Sächsische Zeitung (Löbau-Zittau)
Bruchlandung auf dem Acker
Vor 100 Jahren stürzte das Werbeflugzeug eines Neugersdorfers bei Dolgowitz ab.
Er stand im Mittelpunkt eines Löbauer Flugtages, der Sporteindecker der Stahlwerke Mark AG Breslau. Schon am Morgen des 11. Mai 1924 war der Einsitzer mit 30-PS-Motor an der Schützenhalle aufmontiert worden, um am Nachmittag vom Exerzierplatz der Löbauer Garnison aufzusteigen. Zunächst gab es einen 15-minütigen Flug, bei dem der Werkpilot aus Breslau mit beeindruckenden Kunstflugfiguren aufwartete. Alles verlief reibungslos. Bei einem weiteren Flug sollte der Pilot Werbeblätter abwerfen, denn die Maschine gehörte Karl Liebmann, der seit 1922 in Neugersdorf ein Geschäft für Motorfahrzeuge, Fahrräder sowie Wasch- und Wringmaschinen mit Reparaturwerkstatt betrieb. Seine Begeisterung für die Luftfahrt brachte ihn auf den Gedanken, auch Flugzeuge zu verkaufen und dafür zu werben. Für 6.300 Goldmark erwarb er bei der Mark AG den Sporteindecker, auf dessen Tragflächen zu lesen war: „Das Flugzeug für Sport und Reise – Karl Liebmann, Neugersdorf, Sa.“Kurz nach Start des Werbeflugs versagte in geringer Höhe der Motor. Durch die Last der Flugblätter war es dem Piloten unmöglich, zum Gleitflug überzugehen. „Er musste bei der Ziegelei in Dolgowitz eine Notlandung vornehmen, bei der die Maschine arg beschädigt wurde. Der Pilot kam ohne Schaden davon“, berichtete der „Sächsische Postillon“. Durch den Absturz auf ein Getreidefeld und zum Unglücksort eilende Zuschauer entstand an der Unfallstelle unweit der heutigen B 6 hinter der Bahnbrücke hoher Flurschaden. Das Unglück brachte Karl Liebmann in Finanznöte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das kreditbelastete Flugzeug gegen ein viel billigeres Motorrad einzutauschen. Hinzu kam die Schadenersatzforderung des Landwirts. Liebmann ließ die Finger von Flugzeugen, wurde dafür aber Autohändler. Die von ihm begründete Firma gibt es heute noch. (dD)
Mehr über diese und andere Flugzeughavarien kann man in der 2004 vom Neugersdorfer Geschichtsverein aufgelegten Publikation „Oberlausitzer Fliegergeschichte(n)“aus der Feder des unlängst verstorbenen ehemaligen Neugersdorfer Museumsleiters Egbert Wünsche nachlesen.