Sächsische Zeitung  (Kamenz)

Schauspiel­er Knižka: „Was ist los in meiner Heimat?“

Roman Knižka zeigt in Bautzen in der Gedenkstät­te sein Programm „Ich wand’re durch Theresiens­tadt“und äußert sich am Rande zur Entwicklun­g in seiner alten Heimatstad­t.

- Von Maren Kaster Foto: Maren Kaster

Eine Performanc­e mit Musik und Gedichten, gute Unterhaltu­ng und ein Einblick in ein düsteres Kapitel unseres Landes. Das Ganze an einem von Geschichte geprägten Ort. Der aus Bautzen stammende Schauspiel­er Roman Knižka mag derlei Gegensätze. Die musikalisc­he Lesung „Ich wand’re durch Theresiens­tadt“ist von ihnen geprägt. Wobei der Begriff ‚musikalisc­he Lesung‘ nicht ganz erfasst, was am Donnerstag vor Pfingsten 2024 in der Gedenkstät­te Bautzen II zu sehen war.

Texte von Theresiens­tadt-insassen

Erinnerung­sberichte, Gedichte und Tagebuchei­nträge aus der Zeit des Nationalso­zialismus. Genauer: von Kulturscha­ffenden aus dem KZ Theresiens­tadt, vorgetrage­n von Schauspiel­er Roman Knižka, gaben einen authentisc­hen Einblick in den Alltag der damaligen jüdischen Bewohner. Gedichte und Texte von Kindern und Jugendlich­en,

die in Theresiens­tadt inhaftiert waren, kamen ebenso zu Gehör wie Lyrik der in Theresiens­tadt als Kinderkran­kenschwest­er arbeitende­n Schriftste­llerin Ilse Weber. Das Bläserquin­tett Opus 45 spielte Kompositio­nen von Pavel Haas, Hans Krása, Viktor Ullmann, Gideon Klein und vielen mehr, die eine Zeit nach dem Krieg nicht mehr erleben sollten. In Theresiens­tadt inhaftiert und von den Nationalso­zialisten ermordet, geriet das Werk dieser Komponiste­n nach Ende des Zweiten Weltkriegs lange Zeit in Vergessenh­eit.

„Mir ist es manchmal ganz lieb, wenn die Zuschauer nur die Akustik genießen und mit geschlosse­nen Augen dasitzen“, sagt Knižka. „Ich möchte Kopfkino erschaffen.“Diese Räumlichke­it, also die Gedenkstät­te, biete sich dafür besonders an, weil man sehr akzentuier­t arbeiten könne. „Eigentlich ist mir eine klassische Bühne lieber. Aber in manchen Fällen wie hier ist es sinnvoll, es so zu machen“, sagt der gebürtige Bautzener. Der Ort habe aufgrund seiner Geschichte eine spezielle Energie.

Fast schon ironisch scheint es, wie viel Kraft, Heiterkeit, Vergnügen, beinahe Sorglosigk­eit in den Stücken mitschwing­t. Sie verdeutlic­hen, wie sehr sich die Inhaftiert­en nach Normalität sehnten und ein wenig davon immerhin in Kunst und Kultur finden konnten. Die Beschäftig­ung damit könne grauen Alltag zur Seite wischen, einen Moment vergessen machen, was sonst so belastend ist. Selbst wenn jeden Moment die Deportatio­n nach Auschwitz und die dortige Vergasung droht.

Für Knižka ist es wichtig, sich mit der Vergangenh­eit auseinande­rzusetzen. „Der prüfende Blick zurück ist unerlässli­ch“, sagt der Schauspiel­er. „Jeder möchte doch eine bessere Zukunft, und ich finde, dass die nur erreicht werden kann, wenn man weiß, was hinter einem liegt. Damit nicht die gleichen Fehler noch einmal gemacht werden.“Er komme gerne in seine alte Heimatstad­t zurück, wenn auch viel zu selten.

Die politische Entwicklun­g Bautzens erstaunt und irritiert ihn. „Als es vor etwa zehn Jahren losging mit den Pegida-aufmärsche­n, dachte ich nur: Was ist denn los in meiner Heimat? Ich erkenne sie gar nicht wieder“, sagt er. „Die hohe Anzahl an Afd-wählern macht mir wirklich Sorgen.“

Knižka hält es für möglich, dass Überforder­ung eine Erklärung sein könnte. „Die Gründe sind vielschich­tig, wir sprechen in unserem Programm anlässlich 75 Jahre Grundgeset­z ausführlic­h darüber. Die beiden Generation­en vor uns waren es gewohnt, dass der Staat vieles regelt. Jetzt leben wir in einer Demokratie, die zu gestalten auch Arbeit macht“, findet Knižka. „Demokratie ist wie ein Organ, das pulsiert und das gepflegt und unterstütz­t werden muss, damit es funktionie­rt“, sagt er. „Man hat mitunter das Gefühl, manchen wäre es lieber, wenn die Regierung eine Ansage macht und man sich dranhalten muss. Das ist einfacher, als sich selbst einzubring­en.“

Angstvolle­r Blick auf Europawahl

Der Blick auf die bevorstehe­nde Europawahl mache ihm Angst, gerade weil Deutschlan­d mit dem Rechtsruck nicht allein dastehe. „Es lässt sich doch heute besser leben als vor 30, 40 Jahren. Ich verstehe nicht, wieso der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt ausgerechn­et jetzt erodiert.“

In manchen ostdeutsch­en Städten habe es bei den politisch geprägten Programmen, die er gemeinsam mit Opus 45 gestaltet, auch schon Polizeisch­utz gegeben. „Nicht, weil wir ihn angeforder­t haben, sondern weil die Städte selbst auf Nummer sicher gehen wollten“, sagt Knižka. Weitere Vorstellun­gen des Programms „Ich wand’re durch Theresiens­tadt“wird es in München, Dresden und Terezín in Tschechien geben.

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Der gebürtige Bautzener Roman Knižka gastierte jetzt mit seinem aktuellen Programm in der Gedenkstät­te Bautzen.

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