Weite, Wucht und Pracht
Die Elbland Philharmonie und ihr bravouröser Gast formen mit Feingefühl nordische Klänge.
Der Däne Carl Nielsen hat sich für sein Klarinettenkonzert, das 1928 erstmals aufgeführt wurde und zu den wichtigsten Opera für das Holzblasinstrument zählt, von einem Künstler inspirieren lassen. Es war Aage Oxenvad, der seine Klarinette besonders beseelt und ausdrucksstark spielte. Nielsens Spätwerk klingt reif, sprüht vor Ideen und wirkt dadurch zugleich jugendlich. Womöglich hätte auch Oleg Shebetadragan den alten, nicht eben glücklichen Nielsen beflügeln können. Sein Auftritt am Donnerstag in der Pirnaer Marienkirche zusammen mit der Elbland Philharmonie Sachsen war atemberaubend gut und ließ das Publikum minutenlang applaudieren. Der Beifall hätte dem Komponisten, der sich zu wenig verstanden gefühlt hatte, wohl gutgetan. Shebeta-dragan, 1994 geboren und aufgewachsen in der Ukraine, erregte vor zwei Jahren internationale Aufmerksamkeit, als er den Wettbewerb „Carl Nielsen International Competition“in Odense in der Kategorie seines Instruments gewann. Seine herausragende Klasse bestätigte der Gast der Elblandphilharmoniker, der für die ursprünglich geplante Bettina Aust einsprang.
Nielsen formte sein halbstündiges Konzert für Klarinette und Orchester op. 57 in einen Satz. Doch innerhalb dessen ist, angetrieben von einer kleinen Trommel und immer wieder gekrönt vom Solopart, ein melodisches Wechselbad zwischen zerbrechlichen Lyrismen und wuchtig-virtuoser Ekstase zu erleben.
Shebeta-dragan packte mit atemberaubender Technik und einer aufs feinste differenzierten Tongebung. Alles an seinem Vortrag wirkte spielerisch leicht, positiv und zugleich getragen von tiefer Demut gegenüber dem Werk. Chefdirigent Ekkehard Klemm vermittelte sensibel zwischen dem Solisten und seinem Orchester – beide Seiten schienen sich gegenseitig zu befruchten. Das noch drei Mal zu erlebende
Programm „Nordischer Klang“bietet zwei weitere hörenswerte Stücke. Den Einstieg liefert die Konzertouvertüre „Efterklange af Ossian – Nachklänge aus Ossian“, die Klemm in geheimnisvoll dunklen Farben zeichnete. Niels Wilhelm Gade, eigentlich Geiger, wurde mit diesem Opus 1 über einen Sagenstoff als Komponist schlagartig berühmt. Er studierte in Leipzig weiter, später war er am dänischen Musikkonservatorium auch Nielsens Lehrer.
Ein nordisches Programm ohne Sibelius wäre wohl keines, doch muss es nicht „Finlandia“sein. Klemm griff zur fünften Sinfonie, einem Werk voller Weite und Wucht, das mit dem „Schwanenthema“sein berühmtestes überhaupt enthält. Im spartanischen langsamen Satz verströmte sich fast meditative Ruhe, bevor das an Bruckner erinnernde Finale majestätisches Blech brachte, Akkordschläge zogen den Schlussstrich unter ein klangliches Prachtstück nicht ohne Wehmut.