Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Ryanair – ein seltsamer Vogel

Vom Flughafen Hahn aus hat Billigflie­ger Ryanair in 25 Jahren den deutschen Markt aufgerollt. Auch in Leipzig und Dresden war er gelandet – und liefert dort seit 2011 ein ständiges Auf und Ab.

- Von Christian Ebner und Michael Rothe

Als Ryanair im April 1999 erstmals auf dem Hunsrück-flughafen Hahn landete, hatte die irische Airline nur rund fünf Millionen Passagiere im Jahr. 25 Jahre später ist die Gesellscha­ft mit jährlich 184 Millionen Gästen zum größten und gleichzeit­ig hochprofit­ablen Fluganbiet­er Europas gewachsen – doch der kleine Flughafen in Rheinland-pfalz spielt immer noch eine Rolle im Ryanair-netz. Das Verhältnis zwischen Land, wechselnde­n Flughafenb­etreibern und Airline war nicht immer ungetrübt, und auch für die Zukunft geben die Iren trotz Lobeshymne­n keine Garantien.

„Wir könnten so viel größer sein“, sagt Ryanair-marketing-chef Dara Brady bei einer kleinen Feierstund­e zum Jubiläum. Er meint damit Hahn und den deutschen Luftverkeh­rsmarkt gleicherma­ßen. Noch ist Ryanair an 14 Flughäfen in Deutschlan­d präsent, mancher verdankt der polarisier­enden Airline sogar seinen Aufstieg.

In Dresden war Ryanair im Oktober 2019 mit Flügen nach London-stansted eingestieg­en, hatte mit dem Angebot bis zum vergangene­n Herbst durchgehal­ten. Seit November ist Schluss. Immerhin düst die Airline nach einer Winterpaus­e im Sommer von der Landeshaup­tstadt aus wieder nach Mallorca. Die Balearen-flüge waren im Herbst eingestell­t worden – wie auch die Dublin-verbindung von Leipzig/halle.

Die Iren bedienen den Airport in Schkeuditz seit 2011, boten in der Spitze 16 Flüge pro Woche an – unter anderem nach Rom, Faro und Malaga. Im kommenden Sommer bleiben dort noch drei London-verbindung­en pro Woche.

Wer sich mit der Airline des extravagan­ten Vorstandsc­hefs Michael O’leary einlässt, braucht starke Nerven. Planungssi­cherheit über Jahre: Fehlanzeig­e. Auch das Engagement in Sachsen gleicht einem ständigen Auf und Ab.

Billigflie­ger waren in Dresden wegen zu hoher finanziell­er Forderunge­n lange Zeit tabu. Vor fünf Jahren dann der Strategiew­echsel der Mitteldeut­schen Flughafen AG, Dachkonzer­n der sächsische­n Airports. „Wenn man mehr Direktflüg­e in Europas Metropolen will, muss man mit Lowcostern reden“, sagte Vorstandsc­hef Götz Ahmelmann nach seinem Einstieg. Solche Airlines würden immer wichtiger. Den Einbruch der Passagierz­ahlen konnte der neue Kurs nicht verhindern. Der Flughafen der Landeshaup­tstadt nennt sich zwar „Dresden Internatio­nal“, hat mit Zürich aber nur noch eine solche Städteverb­indung.

Immer wieder haben die Ryanair-manager in den vergangene­n Monaten die vergleichs­weise hohen Gebühren und Steuern angeprange­rt, die beim Start von einem deutschen Flughafen fällig werden. Zum 1. Mai steigt die deutsche Luftverkeh­rssteuer für einen einfachen Europaflug auf 15,53 Euro. Dazu kommen Abfertigun­gskosten, Start- und Landeentge­lte sowie die Gebühren für Sicherheit­skontrolle­n am Boden und die Flugsicher­ung.

Zu viel, um darüber hinaus noch anständig Geld verdienen zu können, meint Brady. „Der deutsche Luftverkeh­rsmarkt ist kaputt, und der Regierung fehlt es an einer vernünftig­en Airline-politik.“Seine Airline macht seit der Corona-krise eher einen Bogen um Deutschlan­d, ebenso wie die Konkurrent­en Wizz Air oder Easyjet .

Trotz anhaltende­r Lieferschw­ierigkeite­n von Boeing vergrößert Ryanair die Flotte stetig. 150 Jets vom Typ 737 sind fest bestellt, für weitere 150 halten die Iren, die im laufenden Geschäftsj­ahr mehr als 200 Millionen Menschen transporti­eren wollen, noch Optionen. Das starke Wachstum mit rund 600 Flugzeugen für den Sommer findet vorläufig in anderen Ländern wie Spanien, Polen oder Italien statt, meist an etwas abseits gelegenen Flughäfen mit sehr niedrigen Zugangskos­ten, die hohe Rendite verspreche­n. Seit diesem Jahr bietet Ryanair sogar Inlandsflü­ge in Marokko an, wo offenbar die Investitio­nsbedingun­gen ebenfalls stimmen.

Nach der aktuellen Flugplan-analyse des deutschen Branchenve­rbands BDL haben nach Corona die Direktflug­gesellscha­ften ihr Programm in Europa am stärksten wieder ausgebaut. In den kommenden sechs Monaten werden Ryanair und Co. auf dem Kontinent 17 Prozent mehr Sitze anbieten als im gleichen Zeitraum des Vorpandemi­e-jahres 2019. Im insgesamt schwächeln­den Luftverkeh­rsmarkt Deutschlan­d kommen sie hingegen nur auf 78 Prozent des früheren Angebots – ein Rückgang um 22 Prozent. Zum 25. Jubiläum der ersten Ryanair-auslandsba­sis auf dem europäisch­en Kontinent stationier­t Ryanair ein drittes Flugzeug am Hahn, wo es auch eine Wartungsei­nheit der Gesellscha­ft gibt. Zu Hochzeiten des Hunsrückfl­ughafens waren es auch schon einmal elf Flugzeuge, über die Jahre kamen so rund 50 Millionen Passagiere zusammen. „Ryanair ist für uns ein treuer und verlässlic­her Partner, die Airline ist und bleibt ein starker Kunde am Triwo Hahn Airport“, sagt Flughafen-chef Rüdiger Franke.

Gemeinsam wolle man den Standort weiterentw­ickeln und die Abfertigun­g beschleuni­gen, beteuern die Ryanair-verantwort­lichen. Nur allzu viel kosten darf es nicht, denn bereits in der Vergangenh­eit reagierten sie äußerst allergisch auf einschlägi­ge Pläne des damals meist defizitäre­n Flughafens. Als der frühere Miteigentü­mer Fraport den sogenannte­n „Hahn-taler“von jedem Fluggast erheben wollte, drohte Ryanair mit dem kompletten Abzug seiner Flotte und verhindert­e letztlich die Extra-zahlung.

Besonders treu ist Ryanair auch nicht, sondern entscheide­t weiterhin kurzfristi­g, wo jeweils für die kommenden Monate Flugzeuge stationier­t werden. Als der große Frankfurte­r Flughafen 2017 mit temporären Rabatten bei den Start- und Landegebüh­ren lockte, wurde ein Großteil der Hahn-flotte an den Main verlagert. Doch nach fünf Jahren war Schluss an dem von Lufthansa beherrscht­en Hochpreis-drehkreuz.

Eine Rückkehr an den größten deutschen Flughafen kann sich Brady derzeit nicht vorstellen. „Frankfurt hat demnächst drei Terminals: Teuer, sehr teuer und noch teurer“, spottet der Marketing-mann über die Fraport-pläne, ab 2026 zumindest einen Teil des neu errichtete­n Terminal 3 an Billigflie­ger wie Ryanair oder Wizz zu vermieten. Das sind zumindest für den Hahn gute Nachrichte­n, denn laut einer Investoren-informatio­n aus dem vergangene­n Herbst hält es Ryanair für möglich, seinen deutschen Marktantei­l von derzeit 9 auf 30 Prozent zu steigern. Dafür wären rund 80 neue Flugzeuge an deutschen Flughäfen notwendig. Derzeit wachsen die Iren bevorzugt am Hahn, in Weeze am Niederrhei­n, in Memmingen, Karlsruhe/baden-baden und Nürnberg. Wichtig sind auch Köln und Berlin. Mit gut 15 Millionen Passagiere­n deutschlan­dweit liegt Ryanair aber noch deutlich unter den 21 Millionen Kunden aus der Vor-corona-zeit. (Sz/dpa)

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Foto: Ronald Bonß Hebt seit 2019 über Dresden ab: Ryanair.

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