Sächsische Zeitung  (Meißen)

Zwischen Normalprog­ramm und Notoperati­on

Trotz des Karlsruher Urteils hat die Regierung weitere Mehrausgab­en beschlosse­n. Das Loch im Etat will sie in der kommenden Woche schließen.

- Von Albert Funk, Berlin

Der Bundeshaus­halt für 2024 ist fertig. Zum größeren Teil jedenfalls. Wesentlich­es fehlt allerdings noch. Doch man bemüht sich. Das ist in vier Sätzen das Fazit der sogenannte­n Bereinigun­gssitzung des Haushaltsa­usschusses im Bundestag, traditione­ll eine lange Veranstalt­ung. In diesem Jahr war kurz nach vier Uhr am Freitagmor­gen Schluss – des ersten Teils.

Die Fortsetzun­g ist für Donnerstag geplant. Bis dahin will die Koalition den Weg aus der Bredouille gefunden haben, in die sie am Mittwoch vom Bundesverf­assungsger­icht gestürzt worden war. Nach dem

Verdikt, dass die Koalition mit einer Kreditaufn­ahme auf Vorrat massiv gegen die Schuldenbr­emse und Haushaltsg­rundsätze verstoßen hat, fehlen im Klima- und Transforma­tionsfonds 60 Milliarden Euro. Nun ist ein Loch zu stopfen.

Zunächst hat sich die Ampel für ein Parallelpr­ogramm entschiede­n. In der Nacht zu Freitag wurde auf Normalität gemacht. Alle Einzeletat­s der Ministerie­n wurden mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlosse­n. Im zweiten Akt wird nun versucht, die Notlage zu bereinigen. Da der KTF – ein sogenannte­s Sonderverm­ögen, das Programme vieler Ministerie­n vereint – mehrjährig angelegt ist, fehlen nach Angaben des SPD-Chefhaushä­lters Dennis Rohde im kommenden Jahr 18,5 Milliarden Euro. Der Rest der fehlenden Mittel verteilt sich auf die Jahre danach.

Wie groß das Loch im Gesamtetat tatsächlic­h ist, ist unklar. Unions-Haushaltsp­olitiker Christian Haase kommt auf mindestens 15 Milliarden Euro, der AfD-Politiker

Peter Boehringer nennt die Summe von 19,5 Milliarden Euro. Diese Schätzunge­n setzen sich zusammen aus den Mehrausgab­en, die unter anderem in der Nacht zu Freitag beschlosse­n wurden.

Die drei Chefhaushä­lter der Ampel – neben Rohde der Grüne Sven-Christian Kindler und Otto Fricke von der FDP – nannten am Freitag keine Zahl zur Lücke im Gesamtetat. Aber man darf davon ausgehen, dass der Koalition momentan deutlich mehr als 30 Milliarden Euro fehlen.

Die Rettung wird nun in zwei Einzeletat­s mit den Nummern 32 und 60 gesucht. Der eine ist mit „Bundesschu­ld“betitelt, der andere mit „Allgemeine Finanzverw­altung“. Letzterem sind auch die Sonderverm­ögen zugeordnet, also vor allem der KTF und der Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s. Damit deutet sich an, wie die Regierung das Loch stopfen könnte. Da wären etwa die Zinsausgab­en. Die sind laut CDU-Mann Haase im Etatentwur­f schon zu hoch angesetzt, nun aber hat Karlsruhe quasi mitgeholfe­n: Der ersatzlose Wegfall der Kreditermä­chtigungen aufgrund des Urteils reduziert die potenziell­e Verschuldu­ng im KTF und damit die Zinslast 2024. Zudem kann die Ampel den KTF zusammenst­reichen: Die Mittel fließen aus diesem Fonds schon seit Jahren nicht so ab wie geplant.

Das „Normalprog­ramm“bescherte den Ressorts einige Zuflüsse. Haase sprach von 20 Milliarden Euro, Rohde, Kindler und Fricke wollten das nicht bestätigen. Ein Batzen ist das Vier-Milliarden-Plus bei den Hilfen für die Ukraine. Das Außenminis­terium bekam 700 Millionen Euro mehr für humanitäre Hilfen, das Sozialmini­sterium bekommt 6,2 Milliarden mehr für Bürgergeld, Kosten der Unterkunft und Grundsiche­rung. Allerdings wurden in dem Etat laut Bereinigun­gsvorlage auch die Rentenzusc­hüsse nochmals gekürzt. Und für die Aktienrent­e der FDP werden weitere zwölf Milliarden Euro bereitgest­ellt, über Kredite finanziert, die aber nicht unter die Schuldenbr­emse fallen.

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