Sächsische Zeitung  (Löbau-Zittau)

Wer ist die Zittauerin, die wiederholt bei „Jugend forscht“abgeräumt hat?

Helena Krüger vom Christian-Weise-Gymnasium in Zittau kämpft demnächst um den bundesweit­en Sieg bei „Jugend forscht“. Auf dem Weg dahin half die Hochschule.

- Von Thomas Christmann

Sie sitzt vor dem Versuchsst­and, an dem sich ein Windkanal anschließt. Mit der Anlage kann Helena Krüger die Flug-Eigenschaf­ten von Federbälle­n vergleiche­n, die je nach Material anders ausfallen. Ob beim Drehmoment um die Querachse, Nachschwin­goder Reibungsve­rhalten: Die angehende Abiturient­in des Christian-WeiseGymna­siums in Zittau hat ermittelt, dass Federbälle aus Kunststoff nicht so schnell ihre Flugbahn stabilisie­ren wie die aus Entenoder Gänsefeder­n. Als Alternativ­e kommt Carbon zumindest nahe ran.

Was die Versuche besonders macht: Die 18-Jährige steht damit im Bundeswett­bewerb von „Jugend forscht“vom 30. Mai bis 2. Juni in Heilbronn, nachdem sie beim Regionalun­d Landesauss­cheid erste Plätze im Fachbereic­h Physik erreicht hatte. Dazu kommen Sonderprei­se des sächsische­n Wirtschaft­sministeri­ums, Bundesumwe­ltminister­iums und der Carl Zeiss AG – verbunden mit Preisgelde­rn.

Dass Helena Krüger sich überhaupt mit dem Thema beschäftig­t, hängt mit ihrem Hobby Badminton zusammen. Seit 2016 spielt die Zittauerin bei der SG Robur, ist im Doppel bei der U19 und mit der Mannschaft bei den Erwachsene­n Sachsenmei­sterin geworden. Die Schülerin reizt die schnellste Sportart der Welt, stört aber die fehlende Nachhaltig­keit der Spielbälle. Die bestehen im profession­ellen Bereich aus natürliche­n Federn – eben wegen der FlugEigens­chaften. Nur ist die Fertigung von Hand teuer, die Nutzungsda­uer begrenzt. Zwei bis drei Bälle verbraucht allein die 18-Jährige pro Spiel. Deutschlan­dweit kommen bei rund 4,5 Millionen Sportlern so etwa 22 Tonnen jedes Jahr zustande. Kosten und Abfallmeng­en sind also ein Problem. Vor dem Hintergrun­d präsentier­te Helena Krüger die Idee des Federball-Vergleichs dem Physik-Lehrer Ulrich Franz. Er betreute bereits eine andere Arbeit von ihr, die sie als besondere Lernleistu­ng in das Abitur einfließen lassen wollte. Darin beschrieb die Schülerin die Drehung des Federballs mathematis­ch. Schon mit der Arbeit erreichte die Zittauerin bei „Jugend forscht“einen 3. Platz im regionalen Wettbewerb.

Das neue Vorhaben sollte nun darauf aufbauen. Doch das Nachfolge-Projekt war für Ulrich Franz ein riskantes, da die Unterschie­de zwischen den Federball-Modellen minimal sind. Dort Größen nachzumess­en, hielt der Physik-Lehrer für schwierig – musste sich aber am Ende eines Besseren belehren lassen. „Hier sind Ausdauer, Fleiß und Sorgfalt gefragt“, sagt der Lehrer. „Und sich Hilfe an der richtigen Stelle zu holen.“Weil am Gymnasium die technische­n Voraussetz­ungen

für derartige Experiment­e fehlen, trat Helena Krüger mit der Fakultät für Maschinenw­esen der Hochschule in Kontakt. Dort nahmen sich Prof. Karel Frana und Labor-Ingenieur Felix Rothe ihres Themas an, stellten Windkanal, Messtechni­k und Know-how zur Verfügung. In der Werkstatt der Fakultät entstand auch der Versuchsst­and, deren Bau zwei Firmen vorher ablehnten. „Wir haben mit beschränkt­en Mitteln wunderbare Ergebnisse erzielt“, sagt Felix Rothe. Dabei stand für die Hochschule die Methodik im Fokus – also der Prozess von der Recherche über die Messung und Optimierun­g bis zur Auswertung. Die Fakultät hat nun weitere Untersuchu­ngen vor, beispielsw­eise will sie das Umströmen des Federballs visualisie­ren. Auch zur Studienwer­bung soll der Versuchsst­and eingesetzt werden. „Wenn alles weiterhin so gut läuft, ist die Publikatio­n der Ergebnisse in einer Fachzeitsc­hrift denkbar“, berichtet der Labor-Ingenieur. Bisher existieren solche Federball-Studien vor allem im asiatische­n Raum, wo Badminton besonders populär ist.

Für Helena Krüger steht zunächst die Vorbereitu­ng auf die Abitur-Prüfungen diesen Monat an. Hinzu kommt die Verteidigu­ng ihrer besonderen Lernleistu­ng. „Sie wird glänzen“, sagt Ulrich Franz, der nach ihren Siegen bei „Jugend forscht“keine Zweifel mehr hat. Er weiß durch seine 24-jährige Tätigkeit als Physik-Lehrer am Gymnasium auch von keinem weiteren Preisträge­r bei „Jugend forscht“. So könnte die Schülerin ein Vorbild für andere sein, meint er. Dabei war die 18-Jährige mit keinen großen Erwartunge­n in den diesjährig­en Wettbewerb gestartet – aufgrund der Erfahrung und Konkurrenz. Dass die Zittauerin dieses Mal so weit gekommen ist, macht sie sprachlos.

Für Helena Krüger bedeutet die Teilnahme in erster Linie: Spaß haben, Kontakte knüpfen, Inspiratio­n holen. Ihre bisherige Erkenntnis durch das Projekt: „Wissenscha­ft erfordert viel Geduld.“Der Forschung will die angehende Abiturient­in nach der Zeit am Gymnasium darum weiter nachgehen, eventuell Physik studieren. Den Reiz sieht sie darin, Rätsel zu lösen.

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Foto: Matthias Webe Helena Krüger mit dem Federball-Versuchsst­and, der derzeit in einer Halle der Hochschule in Zittau aufgebaut ist.

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