Sächsische Zeitung (Löbau-Zittau)
Was Sachsen nach dem Bau der neuen Chipfabrik erwartet
Auf einer Standortkonferenz beraten Bürgermeister und Minister, wie Sachsen von der Chipfabrik ESMC profitieren kann. Ein Vorbild ist Oberbayern.
Dresden.
Die angekündigte Mikrochipfabrik mit 2.000 Arbeitsplätzen soll nicht nur der Stadt Dresden nützen. Bei einer Standortkonferenz in Radebeul haben am Donnerstag Bürgermeister, Landräte und Regionalplaner beraten, wie Sachsen insgesamt von der Neuansiedlung profitieren kann. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) verwies auf das Vorbild München: Von dessen Wirtschaftswachstum habe die ländliche Region stärker profitiert als die engere Umgebung der Großstadt.
Hilbert baut auf die Prognose des Branchenverbands Silicon Saxony, der zufolge bis 2030 mit 27.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen um Elektronik und Software zu rechnen sei. Diese Zahl gehe zwar über die bekannten Ansiedlungen hinaus. Aber um auf Erweiterungen vorbereitet zu sein, müssten Land und Kommunen schon die übernächsten Schritte vorbereiten.
Sachsens Minister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt (CDU), kündigte Investitionen in zusätzliche Wohnungen, Schul- und Kitaplätze sowie neue Industriegebiete an. Er versprach partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kommunen und betonte mehrfach die Chancen für Sachsen. An der Tagung beteiligten sich laut Teilnehmerliste zwei Dutzend Gemeindeoberhäupter von Nossen bis Kamenz und von Nünchritz bis Demitz-Thumitz.
Schmidt sagte, der Kreis der einzubeziehenden Gemeinden müsse noch ausgeweitet werden. Die neue Großansiedlung werde weiter nach Sachsen ausstrahlen.
Wohnungsbau: 30 Minuten Fahrzeit gelten als interessant
Die Investoren erwarten, dass etwa die Hälfte der Beschäftigten aus der Region kommen wird. Die andere Hälfte werde sich neu ansiedeln. In der Stadt Dresden sei der Wohnungsmarkt „durchaus angespannt“, sagte der Regionalminister. Hilbert sagte, eine Analyse der Wohnflächen in einem Umkreis von 30 Minuten Fahrzeit um Dresden sei geplant. Eine Investorenkonferenz könne helfen, die Geldgeber miteinander ins Gespräch zu bringen.
An der geplanten Fabrik namens ESMC sind außer dem Mehrheitseigner TSMC aus Taiwan auch Infineon, Bosch und NXP beteiligt. Ein Teil der Belegschaft wird aus Taiwan kommen. Hilbert sagte, der Konzern sei bereit, für die Beschäftigten aus Taiwan einige Jahre lang Wohnungen zu mieten. Sie sollten in räumlicher Nähe zueinander untergebracht werden, das habe Vorteile für den Werkverkehr, aber nicht nur an einem Standort. Nahe Kitas sowie Schulplätze mit Sprachunterricht in ihrer Heimatsprache seien gewünscht.
Schulen: Dresden interessiert an Plätzen im Kreis Bautzen
Die Mikrochipfabrik braucht laut Minister Schmidt nicht nur Akademiker, „sondern auch gut ausgebildete Facharbeiter“. Handwerker profitierten auch von der Neuansiedlung, sagte Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU). Hilbert verwies darauf, dass die Stadt ein neues Berufsschulzentrum Elektrotechnik plant. Die Kapazität für bisher rund 2.000 Berufsschüler reiche künftig nicht mehr aus. Die Erweiterung sei in Dresden-Prohlis vorgesehen. Hilbert erinnerte auch an Gespräche mit der Gemeinde Ottendorf-Okrilla nördlich von Dresden über zusätzliche Plätze für Gymnasiasten.
Weil Hunderte Schüler aus OttendorfOkrilla täglich nach Radeberg und in andere Orte pendeln, wird laut Hilbert über eine Weiterentwicklung der bestehenden Oberschule um Gymnasialzüge gesprochen. Es biete sich an, dort im Kreis Bautzen auch Schüler aus Dresden zu unterrichten, denn im Dresdner Norden fehle es an Möglichkeiten zur Erweiterung.
Verkehr: Warnung vor Kosten im Schienenverkehr
Während die Infineon-Fabrik mit demnächst 1.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen einen Straßenbahn-Anschluss hat, fahren zu Globalfoundries, Bosch und seinem Nachbarn ESMC Busse. Über eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 8 wird diskutiert. Hilbert verwies auf den geplanten Ausbau der S-Bahn nach Königsbrück. Doch mit Versprechen hielt sich der Oberbürgermeister zurück und verwies auf steigende Kosten: Bei der Finanzierung drohe ein „dramatisches Defizit“.
Arbeit: Auch Magdeburg und Breslau setzen auf Chips
Minister Schmidt sagte, außer den Fabriken kämen „definitiv Zulieferer“nach Sachsen. Die Entscheidung von TSMC lenke auch den Blick anderer Investoren auf den Standort. Schmidt erinnerte aber auch daran, dass die Automobilindustrie einen großen Umbau erlebe: Arbeitsplätze für Verbrennermotoren fallen weg, neue im Zusammenhang mit Elektroautos sind entstanden. In Magdeburg baut der US-Konzern Intel eine Mikrochipfabrik, 3.000 Arbeitsplätze sind geplant. In Breslau plant Intel ein Montage- und Testzentrum mit bis zu 2.000 Arbeitsplätzen. Beide sollen wie ESMC 2027 in Betrieb gehen.