Sächsische Zeitung (Löbau-Zittau)
Wer ist die Zittauerin, die wiederholt bei „Jugend forscht“abgeräumt hat?
Helena Krüger vom Christian-Weise-Gymnasium in Zittau kämpft demnächst um den bundesweiten Sieg bei „Jugend forscht“. Auf dem Weg dahin half die Hochschule.
Sie sitzt vor dem Versuchsstand, an dem sich ein Windkanal anschließt. Mit der Anlage kann Helena Krüger die Flug-Eigenschaften von Federbällen vergleichen, die je nach Material anders ausfallen. Ob beim Drehmoment um die Querachse, Nachschwingoder Reibungsverhalten: Die angehende Abiturientin des Christian-WeiseGymnasiums in Zittau hat ermittelt, dass Federbälle aus Kunststoff nicht so schnell ihre Flugbahn stabilisieren wie die aus Entenoder Gänsefedern. Als Alternative kommt Carbon zumindest nahe ran.
Was die Versuche besonders macht: Die 18-Jährige steht damit im Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“vom 30. Mai bis 2. Juni in Heilbronn, nachdem sie beim Regionalund Landesausscheid erste Plätze im Fachbereich Physik erreicht hatte. Dazu kommen Sonderpreise des sächsischen Wirtschaftsministeriums, Bundesumweltministeriums und der Carl Zeiss AG – verbunden mit Preisgeldern.
Dass Helena Krüger sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt, hängt mit ihrem Hobby Badminton zusammen. Seit 2016 spielt die Zittauerin bei der SG Robur, ist im Doppel bei der U19 und mit der Mannschaft bei den Erwachsenen Sachsenmeisterin geworden. Die Schülerin reizt die schnellste Sportart der Welt, stört aber die fehlende Nachhaltigkeit der Spielbälle. Die bestehen im professionellen Bereich aus natürlichen Federn – eben wegen der FlugEigenschaften. Nur ist die Fertigung von Hand teuer, die Nutzungsdauer begrenzt. Zwei bis drei Bälle verbraucht allein die 18-Jährige pro Spiel. Deutschlandweit kommen bei rund 4,5 Millionen Sportlern so etwa 22 Tonnen jedes Jahr zustande. Kosten und Abfallmengen sind also ein Problem. Vor dem Hintergrund präsentierte Helena Krüger die Idee des Federball-Vergleichs dem Physik-Lehrer Ulrich Franz. Er betreute bereits eine andere Arbeit von ihr, die sie als besondere Lernleistung in das Abitur einfließen lassen wollte. Darin beschrieb die Schülerin die Drehung des Federballs mathematisch. Schon mit der Arbeit erreichte die Zittauerin bei „Jugend forscht“einen 3. Platz im regionalen Wettbewerb.
Das neue Vorhaben sollte nun darauf aufbauen. Doch das Nachfolge-Projekt war für Ulrich Franz ein riskantes, da die Unterschiede zwischen den Federball-Modellen minimal sind. Dort Größen nachzumessen, hielt der Physik-Lehrer für schwierig – musste sich aber am Ende eines Besseren belehren lassen. „Hier sind Ausdauer, Fleiß und Sorgfalt gefragt“, sagt der Lehrer. „Und sich Hilfe an der richtigen Stelle zu holen.“Weil am Gymnasium die technischen Voraussetzungen
für derartige Experimente fehlen, trat Helena Krüger mit der Fakultät für Maschinenwesen der Hochschule in Kontakt. Dort nahmen sich Prof. Karel Frana und Labor-Ingenieur Felix Rothe ihres Themas an, stellten Windkanal, Messtechnik und Know-how zur Verfügung. In der Werkstatt der Fakultät entstand auch der Versuchsstand, deren Bau zwei Firmen vorher ablehnten. „Wir haben mit beschränkten Mitteln wunderbare Ergebnisse erzielt“, sagt Felix Rothe. Dabei stand für die Hochschule die Methodik im Fokus – also der Prozess von der Recherche über die Messung und Optimierung bis zur Auswertung. Die Fakultät hat nun weitere Untersuchungen vor, beispielsweise will sie das Umströmen des Federballs visualisieren. Auch zur Studienwerbung soll der Versuchsstand eingesetzt werden. „Wenn alles weiterhin so gut läuft, ist die Publikation der Ergebnisse in einer Fachzeitschrift denkbar“, berichtet der Labor-Ingenieur. Bisher existieren solche Federball-Studien vor allem im asiatischen Raum, wo Badminton besonders populär ist.
Für Helena Krüger steht zunächst die Vorbereitung auf die Abitur-Prüfungen diesen Monat an. Hinzu kommt die Verteidigung ihrer besonderen Lernleistung. „Sie wird glänzen“, sagt Ulrich Franz, der nach ihren Siegen bei „Jugend forscht“keine Zweifel mehr hat. Er weiß durch seine 24-jährige Tätigkeit als Physik-Lehrer am Gymnasium auch von keinem weiteren Preisträger bei „Jugend forscht“. So könnte die Schülerin ein Vorbild für andere sein, meint er. Dabei war die 18-Jährige mit keinen großen Erwartungen in den diesjährigen Wettbewerb gestartet – aufgrund der Erfahrung und Konkurrenz. Dass die Zittauerin dieses Mal so weit gekommen ist, macht sie sprachlos.
Für Helena Krüger bedeutet die Teilnahme in erster Linie: Spaß haben, Kontakte knüpfen, Inspiration holen. Ihre bisherige Erkenntnis durch das Projekt: „Wissenschaft erfordert viel Geduld.“Der Forschung will die angehende Abiturientin nach der Zeit am Gymnasium darum weiter nachgehen, eventuell Physik studieren. Den Reiz sieht sie darin, Rätsel zu lösen.