Zwischen Normalprogramm und Notoperation
Trotz des Karlsruher Urteils hat die Regierung weitere Mehrausgaben beschlossen. Das Loch im Etat will sie in der kommenden Woche schließen.
Der Bundeshaushalt für 2024 ist fertig. Zum größeren Teil jedenfalls. Wesentliches fehlt allerdings noch. Doch man bemüht sich. Das ist in vier Sätzen das Fazit der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag, traditionell eine lange Veranstaltung. In diesem Jahr war kurz nach vier Uhr am Freitagmorgen Schluss – des ersten Teils.
Die Fortsetzung ist für Donnerstag geplant. Bis dahin will die Koalition den Weg aus der Bredouille gefunden haben, in die sie am Mittwoch vom Bundesverfassungsgericht gestürzt worden war. Nach dem
Verdikt, dass die Koalition mit einer Kreditaufnahme auf Vorrat massiv gegen die Schuldenbremse und Haushaltsgrundsätze verstoßen hat, fehlen im Klima- und Transformationsfonds 60 Milliarden Euro. Nun ist ein Loch zu stopfen.
Zunächst hat sich die Ampel für ein Parallelprogramm entschieden. In der Nacht zu Freitag wurde auf Normalität gemacht. Alle Einzeletats der Ministerien wurden mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen. Im zweiten Akt wird nun versucht, die Notlage zu bereinigen. Da der KTF – ein sogenanntes Sondervermögen, das Programme vieler Ministerien vereint – mehrjährig angelegt ist, fehlen nach Angaben des SPD-Chefhaushälters Dennis Rohde im kommenden Jahr 18,5 Milliarden Euro. Der Rest der fehlenden Mittel verteilt sich auf die Jahre danach.
Wie groß das Loch im Gesamtetat tatsächlich ist, ist unklar. Unions-Haushaltspolitiker Christian Haase kommt auf mindestens 15 Milliarden Euro, der AfD-Politiker
Peter Boehringer nennt die Summe von 19,5 Milliarden Euro. Diese Schätzungen setzen sich zusammen aus den Mehrausgaben, die unter anderem in der Nacht zu Freitag beschlossen wurden.
Die drei Chefhaushälter der Ampel – neben Rohde der Grüne Sven-Christian Kindler und Otto Fricke von der FDP – nannten am Freitag keine Zahl zur Lücke im Gesamtetat. Aber man darf davon ausgehen, dass der Koalition momentan deutlich mehr als 30 Milliarden Euro fehlen.
Die Rettung wird nun in zwei Einzeletats mit den Nummern 32 und 60 gesucht. Der eine ist mit „Bundesschuld“betitelt, der andere mit „Allgemeine Finanzverwaltung“. Letzterem sind auch die Sondervermögen zugeordnet, also vor allem der KTF und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Damit deutet sich an, wie die Regierung das Loch stopfen könnte. Da wären etwa die Zinsausgaben. Die sind laut CDU-Mann Haase im Etatentwurf schon zu hoch angesetzt, nun aber hat Karlsruhe quasi mitgeholfen: Der ersatzlose Wegfall der Kreditermächtigungen aufgrund des Urteils reduziert die potenzielle Verschuldung im KTF und damit die Zinslast 2024. Zudem kann die Ampel den KTF zusammenstreichen: Die Mittel fließen aus diesem Fonds schon seit Jahren nicht so ab wie geplant.
Das „Normalprogramm“bescherte den Ressorts einige Zuflüsse. Haase sprach von 20 Milliarden Euro, Rohde, Kindler und Fricke wollten das nicht bestätigen. Ein Batzen ist das Vier-Milliarden-Plus bei den Hilfen für die Ukraine. Das Außenministerium bekam 700 Millionen Euro mehr für humanitäre Hilfen, das Sozialministerium bekommt 6,2 Milliarden mehr für Bürgergeld, Kosten der Unterkunft und Grundsicherung. Allerdings wurden in dem Etat laut Bereinigungsvorlage auch die Rentenzuschüsse nochmals gekürzt. Und für die Aktienrente der FDP werden weitere zwölf Milliarden Euro bereitgestellt, über Kredite finanziert, die aber nicht unter die Schuldenbremse fallen.