„Die Kinder von Golzow“ist ihr Lebenswerk
Mit ihrem Mann Winfried drehte sie die längste Dokumentation der Filmgeschichte. Nun wird die Co-Regisseurin Barbara Junge 80. Zum Film kam sie aus einem ungewöhnlichen Grund.
Der Weg zum Film führte über eine Kita. Denn eigentlich hatte Barbara Junge ein Diplom als Dolmetscherin gemacht. Als sie im Jahr 1969 zur DDR-Filmgesellschaft Defa wechselte, lag das zunächst daran, dass sie einen Kindergartenplatz für ihre Tochter bekam. Später sollte Junge als Co-Regisseurin Filmgeschichte schreiben: Die preisgekrönte Dokumentation „Die Kinder von Golzow“begleitet 18 Menschen über sage und schreibe 46 Jahre. Die weltweit einzigartige Chronik schafft es damit nicht nur ins Guinness-Buch der Rekorde, sondern wird auch zum Lebenswerk von Barbara und ihrem Mann, dem Regisseur Winfried Junge. Am 14. November wird die ostdeutsche Filmemacherin, die in BerlinFriedrichsfelde lebt, nun 80 Jahre alt.
Schlussfilm lief auf der Berlinale
Ihren Geburtstag feiere sie zweigeteilt, erzählt Junge der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst mit der Familie, Mitte November werde ihr dann ein Filmabend in Golzow gewidmet. Jener brandenburgischen Gemeinde nahe der polnischen Grenze in der damaligen DDR, die ab 1961 zum Mittelpunkt des langjährigen Filmprojekts der Junges wird.
Eigentlich wollte Winfried Junge einen Film über den ersten Schultag einer Landschulklasse drehen. Doch am Ende stehen etwa 20 Filme, die das Erwachsenwerden, die unterschiedlichen Lebensläufe der ehemaligen Schüler und das Leben in der DDR festhalten. Auch nach dem Mauerfall führt das Ehepaar die Chronik weiter. 2008 läuft dann der abschließende Zweiteiler „Und wenn sie nicht gestorben sind ...“mit großem Erfolg auf der Berlinale. Das Filmprojekt räumt viele Auszeichnungen ab, 2007 erhalten die Junges etwa den Preis für Verdienste um den deutschen Film der DefaStiftung. Wer die Streifen schaut, erlebt anfangs Kinder, die in der Schule den Buchstaben „A“lernen, mal schüchtern in die Kamera schauen, ihre Zeugnisse bekommen und langsam erwachsen werden.
Zeitdokumente, wie Barbara Junge findet. „Ich glaube, im Nachhinein zeigen sie den Blick auf ein Land, das in der Vergangenheit geblieben ist, versunken ist. Wenn man erfahren will, wie in der DDR gelebt wird, ist es noch eine Möglichkeit, dies mit diesen Dokumentarfilmen zu sehen.“
Beteiligt daran war die Regisseurin, deren Tochter die Drehbuchautorin Laila Stieler („Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush“) ist, am Anfang jedoch nicht. 1943 in Neunhofen – heute ein Ortsteil der Stadt Neustadt an der Orla – in Thüringen geboren, macht Junge in den 1960er-Jahren an der damaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig zunächst ein Diplom als Dolmetscherin für Englisch und Russisch. Dort lernt sie bei der renommierten Leipziger Dokumentarfilmwoche auch ihren Mann kennen. Sie kam quasi durch Zufall zum Film.
Co-Regisseurin ab 1992
Im Jahr 1978 fängt Junge an, die Dokumentation des Golzow-Projekts zu übernehmen, 1992 wird sie zur Co-Regisseurin. Das Projekt habe ihr Leben ungemein bereichert, sagt sie. „Ich habe sehr viele Leute kennengelernt, mit denen ich auch immer noch in Kontakt bin. Es ist Teil meines Lebens.“(dpa)