Sächsische Zeitung (Löbau-Zittau)
Kann eine Fledermaus die Notsicherung des Oybiner Berggasthofs verhindern?
Die Schäden am historischen Gemäuer sind inzwischen so groß, dass dringend gehandelt werden muss. Doch da ist ja noch der Naturschutz ...
Dieser Anblick lässt keinen Zweifel: Hier ist Gefahr im Verzug! Die Wetterseite des historischen Berggasthofs auf dem Oybin ist nach jahrzehntelangem Verfall mittlerweile derart geschädigt, dass sie einzustürzen droht. Um die wertvolle Bausubstanz zu retten, will die Gemeinde Oybin sie nun wenigstens erst einmal notsichern. Alles ist vorbereitet. Die Fördermittel sind bewilligt, die Bauaufträge vergeben. Es könnte sofort losgehen – wenn da nicht noch der Naturschutz wäre.
Denn ob Einsturzgefahr oder nicht: Das letzte Wort in diesem Fall haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde im Görlitzer Landratsamt. Kein Baubeginn ohne ihre Zustimmung! Und sie lassen sich Zeit: Zwei verschiedene Umweltgutachten musste die Gemeinde für das Bauvorhaben Notsicherung erstellen lassen und beim Umweltamt einreichen – eins speziell zum Vogelschutz und eins zum Artenschutz im Allgemeinen. Und beide könnten im Ergebnis einen entscheidenden Einfluss auf den Bauablauf – ja auf das gesamte Bauvorhaben an sich nehmen, es im schlimmsten Fall sogar verhindern.
Da wäre zuerst das Gutachten zum Artenschutz: „Es ist bekannt, dass der Berggasthof zumindest zeitweise von Fledermäusen bewohnt wird“, weiß man im Umweltamt. Und möglicherweise werde das Gemäuer auch von Vögeln als „Rast-, Brutoder Fortpflanzungsstätte“genutzt. Wenn es um die Vögel geht, steht nicht nur das Gebäude selbst im Fokus der Umweltschützer: Solche Sanierungsarbeiten sind schließlich mit Lärm verbunden, der sich auch nachteilig auf geschützte Vogelarten auswirken könnte, die im Umfeld des Gebäudes brüten.
Beim Oybiner Bürgermeister Tobias Steiner (parteilos) schrillen da gleich die Alarmglocken: Es ist ja auch allseits bekannt, dass im Umfeld des Oybin Wanderfalken und Uhus brüten. Könnte deren Anwesenheit das Bauvorhaben sogar verhindern? In der Unteren Naturschutzbehörde wird selbst ein solches Szenario offenbar nicht ausgeschlossen: Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet es unter anderem, streng geschützte Arten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungsund Wanderungszeiten erheblich zu stören. „Wir haben das entsprechend zu prüfen und Vermeidungsmaßnahmen auszuarbeiten“, heißt es aus dem Landratsamt.
Wie solche Maßnahmen unter anderem aussehen können, zeigt das Beispiel der Sanierung des Glockenturms der Kirche im Zittauer Gebirgsort Waltersdorf. Ein Jahr lang war das Dorf ohne Kirchenglocken, weil wegen der Fledermäuse im Glockenturm nur in einem kleinen Zeitfenster im Winter gebaut werden durfte.
Und da ist ja vor allem auch noch der Vogelschutz: Der Bergasthof auf dem Oybin liegt im Europäischen Vogelschutzgebiet „Zittauer Gebirge“, einer besonderen Schutzzone für bedrohte Arten und Lebensräume. In einem solchen Gebiet kann nur gebaut werden, wenn geschützte Vogelarten dadurch in ihren Lebensräumen keine erheblichen Beeinträchtigungen erfahren, so erklärt es eine Sprecherin de Landratsamt in umständlichem BehördenDeutsch. In der Unteren Naturschutzbehörde muss nun geprüft werden, wie „erheblich“sich die Bauarbeiten auf das Leben von Wanderfalke, Uhu und Co. auswirken. Im Gesetz ist dafür eine sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“festgelegt. Sollen die Prüfungen im Umweltamt ergeben, dass diese Schwelle bei den geplanten Bauarbeiten überschritten würde, dann würde das tatsächlich heißen: „Das Projekt ist unzulässig“, so erklärt es die Sprecherin.
Oybins Bürgermeister hofft nun inständig auf einen Kompromiss: „Die Gemeinde als Bauherr muss nachzuweisen, dass durch das Sanierungsvorhaben eben keine erheblichen Beeinträchtigungen des Europäischen Vogelschutzgebietes resultieren“, sagt er und ist nun gespannt, ob das auch die Naturschützer so sehen.
Beide Gutachten liegen seit voriger Woche im Umweltamt vor, bestätigt die Landratsamts-Sprecherin. „Sie befinden sich augenblicklich in der Prüfung durch die Behörde“, teilt sie mit. Wann denn mit einem Baubeginn zu rechnen ist, sagt sie, dazu könne die Untere Naturschutzbehörde keine Aussage treffen.
Tobias Steiner ist dennoch frohen Mutes. „Es darf doch nicht sein, dass so ein wichtiges und notwendiges Bauvorhaben tatsächlich von einer Fledermaus verhindert werden kann“, sagt er. „Ich bin überzeugt, dass es da einen Weg gibt, den wir gemeinsam mit der Behörde auch finden werden“. Tobias Steiner hofft nun, dass die Bauarbeiten trotz allem spätestens im Mai starten können.