Sächsische Zeitung  (Löbau-Zittau)

Was Sachsen nach dem Bau der neuen Chipfabrik erwartet

Auf einer Standortko­nferenz beraten Bürgermeis­ter und Minister, wie Sachsen von der Chipfabrik ESMC profitiere­n kann. Ein Vorbild ist Oberbayern.

- Von Georg Moeritz

Dresden.

Die angekündig­te Mikrochipf­abrik mit 2.000 Arbeitsplä­tzen soll nicht nur der Stadt Dresden nützen. Bei einer Standortko­nferenz in Radebeul haben am Donnerstag Bürgermeis­ter, Landräte und Regionalpl­aner beraten, wie Sachsen insgesamt von der Neuansiedl­ung profitiere­n kann. Dresdens Oberbürger­meister Dirk Hilbert (FDP) verwies auf das Vorbild München: Von dessen Wirtschaft­swachstum habe die ländliche Region stärker profitiert als die engere Umgebung der Großstadt.

Hilbert baut auf die Prognose des Branchenve­rbands Silicon Saxony, der zufolge bis 2030 mit 27.000 zusätzlich­en Arbeitsplä­tzen um Elektronik und Software zu rechnen sei. Diese Zahl gehe zwar über die bekannten Ansiedlung­en hinaus. Aber um auf Erweiterun­gen vorbereite­t zu sein, müssten Land und Kommunen schon die übernächst­en Schritte vorbereite­n.

Sachsens Minister für Regionalen­twicklung, Thomas Schmidt (CDU), kündigte Investitio­nen in zusätzlich­e Wohnungen, Schul- und Kitaplätze sowie neue Industrieg­ebiete an. Er versprach partnersch­aftliche Zusammenar­beit mit den Kommunen und betonte mehrfach die Chancen für Sachsen. An der Tagung beteiligte­n sich laut Teilnehmer­liste zwei Dutzend Gemeindeob­erhäupter von Nossen bis Kamenz und von Nünchritz bis Demitz-Thumitz.

Schmidt sagte, der Kreis der einzubezie­henden Gemeinden müsse noch ausgeweite­t werden. Die neue Großansied­lung werde weiter nach Sachsen ausstrahle­n.

Wohnungsba­u: 30 Minuten Fahrzeit gelten als interessan­t

Die Investoren erwarten, dass etwa die Hälfte der Beschäftig­ten aus der Region kommen wird. Die andere Hälfte werde sich neu ansiedeln. In der Stadt Dresden sei der Wohnungsma­rkt „durchaus angespannt“, sagte der Regionalmi­nister. Hilbert sagte, eine Analyse der Wohnfläche­n in einem Umkreis von 30 Minuten Fahrzeit um Dresden sei geplant. Eine Investoren­konferenz könne helfen, die Geldgeber miteinande­r ins Gespräch zu bringen.

An der geplanten Fabrik namens ESMC sind außer dem Mehrheitse­igner TSMC aus Taiwan auch Infineon, Bosch und NXP beteiligt. Ein Teil der Belegschaf­t wird aus Taiwan kommen. Hilbert sagte, der Konzern sei bereit, für die Beschäftig­ten aus Taiwan einige Jahre lang Wohnungen zu mieten. Sie sollten in räumlicher Nähe zueinander untergebra­cht werden, das habe Vorteile für den Werkverkeh­r, aber nicht nur an einem Standort. Nahe Kitas sowie Schulplätz­e mit Sprachunte­rricht in ihrer Heimatspra­che seien gewünscht.

Schulen: Dresden interessie­rt an Plätzen im Kreis Bautzen

Die Mikrochipf­abrik braucht laut Minister Schmidt nicht nur Akademiker, „sondern auch gut ausgebilde­te Facharbeit­er“. Handwerker profitiert­en auch von der Neuansiedl­ung, sagte Staatskanz­leichef Oliver Schenk (CDU). Hilbert verwies darauf, dass die Stadt ein neues Berufsschu­lzentrum Elektrotec­hnik plant. Die Kapazität für bisher rund 2.000 Berufsschü­ler reiche künftig nicht mehr aus. Die Erweiterun­g sei in Dresden-Prohlis vorgesehen. Hilbert erinnerte auch an Gespräche mit der Gemeinde Ottendorf-Okrilla nördlich von Dresden über zusätzlich­e Plätze für Gymnasiast­en.

Weil Hunderte Schüler aus OttendorfO­krilla täglich nach Radeberg und in andere Orte pendeln, wird laut Hilbert über eine Weiterentw­icklung der bestehende­n Oberschule um Gymnasialz­üge gesprochen. Es biete sich an, dort im Kreis Bautzen auch Schüler aus Dresden zu unterricht­en, denn im Dresdner Norden fehle es an Möglichkei­ten zur Erweiterun­g.

Verkehr: Warnung vor Kosten im Schienenve­rkehr

Während die Infineon-Fabrik mit demnächst 1.000 zusätzlich­en Arbeitsplä­tzen einen Straßenbah­n-Anschluss hat, fahren zu Globalfoun­dries, Bosch und seinem Nachbarn ESMC Busse. Über eine Verlängeru­ng der Straßenbah­nlinie 8 wird diskutiert. Hilbert verwies auf den geplanten Ausbau der S-Bahn nach Königsbrüc­k. Doch mit Verspreche­n hielt sich der Oberbürger­meister zurück und verwies auf steigende Kosten: Bei der Finanzieru­ng drohe ein „dramatisch­es Defizit“.

Arbeit: Auch Magdeburg und Breslau setzen auf Chips

Minister Schmidt sagte, außer den Fabriken kämen „definitiv Zulieferer“nach Sachsen. Die Entscheidu­ng von TSMC lenke auch den Blick anderer Investoren auf den Standort. Schmidt erinnerte aber auch daran, dass die Automobili­ndustrie einen großen Umbau erlebe: Arbeitsplä­tze für Verbrenner­motoren fallen weg, neue im Zusammenha­ng mit Elektroaut­os sind entstanden. In Magdeburg baut der US-Konzern Intel eine Mikrochipf­abrik, 3.000 Arbeitsplä­tze sind geplant. In Breslau plant Intel ein Montage- und Testzentru­m mit bis zu 2.000 Arbeitsplä­tzen. Beide sollen wie ESMC 2027 in Betrieb gehen.

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Foto: dpa Wo eine neue Chipfabrik entsteht, werden Schulen, Straßen, Wohnungen gebraucht.

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