„Da schäme ich mich für“
Anfeindungen gegen RB Leipzig sind nicht neu. Heidenheim sorgte dennoch für ein stinkendes Novum. Das nervte sogar den Trainer der Gastgeber.
In manchen Fällen gibt es kaum etwas Schöneres als Schadenfreude. „Der herrliche Duft eines Auswärtssieges“, teilte RB Leipzig nach dem 2:1 beim 1. FC Heidenheim in den sozialen Medien mit. Es war eine Anspielung auf einen dümmlichen Akt, der selbst in der anderthalb Jahrzehnte währenden Historie der Anfeindungen gegen das Konstrukt RB ein Novum darstellte. Vor dem Spiel war von Sympathisanten des Bundesliga-neulings offenbar Buttersäure im Gästeblock verschüttet worden. Der betroffene Bereich war laut eines Heidenheimer Klubsprechers zwar so gut wie möglich gesäubert worden. Dennoch hatte es während der Partie nach Erbrochenem gerochen. Schon vor dem Anpfiff hatten mehrere Rb-fans in den sozialen Medien ihren Unmut darüber bekundet.
Heidenheims Trainerurgestein Frank Schmidt, der sein Amt auf der Ostalb schon vor der Gründung von RB angetreten hatte, verurteilte die Aktion aufs Schärfste. „Da fehlt mir jegliche Form des Verständnisses“, sagte der 50-Jährige nach dem Spiel am Samstag. Manchen Leuten fehle es offenbar an Intelligenz, meinte Schmidt. „Jeder kann bei uns eine Meinung haben – auch zu RB Leipzig. Aber so was? Da schäme ich mich für. So was gehört sich nicht.“Er wolle sich auch im Namen des Vereins dafür entschuldigen. Er habe den Gestank selbst über seine Nase wahrgenommen, erklärte der Coach. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm bestätigte der Deutschen Presse-agentur am Sonntag, dass die Polizei Ermittlungen aufgenommen habe.
Das Geschehen auf den Rängen bot zwar weniger Spannung, aber deutlich mehr Unterhaltung als das Spiel. Leipzigs Fans feierten eine besondere Serie des Klubs mit einem Invincible-banner (unbesiegbar): RB bestritt auch das 32. Spiel gegen einen Aufsteiger ohne Niederlage. Die Fans zündeten eine in dem kleinen Block durchaus beachtlich erscheinende Anzahl an Pyrotechnik, was wiederum Rb-intern für Diskussionen sorgen dürfte. Schließlich sieht man derartige Zündeleien dort fast schon als Schwerverbrechen an.
Und sportlich? Wähnt man sich nach dem durch Tore von Benjamin Sesko und Lois Openda erkämpften Sieg natürlich bereit für das Duell mit Borussia Dortmund. Das lebte bis vor ein paar Tagen vor allem davon, das vermeintliche Endspiel um Platz vier – und damit der Teilnahme an der Champions League – zu sein.
Doch seit in den Europapokalwettbewerben nur noch ein englischer Klub und drei deutsche vertreten sind, ist da ein wenig die Luft raus. Dass sich Deutschland über die Bonus-rangliste der Uefa als zweitbeste Nation der Saison einen zusätzlichen Startplatz sichert, ist praktisch nur noch Formsache. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei fast 99 Prozent.
Doch ungeachtet der endgültigen Startplätzeanzahl will der Klub seinen Platz unter den ersten vier in der Bundesliga behaupten. „Das ist unser Ziel, das haben wir in der Hand, und das wollen wir aus eigener Kraft schaffen“, sagte Torhüter Peter Gulacsi nach dem Sieg seiner Mannschaft in Heidenheim: „Wir wussten, dass wir nur dann gegen Dortmund ein Big-point-spiel spielen können, wenn wir unsere Aufgabe hier erfolgreich bestreiten.“
Dann wird auch Trainer Marco Rose wieder an der Seitenlinie stehen. In Heidenheim saß der 47-Jährige eine Gelbsperre ab. Das Duell mit seinem Ex-klub BVB sei ein „wichtiges Spiel“, meinte Rose. Aber auch die drei Punkte auf der Ostalb seien „sehr, sehr wichtig“gewesen. RB holte aus den zurückliegenden sieben Partien 19 von 21 möglichen Punkten.
Seinen Tribünenplatz neben den Videoanalysten des Klubs gibt Rose dann gerne wieder her. Die andere Perspektive war nicht immer angenehm. „Vom Gucken her war es gar nicht so unangenehm. Ich hatte meine Ruhe und sehr angenehme Menschen um mich herum“, sagte Rose. Spätestens ab dem zwischenzeitlichen Heidenheimer Ausgleich in der 69. Minute wäre er aber lieber woanders gewesen. „Ich habe es mir selbst eingebrockt und werde versuchen, es nicht mehr so weit kommen zu lassen“, erklärte Rose.
Gerade als der Trainer nach der Partie durch die Katakomben lief, wurde Nationalspieler David Raum auf Roses Fehlen an der Seitenlinie angesprochen. „Wie hat es sich für euch angefühlt? War es leiser? War es entspannter?“, fragte ein Journalist. Raums Antwort interessierte Rose natürlich. Also blieb der 47-Jährige stehen, wiederholte die Frage, ob es an der Seitenlinie leiser und entspannter zugegangen sei – und sorgte so allseits für Erheiterung. „Es war gut“, sagte Raum diplomatisch: „Er hat uns trotzdem gut vorbereitet.“(dpa)