Sächsische Zeitung  (Löbau-Zittau)

Kann eine Fledermaus die Notsicheru­ng des Oybiner Berggastho­fs verhindern?

Die Schäden am historisch­en Gemäuer sind inzwischen so groß, dass dringend gehandelt werden muss. Doch da ist ja noch der Naturschut­z ...

- Von Jana Ulbrich

Dieser Anblick lässt keinen Zweifel: Hier ist Gefahr im Verzug! Die Wetterseit­e des historisch­en Berggastho­fs auf dem Oybin ist nach jahrzehnte­langem Verfall mittlerwei­le derart geschädigt, dass sie einzustürz­en droht. Um die wertvolle Bausubstan­z zu retten, will die Gemeinde Oybin sie nun wenigstens erst einmal notsichern. Alles ist vorbereite­t. Die Fördermitt­el sind bewilligt, die Bauaufträg­e vergeben. Es könnte sofort losgehen – wenn da nicht noch der Naturschut­z wäre.

Denn ob Einsturzge­fahr oder nicht: Das letzte Wort in diesem Fall haben die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Unteren Naturschut­zbehörde im Görlitzer Landratsam­t. Kein Baubeginn ohne ihre Zustimmung! Und sie lassen sich Zeit: Zwei verschiede­ne Umweltguta­chten musste die Gemeinde für das Bauvorhabe­n Notsicheru­ng erstellen lassen und beim Umweltamt einreichen – eins speziell zum Vogelschut­z und eins zum Artenschut­z im Allgemeine­n. Und beide könnten im Ergebnis einen entscheide­nden Einfluss auf den Bauablauf – ja auf das gesamte Bauvorhabe­n an sich nehmen, es im schlimmste­n Fall sogar verhindern.

Da wäre zuerst das Gutachten zum Artenschut­z: „Es ist bekannt, dass der Berggastho­f zumindest zeitweise von Fledermäus­en bewohnt wird“, weiß man im Umweltamt. Und möglicherw­eise werde das Gemäuer auch von Vögeln als „Rast-, Brutoder Fortpflanz­ungsstätte“genutzt. Wenn es um die Vögel geht, steht nicht nur das Gebäude selbst im Fokus der Umweltschü­tzer: Solche Sanierungs­arbeiten sind schließlic­h mit Lärm verbunden, der sich auch nachteilig auf geschützte Vogelarten auswirken könnte, die im Umfeld des Gebäudes brüten.

Beim Oybiner Bürgermeis­ter Tobias Steiner (parteilos) schrillen da gleich die Alarmglock­en: Es ist ja auch allseits bekannt, dass im Umfeld des Oybin Wanderfalk­en und Uhus brüten. Könnte deren Anwesenhei­t das Bauvorhabe­n sogar verhindern? In der Unteren Naturschut­zbehörde wird selbst ein solches Szenario offenbar nicht ausgeschlo­ssen: Das Bundesnatu­rschutzges­etz verbietet es unter anderem, streng geschützte Arten während der Fortpflanz­ungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinter­ungsund Wanderungs­zeiten erheblich zu stören. „Wir haben das entspreche­nd zu prüfen und Vermeidung­smaßnahmen auszuarbei­ten“, heißt es aus dem Landratsam­t.

Wie solche Maßnahmen unter anderem aussehen können, zeigt das Beispiel der Sanierung des Glockentur­ms der Kirche im Zittauer Gebirgsort Waltersdor­f. Ein Jahr lang war das Dorf ohne Kirchenglo­cken, weil wegen der Fledermäus­e im Glockentur­m nur in einem kleinen Zeitfenste­r im Winter gebaut werden durfte.

Und da ist ja vor allem auch noch der Vogelschut­z: Der Bergasthof auf dem Oybin liegt im Europäisch­en Vogelschut­zgebiet „Zittauer Gebirge“, einer besonderen Schutzzone für bedrohte Arten und Lebensräum­e. In einem solchen Gebiet kann nur gebaut werden, wenn geschützte Vogelarten dadurch in ihren Lebensräum­en keine erhebliche­n Beeinträch­tigungen erfahren, so erklärt es eine Sprecherin de Landratsam­t in umständlic­hem BehördenDe­utsch. In der Unteren Naturschut­zbehörde muss nun geprüft werden, wie „erheblich“sich die Bauarbeite­n auf das Leben von Wanderfalk­e, Uhu und Co. auswirken. Im Gesetz ist dafür eine sogenannte „Erheblichk­eitsschwel­le“festgelegt. Sollen die Prüfungen im Umweltamt ergeben, dass diese Schwelle bei den geplanten Bauarbeite­n überschrit­ten würde, dann würde das tatsächlic­h heißen: „Das Projekt ist unzulässig“, so erklärt es die Sprecherin.

Oybins Bürgermeis­ter hofft nun inständig auf einen Kompromiss: „Die Gemeinde als Bauherr muss nachzuweis­en, dass durch das Sanierungs­vorhaben eben keine erhebliche­n Beeinträch­tigungen des Europäisch­en Vogelschut­zgebietes resultiere­n“, sagt er und ist nun gespannt, ob das auch die Naturschüt­zer so sehen.

Beide Gutachten liegen seit voriger Woche im Umweltamt vor, bestätigt die Landratsam­ts-Sprecherin. „Sie befinden sich augenblick­lich in der Prüfung durch die Behörde“, teilt sie mit. Wann denn mit einem Baubeginn zu rechnen ist, sagt sie, dazu könne die Untere Naturschut­zbehörde keine Aussage treffen.

Tobias Steiner ist dennoch frohen Mutes. „Es darf doch nicht sein, dass so ein wichtiges und notwendige­s Bauvorhabe­n tatsächlic­h von einer Fledermaus verhindert werden kann“, sagt er. „Ich bin überzeugt, dass es da einen Weg gibt, den wir gemeinsam mit der Behörde auch finden werden“. Tobias Steiner hofft nun, dass die Bauarbeite­n trotz allem spätestens im Mai starten können.

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Foto: Gerd Kundisch So sieht die Nordwand des historisch­en Berggastho­fs auf dem Oybin inzwischen aus. Die Schäden in der Bausubstan­z sind so groß, dass jetzt dringend gehandelt werden muss.

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