostav Geld erhalten. Genannt wurde eine Summe von rund 800.000 Kronen. Im Gegenzug sollte ROP die Fördermittel für die Kirchenrestaurierung schon während der Bauphase zur Verfügung stellen. Eigentlich sollte das Geld erst nach Abschluss des Projekts fließen, denn das umgerechnet 2,6 Millionen Euro teure Vorhaben galt wohl als riskant.
Die Vorwürfe gegen Půta stützten sich lange auf eine Tabelle, die man bei einem Mitarbeiter des Baubetriebs gefunden habe. Darauf waren Namen und Summen notiert. Půta selbst wird nicht genannt. Es tauchte wohl nur die Bezeichnung „Höchster“auf und die Ermittler brachten das mit dem Bezirkshauptmann und früheren Bürgermeister von Hrádek (Grottau) in Verbindung. Es gab jahrelang Gerichtsverfahren, Freisprüche, Berufungen. Nun habe das Unternehmen Metrostav die Bestechung eingeräumt. Půta weist das zurück, beteuert seine Unschuld.
Die Sanierung der Magdalena-kirche wurde übrigens begonnen, aber bisher nicht beendet. Die Kirche ist geschlossen. Eu-mittel sind dafür nie geflossen.
Fall 2: Solarpark Ralsko und mögliche Absprache mit Energie-konzern
Auf dem ehemaligen Militärflughafen Ralsko (Roll), 22 Kilometer westlich von Liberec, könnte Tschechiens größter Solarpark zur Stromerzeugung entstehen. Das wurde schon vor weit über einem Jahr bekannt. Inzwischen liegt eine Machbarkeitsstudie dafür vor; drei Varianten sind im Gespräch. Eine sieht eine installierte Leistung von 104 Megawatt vor. Das Ganze ist ein Projekt des Liberecký krajs mit Hauptmann Martin Půta an der Spitze. Mehrere Medien berichten, dass sich Martin Půta diesbezüglich mit Daniel Beneš, dem Chef des Energierunternehmens ČEZ getroffen habe sowie mit einem weiteren potenziellen Investor von Meridian Nová Energie. Gemunkelt wird über Absprachen, noch ehe es überhaupt eine Ausschreibung oder grünes
Licht für ein bestimmtes Projekt gibt. Kürzlich ist nun die Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (NCOZ) bei Půta aufgetaucht und hat seinen Computer und ein Handy beschlagnahmt. Das bestätigte der Kommunalpolitiker auf einer Pressekonferenz. Allerdings werde nicht gegen ihn ermittelt, er sei sich keiner kriminellen Handlung bewusst. Weder Behörden noch Půta erklärten bislang, worum es konkret geht. Půta hat Medienberichten, die einen Zusammenhang zum Solarpark herstellen, aber ausdrücklich nicht widersprochen. Aus der politischen Opposition, von der Regionalorganisation der Partei ANO, kamen inzwischen Rücktrittsforderungen an Půta.
Fall 3: Mutmaßliche Bestechung bei Vergabe von Straßenbauaufträgen
Die Polizei ermittelt derzeit auch gegen Mitarbeiter der Liberecer Stadtverwaltung und gegen mindestens einen Geschäftsmann. Der Vorwurf ist hier sehr konkret. Stadtbedienstete sollen angeblich gegen Bestechung Straßenbauaufträge vergeben haben. Der Leiter der Abteilung für öffentliches Eigentum und der Chef des Unternehmens Investing CZ sitzen deswegen nun in Untersuchungshaft. Ihnen drohen lange Gefängnisstrafen. Laut Polizei werde gegen vier weitere Personen ermittelt.
Fall 4: Stellvertretender Bürgermeister unter Korruptionsverdacht
Die regionale Staatsanwaltschaft Liberec ermittelt zudem gegen den bisherigen stellvertretenden Bürgermeister von Liberec, Petr Židek. Er war zuständig für die Bereiche Immobilienverwaltung, Sport und Sportinfrastruktur. Er soll unter anderem Bestechungsgelder angenommen haben. Im Gegenzug habe er angeblich das Liberecer Bauunternehmen Syner bei Aufträgen begünstigt. Die Polizei umschreibt schwammig: „Er hat versucht, die Entscheidungsfindung der Stadt Liberec in Angelegenheiten zu beeinflussen, die Unternehmen betreffen, die mit der Syner-gruppe entweder vermögensmäßig oder personell verbunden sind.“Laut Behörden drohen Židek fünf bis zwölf Jahre Haft. Auf Druck ist er von allen Ämtern zurückgetreten und wurde aus seiner Partei, der liberalkonservativen ODS, ausgeschlossen. Ins Visier der Beamten ist auch Syner-mitgründer Petr Syrovátko geraten, ein Ex-eishockeyspieler und Präsident des Liberecer Eishockeyclubs Bílí Tygři. Über ihn soll die Bestechung Žideks gelaufen sein. Auch er war Ods-mitglied und wurde ausgeschlossen.