„Es kommt darauf an, sich nicht entmutigen zu lassen“
Spd-politiker Matthias Ecke wurde ins Krankenhaus geprügelt. Verachtung und Hass gegenüber demokratisch Engagierten nehmen zu. Die Dresdner Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer ordnet ein.
Der Angriff auf den Dresdner Politiker Matthias Ecke (SPD) schockte ganz Deutschland. Beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden-striesen wurde er von einer Gruppe junger Männer krankenhausreif geschlagen. Viele sahen in der Attacke auf den Politiker einen Angriff auf unsere Demokratie. Woher kommen Hass und Hetze gegen Politiker? Wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus? Ein Gespräch dazu mit Marianne Kneuer, Professorin für Politische Systeme und Systemvergleich an der Technischen Universität Dresden. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der Demokratieund Autokratieforschung.
Frau Kneuer, kürzlich wurde der Spdpolitiker Matthias Ecke angegriffen und schwer verletzt. Hätten Sie damit gerechnet, dass so etwas passiert?
Es ist nicht das erste Mal, dass es gewalttätige Aggressionen gegen politische Amtsträgerinnen und Amtsträger gibt. Wir haben in den letzten Jahren etliche Vorfälle gehabt, wo insbesondere auch kommunale Politiker angegriffen worden sind. Ich denke dabei an die Fackelzüge vor dem Haus der sächsischen Gesundheitsministerin oder an den Mord des Kasseler Regierungspräsidenten. Leider hat sich diese Aggression und Gewalt zu einem fast alltäglichen Phänomen verstärkt.
Erwarten Sie, dass es in Zukunft noch schlimmer wird?
Das ist Spekulation, aber hier handelt es sich um eine Aktivität im Rahmen eines Wahlkampfes. Und man kann im Allgemeinen sagen, dass Wahlkämpfe einen zunehmend stärkeren Wettstreit – einen stärkeren Wettkampf – auch tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes „Kampf“bedeuten.
Mittlerweile hat sich ein 17-Jähriger gestellt, und auch die anderen Verdächtigen sind allesamt junge Männer. Inwiefern ist diese Verachtung ein altersspezifisches Problem?
Das Phänomen der Staatsverachtung und Staatsfeindlichkeit ist altersübergreifend. Es kommt bei jüngeren und älteren Menschen vor. Dass es sich in diesem Fall um sehr junge Erwachsene handelt, ist natürlich besonders besorgniserregend.
Einige sprechen auch von einem „Tiktok-einfluss“bei der zunehmenden Gewalt Jugendlicher und junger Erwachsener. Wie schätzen Sie das ein?
Sicherlich haben soziale Medien jeglicher Art einen Einfluss auf die Art der Kommunikation. Auch auf die Frage, wie hoch und niedrig die Hemmschwellen sind, wenn es zum Beispiel um Hassrede geht. Inwiefern Tiktok wirklich Einfluss auf gewalttätige Akte hat, müsste man genauer analysieren.
Sind Hass und Verachtung gegenüber politisch engagierten Menschen besonders ein ostdeutsches Problem?
Rainer Eppelmann, der ja selbst Ostdeutscher ist, hat einmal sehr gut herausgearbeitet, dass die Einstellung der Ostdeutschen zum Staat anders sei als die der Westdeutschen. Und deswegen seien die Ostdeutschen einerseits besonders wachsam und kritisch gegenüber einer vermeintlichen Bevormundung. Andererseits trügen sie auch sehr hohe Erwartungen an den Staat heran. Wenn diese Erwartungen an den Staat nicht erfüllt werden, können sehr schnell Frustrationseffekte entstehen, die in Ablehnung umschlagen.
Wie wirkt sich der Angriff in Zukunft auf das politische Engagement aus?
Gerade bei kommunalen Amtsträgern haben wir ja schon länger ein Problem. Hassrede oder Angriffe auf Personen in der Lokalpolitik sind besonders einfach, weil man sich dort kennt. Die kommunalen Amtsträger arbeiten oft ehrenamtlich. Manche ziehen sich dann zurück, wenn sie zu viel Gegenwind erleben. Andere fühlen sich durch solche Angriffe erst recht dazu angetrieben, die Demokratie weiter zu verteidigen und für ihr Engagement geradezustehen. Es kommt darauf an, dass sich die Menschen nicht entmutigen lassen.
Gegenüber Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kam der Vorwurf auf, die CDU habe mit ihrem „Ampelbashing“den Groll auf die Regierungsparteien angefeuert. Was ist noch Wahlkampfrhetorik und wo fängt demokratiezersetzendes Diffamieren an?
Es ist das normale Wechselspiel in einer Demokratie, dass sich Regierung und Opposition gegenüberstehen und sich im politischen Wettbewerb mit Programmen, Ideen und Politik auseinandersetzen. Wir brauchen natürlich nicht nur diese Auseinandersetzung, sondern auch immer wieder den Konsens für gemeinsame Lösungen. Nun ist es aber derzeit mehr die Koalition in sich, die ein zerstrittenes Bild präsentiert, bei dem sich drei Parteien regelmäßig nicht einigen können. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Zerstrittenheit nicht goutieren.
Also finden Sie nicht, dass die CDU in ihrer Rhetorik diesen Hass befeuert?
Ich kann nicht sehen, dass demokratische Parteien Hass schüren. Wohl aber die AFD.
Nach aktuellen Umfragen werden in diesem Jahr ein Drittel aller Sachsen die AFD wählen, eine Partei, deren Landesvorstand als gesichert rechtsextrem gilt. Wie viele davon wählen die Partei, weil sie das Vertrauen in die derzeit gelebte Demokratie verloren haben?
Wir wissen, dass es unter den Afd-wählern zwei unterschiedliche Gruppen gibt. Die einen, die wirklich die Werte der AFD teilen – die Kernwählerschaft, die sich sehr stark mit ihr identifiziert. Und potenzielle Wähler, die die AFD wählen, weil sie unzufrieden mit der Regierungspolitik sind oder insgesamt das Vertrauen verloren haben.
Es ist wichtig, zu unterscheiden, zwischen der generellen Einstellung zur Demokratie als Idee und dem, wie Demokratie konkret umgesetzt wird.
Inwiefern?
Bei der Idee, also der Herrschaftsform Demokratie, sind die Zustimmungswerte in ganz Deutschland und auch in Ostdeutschland relativ hoch. Aber die Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Regierung die Demokratie umsetzt, wirkt sich auf das Vertrauen in die Institutionen und in den Staat aus. Und beeinflusst das Wahlverhalten. Die Wähler, die der AFD nahestehen, sind tatsächlich diejenigen, die am wenigsten zufrieden mit der Demokratie sind (unter zehn Prozent). Auch Linkewähler oder Parteilose sind unzufriedener. Überdurchschnittlich zufrieden mit der Demokratie sind dagegen Wähler von CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP.
Warum ist Vertrauen in Demokratie überhaupt wichtig?
In einer Demokratie braucht es Bürgerinnen und Bürger, die davon überzeugt sind, dass Demokratie die richtige Herrschaftsform ist. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass Vertrauen in die einzelnen Institutionen da ist, denn sie sind das Gerüst, das die Demokratie zusammenhält. Und schließlich Vertrauen in die Politikerinnen und Politiker, die am Ende in dieser Demokratie für die Bürgerschaft die Entscheidungen treffen. Wenn irgendwo das Vertrauen verloren geht, fehlt die Akzeptanz der Demokratie. Und das führt zu ihrer Destabilisierung.
Premierenkino der DDR wird saniert
Berlin. Wegen einer Sanierung wird das Kino International ab Dienstag für zwei Jahre geschlossen. 80 Prozent der technischen Anlagen sollen laut Angaben der Yorck-kinos erneuert werden. „Jedes Kabel und jeder Heizkörper werden ausgetauscht.“Am Montagabend war in dem Gebäude an der Karl-marx-allee der letzte Spieltag vor der Sanierung. Auf dem Programm standen das Drama „Sterben“sowie die Klassiker „Dirty Dancing“und „The Women“(1939).
Das Kino International war einst das wichtigste Premierenkino der DDR. Es gehört zu den Spielstätten der Berlinale und ist für seine markante Architektur bei Filmfans und Touristen bekannt. In dem 1963 errichteten Haus wurden neben den Produktionen der Ddr-filmgesellschaft Defa auch ausgewählte westliche Filme gezeigt, zum Beispiel 1987 der Tanzfilm „Dirty Dancing“. Filmpremieren fanden regelmäßig in Anwesenheit der Staatsführung statt, die dort sogar einen eigenen Repräsentationsraum für Gäste hatte. (dpa)