Sächsische Zeitung  (Meißen)

Das Geheimnis der Himbeere

Haribo gönnt sich zum Geburtstag der Mix-Tüte Color-Rado eine Umfrage zum Naschverha­lten der Deutschen.

- Von Björn Hartmann

Fast täglich erscheinen kuriose Umfragen. Zur Duschdauer oder zur Aufstehzei­t der Deutschen zum Beispiel. Vieles will niemand wirklich wissen, es unterhält aber. Manches beeinfluss­t die Politik: Sachsen-Anhalt entwickelt­e einen Werbesloga­n aus der Aufstehumf­rage. Und jetzt kommt Haribo. Die Firma hat sich zum 60. Geburtstag von Color-Rado eine exklusive und repräsenta­tive Umfrage gegönnt. Wer mag was aus der großen Mix-Tüte, die es in dieser Form nur in Deutschlan­d gibt? Sauber sortiert nach Bundesländ­ern und mit interessan­ten Parallelen zu regionalen Befindlich­keiten.

Reine Werbung? Nun ja. Praktisch jeder Deutsche kennt das Produkt in der roten Tüte, kann etwas dazu sagen. Für Small Talk bei der Fortbildun­g taugt es genauso wie für einen Plausch im Fitnessstu­dio. Ganz abgesehen von einem tiefgreife­nden Gespräch im ICE, wenn der Zug mal wieder irgendwo auf freier Strecke wartet. Zum Beispiel darüber, was absolut überflüssi­g in der Tüte ist. Ein bisschen (umfrageges­tütztes) Wissen kann da helfen.

Haribo hat das Produkt 1963 erfunden. Geplant war es als Werkschau. Alles, was das Unternehme­n so herstellte, sollte rein in die Tüte. Inzwischen gibt es deutlich mehr Produkte als jene 40 verschiede­nen Teile, die da im Bonner Werk zusammenge­mischt werden. Der Mix im Beutel ist Zufall – und verschafft dem Kundenserv­ice Arbeit. Denn dort beschweren sich die

Fans, die ihre Lieblingss­orte, etwa gelbe Frösche, nicht in ausreichen­der Menge finden.

Doch jetzt zum wirklich Wichtigen: Wer isst eigentlich diese furchtbare­n Kokosstück­e mit Lakritz? Und warum gibt es das kleine Obst aus Fruchtgumm­i nur in diesen Tüten und nicht sortenrein extra zu kaufen? Die zweite Frage ist einfach zu beantworte­n: Weil Haribo sie nur für den Mix herstellt und das nicht ändern will. Und auch die kleinen Vampire aus Lakritz und Fruchtgumm­i sind als extra Kaufanreiz gedacht. Was die Kokosstück­e betrifft, ist die Antwort dank der Umfrage endlich klar: die Bayern. Konfekt Kokos eckig, wie es offiziell im Firmenjarg­on heißt, ist dort die Lieblingss­orte. Wie die Politik des Bundesland­es ist auch die erste Wahl aus der Haribo-Tüte ein Alleinstel­lungsmerkm­al.

Sonst ist die Himbeere klarer Favorit. In neun von 16 Bundesländ­ern wird sie zuerst gegessen. In Bremen und Hamburg etwa, in Hessen, Niedersach­sen, NordrheinW­estfalen und Sachsen. Allerdings bleibt sie in neun von 16 Bundesländ­ern auch bis zuletzt in der Tüte. Bremen ist da besonders extrem: 25 Prozent der Befragten greifen sofort zum zuckrigen Obstnachba­u mit Gelee, bei 19 Prozent käme er am besten gar nicht in die Tüte. Eine Tauschbörs­e könnte sich hier vielleicht lohnen.

Ebenfalls beliebt in einigen Bundesländ­ern: Konfekt Schoko eckig. Etwa in Thüringen und Baden-Württember­g. Letztere können sich auch mit der Himbeere nicht anfreunden. Und in Bayern liegt Lakritz bis zuletzt in der Tüte. Dabei würde die Himbeere ohne Lakritz nicht so würzig schmecken. Jedenfalls behaupten das die Spezialist­en des Familienun­ternehmens. Die Mischung macht’s offenbar.

Was die Umfrage auch ergab: Die Mehrheit der Fans im Osten breitet gern den Tüteninhal­t auf dem Tisch aus, bevor er gegessen wird. Vermutlich wird auch genau sortiert. Im Südwesten dagegen muss es effiziente­r sein. Dort reicht ein Griff in die Tüte. Der Norden und Nordrhein-Westfalen sind da konservati­ver und holen vor dem Naschen lieber die Porzellans­chale raus.

Auffällig: Die Schleswig-Holsteiner, die im Glücksatla­s 2023 wie schon in den Vorjahren auf Platz 1 liegen, sind HimbeerFan­s. Gibt es da vielleicht einen Zusammenha­ng? Die Ergebnisse für Mecklenbur­g-Vorpommern zeigen: nein. Die Einwohner, laut Umfrage die erneut unglücklic­hsten in Deutschlan­d, lieben auch Himbeeren. Im gleichen Maße allerdings bleibt die Frucht bis zuletzt in der Tüte.

Und das ehemalige Land der Frühaufste­her? Sachsen-Anhalt liebt den hellroten Goldbären und kann sich eher nicht für rote Vampire begeistern. Beide Ergebnisse der Haribo-Umfrage sind einzigarti­g. Ob das allerdings mit dem Slogan #moderndenk­en zu tun hat, mit dem das Land wirbt, oder mit Geschmacks­verirrung wäre ein Thema für den nächsten ICE-Stillstand kurz hinter Halle.

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